In dieser Übersicht sind zahlreiche Daten und Studien zur Impfwirksamkeit (Vaccine Efficiency, VE) der mono- und bivalenten SARS-CoV2-Impfstoffe gegen Wildtyp und Virusvarianten gesammelt.

Hinweis zum Thema Imprinting und Original Antigenic Sin (OAS)

„Original sin of infection is much more important to avoid than original antigenic sin.“ (Ryan Hisner, 11.01.24 (X))

Das Immunsystem bildet gegen Antigene (z.B. Virenbestandteile), mit denen es erstmals in Kontakt kommt, Gedächtniszellen aus und wird auf diese geprägt.

Das ist evolutionär sinnvoll, weil die Gedächtniszellen bei erneutem Kontakt (Infektion) schnell spezifische Antikörper produzieren können. Die Gedächtniszellen reifen zudem im Verlauf der Zeit in den Keimzentren, z.B. Lymphknoten durch Affinitätsreifung. Durch somatische Hypermutation werden ständig neue Gedächtniszellen prduziert und jeweils diejenigen, deren Antikörper das feindliche Antigen am besten neutralisieren, selektiert (Jan Hartmann 09/2022)

Gefahr: Bei der nächsten Virusinfektion bekämpft das Immunsystem die bekannten Virusbestandteile besser und effektiver, das geht aber zulasten einer effektiven Reaktion gegen neue Mutanten/Virusbestandteile ( = OAS). Für SARS-CoV2 zunächst nicht nachgewiesen (Chemaitelly et al. 12.10.22), später bei den bivalenten Impfstoffen aber mehrfach belegt (Addetia et al. 2023, Yisimayi et al. 2023, Wang et al. 2023)..

Bei der „Spanischen Grippe“ 1918 gab es die höchste Sterblichkeitsrate bei den jungen Erwachsenen, die vor allem von der „Russischen Grippe“ (1889-1890) betroffen waren. Das wird als antigenisches Imprinting durch frühere Virusexposition interpretiert (G. Woo 2019).

Aus diesem Grund wurden ab Herbst 2023 wieder monovalente Impfstoffe ohne Wildtyp-Anteil entwickelt.

Pro und Contra Imprinting

  • mprinting scheint eine deutlich geringere Rolle für die Anpassung der Antikörperantwort an Varianten zu spielen als bisher befürchtet (Quirk et al. 09/2023).
  • Allerdings existiert das Problem auch beim monovalenten XBB-Impfstoff noch, das heißt, es werden kreuzreaktive, aber nicht XBB.1.5-spezifische Antikörper gebildet. (Tortorici et al. 11/2023 preprint), was sich mit früheren Studienergebnissen deckt (Stankov et al. 2023, Wang et al. 11/2023 preprint). Das heißt mit anderen Worten, es ist noch Luft nach oben bei der Impfstoffentwicklung, dass die erzeugte Immunantwort gegen neue Varianten noch besser ausfällt, aber es geht in die richtige Richtung.
  • Zur Behauptung, dass mRNA-Impfstoffe ungewöhnlich viele IgG4-Antikörper gegen das Spike-Protein produzieren und daher Toleranz gegen eine SARS-CoV2-Infektion entwickelt werden kann, hier eine Gegendarstellung von Edward Nirenberg, Science Communicator.
  • Ein neues Preprint zeigt allerdings, dass Proteinimpfstoffe weniger IgG4-Antikörper erzeugen als mRNA (Kalkeri et al. 18.01.24)
  • BA.5-Durchbruchsinfektion erzeugt B-Zellen gegen BA.5 und Wildtyp, auch nach zwei Infektionen, aber nicht gegen XBB.1.5. XBB.1.5-Infektionen erzeugen ebenfalls kreuzreaktive Immunantwort, aber auch variantenspezifisch gegen XBB. Imprinting kann positiv oder negativ sein (Johnston et al. 2024 preprint)

VE gegen verschiedene Virusvarianten

Impfstoffe gegen frühere Varianten (Wildtyp, BETA, etc…)

Mit Alpha und Delta gab es dann erste Berichte von Abschwächung der Impfwirksamkeit (Wilfredo et al. 2021) bzw. vermehrten Durchbruchsinfektionen (Kustin et al. 2021). Insbesondere Astra Zeneca verringerte bei Alpha die Weitergabe nur um 29%, schwere Verläufe wurden um 70% verhindert (Emary et al. 2021). Die VE gegen schwere Verläufe und Tod bleib weiterhin gut, die zweite Dosis war jedoch entscheidend. (Vahidy et al. 2021, Shinde et al. 2021)

Bivalente Impfstoffe gegen BA.1, BA.2 und BA.5

Zunächst klangen die Meldungen zu den angepassten Impfstoffen vielversprechend. Sie führten zu erhöhten neutralisierenden Antikörpertitern gegen OMICRON (Lee et al. 2022, Chalkias et al. 2022). Die BA.5-Booster waren etwas besser als BA.1, aber nicht viel besser als die Wildtyp-Impfstoffe (Khoury et al. 2022, Wang et al. 2022, Collier et al. 2022). Die erste Studie mit Lebendvirusdaten statt Pseudovirusassay zeigte eine bessere Neutralisierung gegen neue Varianten wie BA.2.75.2 und BQ.1.1 als davor (Davis-Gardner et al. 2022). Weitere Studien bestätigten, dass der BA.5-Booster etwas besser als der BA.1-Booster war (Kawasuji et al. 2022, Andersson et al. 2023). Der BA.1-Booster erzeugte zwar mehr Antikörper gegen BA.1 als die Wildtyp-Impfung, verbreiterte aber die Immunreaktion gegenüber anderen Varianten nicht (Sahly et al. 2023). Die ersten unabhängigen Daten zu Novavax zeigen keine bessere Wirksamkeit gegen OMICRON-Varianten als andere Impfstoffe (Liu et al. 2022).

