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Coronafakten
- ORF Dok 1 von Hanno Settele: „Die verschwundene Seuche“ (21.09.23)
- Porträt und Faktencheck zum Gesundheitsminister Johannes Rauch (18.10.23)
- „Aufarbeitung“ beim FALTER (10.11.23)
Coronawissen
- Faktencheck zum Rechnungshofbericht (01.08.23)
- Die zehn größten Irrtümer über die Pandemie (22.04.23)
- Message Control im ORF: Pandemie und Endemie (28.02.23)
- Faktencheck Variantenmanagementplan (18.12.22)
- Faktencheck Schernhammer (12.12.22)
- Tag 997 (07.12.22) – Es gibt keine Immunschuld
- Tag 977 (17.11.22) – ORF-Report “Schulschließungen waren ein Fehler”
- Tag 960 (31.10.22) – Faktencheck Elling-Interview
- Tag 879 (06.08.22) – Faktencheck zu getätigten Aussagen u.a. von Ärzten
- Tag 825 (14.06.22) – Rezension von Ex-Gesundheitsminister Anschobers Buch ‘Pandemie’
- Tag 803 (23.05.22) – Faktencheck Bathke et al. im STANDARD
- Tag 764 (16.04.22) – Faktencheck Epidemiologe Gartlehner, ZiB2
- Tag 742 (25.03.22) – Faktencheck Gesundheitsminister Rauch im Ö1-Mittagjournal
- Tag 400 (19.04.21) – Gängige Irrtümer und Desinformation im Faktencheck
- Tag 364 (14.03.21) – Infektiologe Wenisch in der zib2
- Tag 358 (08.03.21) – “Häufige gestellte Fragen” auf der AGES-Webseite
- Tag 341 (17.02.21) – Epidemiologin Schmid, AGES – Interview im FALTER
- Tag 241 (08.11.20) – Ö1- “Im Journal zu Gast” mit Gesundheitsminister Anschober
- Tag 238 und Tag 239 (04. und 05.11.20) –Pressekonferenz Faßmann mit Apfalter (Teil 1 und 2)
- Tag 231 (28.10.20) – Allerberger – “Frühstück bei mir”, Ö3
- Tag 195 (22.09.20) – Whataboutism – Fakten statt Fake-Aussagen
- Tag 188 (15.09.20) – Leserbrief an den FALTER zum Thema Aerosole vs. Tröpfchen
Faktencheck Regierung
Behauptung: “Das ständige Behaupten, dass Österreich die Herausforderung Long Covid nicht ernst nehmen würde, ist absurd. Österreich hat als eines der ersten Länder einen Diagnosepfad für Allgemeinmediziner:innen bekommen.” (Quelle: Presseaussendung der Grünen, 08.04.22)
Wahr ist: Zahlreiche Hausärzte kennen die angesprochenen Long Covid-Leitlinie nicht einmal. Etliche Betroffene haben Schwierigkeiten, mit ihren Beschwerden ernstgenommen zu werden, darunter sind vor allem junge Frauen, denen von Natur aus angedichtet wird, ihre Beschwerden wären rein psychisch oder psychosomatisch bedingt. Betroffene müssen darum kämpfen, dass ihre Krankheit anerkannt wird.
Bei Long Covid gibt es fließende Übergänge zu MECFS, nämlich dann, wenn die Beschwerden mindestens sechs Monate andauern. Typisch für beide Krankheitsbilder ist, dass eine Zustandsverschlechterung nach körperlicher und geistiger Aktivität eintritt (PEM). Eine parlamentarische Anfrage zur besseren Finanzierung von Behandlungs- und Anlaufstellen für MECFS-Betroffene in Österreich wurde vom Gesundheitsministerium unter dem damaligen Gesundheitsminister Mückstein abgelehnt (21.02.22):
“Derzeit ist der Aufbau spezifischer medizinischer Behandlungs- und Versorgungsstrukturen inklusive Finanzierung von öffentlichen Anlaufstellen zur Diagnosestellung des CFS nicht vorgesehen und erscheint auch nicht als primär zielführend.”
Mehr Abstand und FFP2-Masken
Behauptung: „Die deutlich infektiösere britische Mutation des Corona-Virus erfordere auch eine Anpassung, also Erweiterung, der bisherigen Abstandsregeln.” (Quelle: Oswald Wagner, Berater des Kanzleramts, 16.01.21)
“Die Virusmutation B.1.1.7 verbreitet sich dynamisch in Europa und dem Rest der Welt. …. Die FFP2-Maskenpflicht sei ebenso wie der höhere Mindestabstand “zielorientiert” auf die Risiken der neuen Variante – ein stark erhöhtes Ansteckungsrisiko – zugeschnitten.” (Quelle: ehemaliger Gesundheitsminister Rudi Anschober, 23.01.21)
Wahr ist: International vernetzte Experten und Aerolwissenschaftler wissen schon seit längerem, dass das Virus nicht über Tröpfchen übertragen wird, die nach ein oder zwei Meter zu Boden fallen, sondern über Aerosole, die wesentlich größere Strecken zurücklegen können, wenn sie stundenlang in einem schlecht belüfteten Raum schweben. Epidemiologe Zangerle hat die unsinnige Diskussion zu ein oder zwei Meter Abstand im September 2020 zusammengefasst, Erklärvideos zu N95 (FFP2)-Masken gab es in den USA schon im Juni 2020. In Österreich hält sich hartnäckig das Narrativ, dass Aerosolübertragung nur in Spitälern stattfindet, wenn etwa Patienten intubiert werden müssen. Dieser Kenntnisstand ist veraltet, selbst bei Influenza wurde 2018 schon nachgewiesen, dass Aerosole nicht nur durch Husten und Niesen entstehen. Die Feststellung, dass SARS-CoV2 über Aerosole übertragen wird, hatten bereits 239 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler im Juli 2020.
Die Einführung der allgemeinen FFP2-Maskenpflicht hätte also schon beim Wildtyp effektiv geholfen, die Infektionszahlen zu drücken. Zwei Meter Mindestabstand statt einem Meter hatte rein wirtschaftliche Implikationen – weniger Personen pro Quadratmeter und damit weniger Umsatz für Handel und Gastronomie. In der Realität war es nie scharf messbar, ob eine Person ein oder zwei Meter Abstand gehalten hat, außer jemand ist mit dem Meterstab herumgelaufen und hat ständig nachgemessen.
Masken
Behauptung: Österreich hätte zu Beginn als eines der ersten Länder außerhalb Asiens die Maskenpflicht eingeführt und andere Länder hätten sich angeschlossen. (Quelle: Oswald Wagner, 15.02.21, Pressekonferenz).
Wahr ist: Tschechien führte am 19. März als erstes europäisches Land die Maskenpflicht ein, Österreich zog am 6. April 2020 nach. Am 15. Juni 2020 fiel die Maskenpflicht aber großteils wieder und wurde am 24. Juli 2020 erneut eingeführt, um im Sommer 2021 erneut weitgehend zu fallen bzw. auf einfache OP-Masken reduziert zu werden.
Isolation und Quarantäne
Nicht nur, dass die Regierung bewusst oder unbewusst beide ständig durcheinander wirft… Eselsbrücke: Isolation bei Infektion, Quarantäne bei Kontakt zu einer infizierten Person – in Österreich unter Absonderung zusammengefasst.
Behauptung: Die meisten Länder hätten die Quarantäne bereits abgeschafft – als Vorwand, die Isolationspflicht (!) abzuschaffen.
Wahr ist: 23 von 28 Länder haben weiterhin verpflichtende Isolation für Infizierte.
Gartlehner selbst behauptete, dass die Quarantäne bei den hohen Fallzahlen keinen Sinn mehr hätte. Auch Gartlehner als Co-Autor mit Nussbaumer-Streit et al. (2020):
“Modelling studies consistently reported a benefit of .. quarantine of people exposed to confirmed or suspected cases may have averted 44% to 96% of incident cases and 31% to 76% of deaths compared to no measures based on different scenarios.”
Faktencheck sonstiges
Fakt: Bei SARS-CoV2 ist man von Beginn an von einer niedrig einstelligen Sterblichkeitsrate ausgegangen.
Mythos: SARS-CoV2 wäre bei weitem harmloser als ursprünglich erwartet. Man hätte mit Sterblichkeitsraten wie bei MERS (30%) gerechnet (Infektiologe Allerberger)
Die Infektionssterblichkeitsrate (Infection Fatality Rate, IFR) gibt den Anteil der Todesfälle unter allen laborbestätigten Fällen an, einschließlich asymptomatischer Fälle. Am 21. Jänner 2020 gab es 220 Fälle und 4 Tote (IFR 1,8%), Virologe Drosten hätte es als sehr schlimm eingeschätzt, wenn die Mortalitätsrate gleich geblieben wäre. Infektiologe Allerberger nannte am 02. Februar 2020 in der “Neuen Vorarlberger Tageszeitung” eine IFR von 2,2%. Nach aktuellem Stand beträgt die IFR unter einem 1%.
Im Gegensatz zur IFR bezieht sich bei der Fallsterblichkeitsrate (Case Fatality Rate, CFR (Letalität)) der Anteil der Todesfälle nur auf klinisch (symptomatisch) Erkrankte. Infektiologe Günter Weiss nannte am 24. Jänner 2020 in der Tiroler Tageszeitung eine Letalitätsrate von 1%. Bis 11. Februar 2020 wurden 44672 Fälle bestätigt, die CFR betrug 2,3%. Je nach Altersgruppe variiert die CFR stark.
Die Harmlosigkeit einer Erkrankung bemisst sich aber nicht aber alleine an der Sterblichkeit, sondern nach der Krankheitslast der Überlebenden (LongCOVID, Rekonvaleszenz).
Fakt: Das Immunsystem lässt sich nicht durch Infektionen trainieren.
Mythos: Je häufiger ich mich infiziere, desto besser wird meine Immunität.
Virologe Drosten, 29.12.21:
„Wer glaubt, durch eine Infektion sein Immunsystem zu trainieren, muss konsequenterweise auch glauben, durch ein Steak seine Verdauung zu trainieren.”
Fakt: Nach fünf Tagen sind noch rund 50% der mit Omicron infizierten Personen ansteckend.
Mythos: “Nach fünf Tagen ist das Virus bei geimpften Personen vollkommen von
Antikörpern ummantelt.” (Zitat Katharina Reich, Sektionsleiterin für Public Health im Gesundheitsministerium, GECKO-Vorsitzende, PRESSE am 29.03.22)
Nach Auskunft des medizinischen Krisenstabs in Wien können sich nur 10% der erkrankten Personen am 5. Tag nach Absonderung freitesten, in den Tagen 6-9 sind es weitere 20%. Freitesten ist also bei 70% der erkrankten Personen erst ab dem 10. Tag möglich.
Wahr:
Rund 50% der infizierten Personen waren am fünften Tag nach Symptombeginn bzw. dem ersten positiven PCR-Test noch ansteckend (Hay et al. 2022, Boucau et al. 2022, Luna-Muschi et al. 2022). Studien zum Freitesten mit Antigentests bestätigten diese Ergebnisse noch vor der Aussage von Reich mehrfach (Landon et al., (02.02.22), Nelson et al. (15.02.22), Lefferts et al. (25.02.22), Cosimi et al. (06.03.22), Earnest et al., (13.03.22), Raza et al., (17.03.22).
Laut RKI beginnt der Isolationszeitraum von Infizierten ab dem Tag des Symptombeginns, bei asymptomatischen Personen ab Tag der Abnahme des ersten positiven Tests. Problematisch werden die fünf Tage dann, wenn man ab Symptombeginn rechnet, weil dieser bei Geimpften früher beginnt:

Symptome sind oft Folge der Immunreaktion (nicht des Virus). Impfungen sorgen dafür, dass das Virus rasch erkannt wird, bevor das Virus anwachsen kann. Die rasche Immunantwort bewirkt die Unterdrückung des Virus für einen Tag oder länger, ehe es entweder eliminiert wird oder weiter anwachsen kann. Symptome treten also auf, bevor die infizierte Person ansteckend wird. Antigentests können daher in den ersten Tagen bei Symptomen negativ ausfallen.
Fünf Tage Isolation sind also virologisch zu wenig, aber auch medizinisch das falsche Signal: Eine Covid19-Infektion ist eine potentiell schwere Erkrankung mit signifikanten Langzeitfolgen. Richtig auskurieren ist daher sehr wichtig.
Fakt: “Zugluft” und “Kälte” alleine verursachen keine Infekte
Mythos: “Mach das Fenster zu, Du holst Dir sonst noch eine Verkühlung.”
Frieren, Schüttelfrost, Frösteln sind bereits die ersten Symptome vieler Atemwegsinfekte, und nicht die Ursache für die Entwicklung von Symptomen.
Unbestritten sorgt ein anhaltender kalter Luftzug für Verspannungen, aber kalte Luft beim Stoßlüften per se löst keine grippalen Infekte aus. Dazu braucht es Krankheitserreger. Deren Konzentration wird durch Lüften verringert. Auch bei bakterieller Blasenentzündung durch kalte Füße ist bereits eine erhöhte Keimzahl vorhanden, die bei Kälte und schlechter Durchblutung eher in die Blase aufsteigen kann.
Fakt: Betten, die für COVID-19-Patienten geschaffen werden müssen, gehen zulasten der Regelversorgung.
Mythos: “Bei Bedarf zusätzlich verfügbare Normal/Intensiv-Betten für Covid19”
Seit es das AGES-Dashboard gibt, wo die Bettenkapazität der Bundesländer eingemeldet werden, herrscht diese irreführende Darstellung (garbage in – garbage out):

Laut AGES verfügbare Betten für COVID-19-Patienten – “inklusive erweiterbarer Kapazität”
Im Kleingedruckten steht aber folgender Absatz:
“Die Notkapazität ermöglicht im Ausnahmefall, dass mehr Patient:innen intensivmedizinisch betreut werden können, als im Normalfall (z.B. ohne saisonalen Ereignissen wie Grippe- oder COVID-19-Wellen) möglich wäre. Die Bereitstellung einer Notkapazität führt zu einer Verschlechterung der gewohnten Spitalsversorgung.”
Bei einer Auslastung mit Covid19-Patienten von 10% müssen bereits OPs verschoben werden, zwischen 20 und 30% kommt es zu Triage-Situationen und auch Notfälle können nicht mehr bestmöglich versorgt werden.

Hier wird klar gezeigt, dass die die Erweiterung der Kapazitäten (die blaue Linie) immer mit der Zahl der COVID-19-Patienten steigt und fällt. Die hellblaue Fläche – das sind die Kapazitäten für Nicht-COVID-Patienten – wird immer kleiner, wenn es mehr COVID-19-Patienten gibt. Das weiße Band sind die angeblichen freien Betten. Das weiße Band bleibt immer gleich – das sind u.a. die Betten, die mangels Personal nicht mit Patienten belegt werden können.
Die Omicron-Welle hat die Situation verschärft, obwohl BA.1 in Summe zu weniger Intensivbettenbelegungen geführt hat. Über die Durchseuchung der ungeimpften Kinder haben sich aber zahlreiche Ärzte und Pfleger angesteckt, was die ohnehin vorhandene Personalnot noch verschärft hat. Physische Betten würde es genug geben, aber das Personal fehlt: Krank, Quarantäne, Pflege für erkrankte Kinder und sehr viele Kündigungen.
Die Mär der freien Betten suggeriert, dass eh ein Platzerl frei wäre – kein Grund also, die Maßnahmen zu verschärfen, die Kontakte einzuschränken oder überall FFP2-Masken tragen zu müssen. Tatsächlich … wer wegen COVID-19 auf die Intensivstation muss, sollte vorher eine Patientenverfügung unterschreiben. Man kann zwar Platz schaffen, in dem man Nicht-COVID-Patienten nicht mehr adäquat behandelt (Operationen verschiebt), aber das verschlechtert eben auch die Lebensqualität dieser Patienten und kann zu Kollateraltoten führen (ist schon mehrfach passiert), die außer in der Übersterblichkeit in keiner Statistik mehr auftauchen.
Im Klartext: Bei mehr als 10% Covid-19-Patienten wird die Regelversorgung im Spital eingeschränkt. Das kann aber noch früher geschehen, wenn auch viel Personal erkrankt.
Fakt: Ob wegen oder mit COVID-19 lässt sich weder gut auseinander halten noch macht es einen signifikanten Unterschied
Mythos: “Das Virus ist weniger gefährlich, die meisten Patienten werden nur zufällig auf COVID-19 getestet”.
- Inzidenzen, Hospitalisierung und Todesfälle sind selbst dann gekoppelt, wenn das Virus bedingt durch die hohen Durchimpfungsraten weniger schwere Verläufe macht. Wenn die Inzidenzen hoch gehen, steigen Hospitalisierung und Todesfälle an.
- Mehr positiv getestete Patienten, egal ob mit oder wegen COVID19, erfordern Isolierungsmaßnahmen, die wieder Bettenkapazitäten für Nichtcovid-Patienten in Beschlag nehmen. Denn man möchte natürlich verhindern, dass sich Risikogruppen, die wegen einer Grunderkrankung oder auch einem banalen Knochenbruch im Krankenhaus befinden, anstecken und sich ihr Zustand rapide verschlechtert.
- Wenn die Inzidenzen so hoch sind, dass immer mehr Patienten “zufällig” auf COVID19 getestet werden, nimmt auch die Zahl der erkrankten Mitarbeiter zu: Weniger Personal, weniger Betten, die benutzt werden können. Selbst bei reduzierter Krankheitslast müssen also OPs verschoben werden. Das schafft wenig Puffer, sollte eine neue Virusvariante wieder schwerere Verläufe machen oder sich der Altersdurchschnitt der Patienten erhöhen, was ebenfalls mit mehr Hospitalisierungen einhergeht.
- Mitte April 2020 wurden in der ZiB 15% der Todesfälle als “mit Corona” ausgewiesen, zu diesem Zeitpunkt sind aber Menschen AN Corona gestorben, ohne jemals getestet worden zu sein. Covid19 kann bestehende Grunderkrankungen verschlechtern und auch nachträglich noch Probleme machen (LongCOVID).
- Stillfried et al., (17.02.22) stellen im ersten Bericht des deutschen Autopsieregisters fest, dass 86% aller Todesfälle direkt auf COVID-19 zurückzuführen sind und nur 14% auf COVID-19 als Begleiterkrankung.. Die häufigste Ursache war eine Schädigung der Lungenbläschen, gefolgt von Multiorganversagen.
Fakt: Saisonale Effekte sind von der Dynamik infektiöserer Varianten überlagert
Mythos: Die Fallzahlen gehen von alleine zurück, wenn es wärmer wird, und steigen erst im Herbst und Winter wieder an.
Wahr ist: Neue Wellen wurden in den ersten Jahren vor allem von neuen Varianten getrieben, die zunächst mehr Infektiösität (Alpha, Delta), dann vor allem mehr Immunflucht aufwiesen (Omicron-Varianten). Die Jahreszeit spielte dabei hinsichtlich Wellenentwicklung keine Rolle, wohl aber beim Wellenscheitel (Ausnahme: BA.5 im Sommer 2022). Seit 2024 gibt es keine markant neue Variante mehr und ein mehrgipfliger Scheitel zeichnet sich jeweils in den späten Sommer- bis frühen Herbstmonaten ab. Der Anstieg begann seit dem ersten Pandemiejahr aber schon immer bereits ab dem Frühjahr, spätestens ab Juli. Klassisch saisonale Viren wie humane Coronaviren, RSV oder Influenza beginnen erst im späten Herbst oder Winter, im Gegensatz zu SARS-CoV2 ohne relevante Zirkulation im Frühling und Sommer.

Nach der Alpha-Welle im April 2021 kam zusätzlich zur Infektionswelle auch der Einfluss der Impfkampagne hinzu: Der Begriff “honeymoon period” wurde erstmals im Zusammenhang mit Masern geprägt, hier allerdings vor allem wegen neu empfänglichen Personengruppen durch Geburten und weniger durch nachlassende Immunität. Mehrere europäische Länder hatten diese „Schonfrist“ dank der Impfkampagnen, ehe mit aufgehobenen Schutzmaßnahmen ab dem Hochsommer erneut ein stetiger Anstieg mit der Delta-Variante geschah, welche zwei Impfdosen umgehen konnte. Zudem verhielten sich Geimpfte oft sorgloser als vor der Impfung und provozierten Durchbruchsinfektionen durch höhere Viruslast bei Risikosituationen (Indoor-Crowding).
In Österreich zeigt sich im Sommer meist ein kleiner Vorgipfel, wenn durch den Reiseverkehr (Tourismus) Infektionen eingetragen werden. Ab September mit Schulbeginn nehmen die Infektionen dann deutlich an Anfahrt auf, wenn sowohl die Kontaktnetzwerke in den Schulen als auch in der Arbeit zusammentreffen.
Saisonale Effekte entstehen vor allem indirekt durch unser Verhalten: Wir sind bei wärmeren Wetter eher draußen und lüften häufiger, fahren auch eher mit dem Rad als mit öffentlichen Verkehrsmitteln. Auch Konzerte und Kulturveranstaltungen finden eher im Freien statt. Bei Kälte ist alles umgekehrt, wir halten uns häufiger in Innenräumen auf. Meist sind sie zu stark geheizt, die Luft zu trocken, was die Bildung von langlebigen Aerosolen fördert. In den Öffis wird es eng, private Treffen finden in den Wohnungen statt, nicht im Park oder am Grillplatz.
Das bedeutet nicht, dass die Außentemperaturen keinen Einfluss hätten. Bei feuchtkaltem Wetter ist unsere Immunabwehr geschwächt. Die Aktivierung der zelleigenen Immunantwort ist bei 28°C deutlich verzögert. Die Verzögerung der Abwehrmechanismen kann entscheidende Rolle spielen (Viren vermehren sich schnell). Das Interferon-System spielt eine wichtige Rolle bei der Kontrolle der SARS-CoV2-Infektion und Verlauf von COVID-19, genetische Defekte in der Interferon-Antwort erhöhen das Risiko für schwere COVID-19-Verläufe stark, ebenso Autoimmun-Antikörper gegen Interferon. Atemwege werden selbst gereinigt durch „mukociliäre Clearance“ (Partikel in der Atemluft werden mit Hilfe des Schleims aus der Lunge befördert). Bei trockener Luft stark beeinträchtigt. Ohne gute Selbstreinigung steigt Gefahr, dass ein Virus auf eine Zelle trifft und sie infiziert.
Doch, um sich zu infizieren, muss man Kontakt mit infizierten Menschen haben, und das geschieht in geschlossenen Räumen nun einmal häufiger und wahrscheinlicher als im Freien.