Grundsätzlich waren die bivalenten Impfstoffe weiterhin wirksam gegen schwere Verläufe, allerdings ist LongCOVID nicht berücksichtigt (Kirsebom et al. 2023). Die Impfwirksamkeit gegen OMICRON wurde allerdings durch eine spezielle OMICRON-Mutation abgeschwächt (Vu et al. 2023). Eine einmalige Auffrischimpfung mit einem OMICRON-Booster erwies sich als zu wenig (Carreno et al. 2023, Wang et al. 2023 preprint), auch zuvor bereits mit Omicron-Varianten infizierte Personen profitierten von einer Auffrischimpfung mit bivalentem Booster, indem die Neutralisationsbreite gegen Omicron-Varianten verbreitert wurde (Springer et al. 2023).

Mit dem Aufkommen der Rekombinante XBB.1.5 wurde klar, dass die bisherigen bivalenten Impfstoffe nicht mehr ausreichen, die neuen Varianten effektiv zu neutralisieren (Springer et al. 2023), dennoch zeigt ein Rückblick, dass sowohl BA.1 als auch BA.5-Impfstoffe gegen die Varianten zwischen September 2022 (BA.5) und November 2023 (XBB und EG.5.1) in allen Altersgruppen eine Verbesserung des Impfschutzes erzielt haben (Song et al. 2024).

Monovalente Impfstoffe gegen XBB*-Varianten

Grund für die nächste Generation Impfstoffe ohne Wildtyp war die verringerte Wirksamkeit aufgrund Imprinting-Effekte (Couzin-Frankel 05/2023).

Laut Presseaussendung erzeugt der angepasste Novavax-Booster breit neutralisierende Antikörper gegen XBB-Subvarianten, darunter EG.5.1 und XBB.1.16.6 (22.08.23), gleiches gilt für Moderna (Chalkias et a. 2023, preprint), auch Pfizer wirkt gut gegen EG.5.1 und BA.2.86 (Stankov et al. 2023, peer reviewed).

Monovalente mRNA-Impfstoffe zeigen hohe Wirksamkeit gegen BA.2.86 und Nachfolgervarianten inklusive JN.1 (Wang et al. 27.11.2023 preprint) und weniger ausgeprägte Imprinting-Effekte als der bivalente BA.5-Impfstoff.

Personen ohne XBB-Booster haben bei den neuen Varianten kaum zusätzlichen Schutz gegen Hospitalisierung, verglichen mit Ungeimpften, und zwar egal, wie viele von den älteren Impfstoffen sie bisher erhalten haben (Tartof et al. 2023 preprint) – zur Aussagekraft der Studien ein wichtiger Hinweis:

Subgruppen können nicht entsprechend aufgelöst werden. Die Vergleichsgruppe ist divers vorimmunisiert und nicht naiv (ohne Kontakt durch Impfung/Infektion). Die Funktion der Gedächtnis-B- und T-Zellen bleibt erhalten. Es bleibt also eine no-na Aussage: Neuere Impfstoffe schützen noch besser als alte Impfstoffe. Alte Impfstoffe schützen besser als keine Impfstoffe.

„Im Spital beobachten wir genau das. Die meisten der derzeitigen Patient:innen sind drei- oder viermal geimpft, haben den XBB-Impfstoff aber nicht mehr bekommen.“ (Spitalsmediziner Wolfgang Hagen, 01.01.2024)

Für all jene, die bisher noch nie infiziert waren, zeigt eine Studie, dass eine einzelne Boosterdosis der monovalenten XBB.1.5-Impfung nicht ausreichen könnte, und es eine zweite Impfung braucht, um die humorale Immunität zu verbessern (Kosugi et al. 2024).

VE von XBB*Impfstoffen gegen JN.1

VE des JN.1-Impfstoffs gegen JN.1-Nachfolgevarianten

„Die derzeit neu zirkulierende Variante KP.2 ist aus immunologischer Sicht der JN.1-Variante sehr ähnlich und es ist daher davon auszugehen, dass der angepasste Impfstoff eine schützende Antwort für beide Varianten hervorruft.“ (aus der Impfempfehlung für Österreich vom NIG, 18.07.24 – Link nicht mehr verfügbar)

Pfizer- und Novavax-Daten

Pfizer-Daten zu angepassten Impfstoffen (05.06.24)
Novavax-Daten

Demnach erzeugt ein mRNA-KP.2-Impfstoff höhere neutralisierende Antikörpertiter als der XBB- und JN.1-Impfstoff. Der Novavax-JN.1-Impfstoff erzeugt eine breite Neutralisierung aller Varianten.

Hintergrund zur Entscheidung, ob JN.1 oder KP.2 Bestandteil

Entwicklung der Abkömmlinge von JN.1

Der Stammbaum von JN.1 zeigt, dass die WHO und EMA sich für die JN.1-Variante als Kernbestandteil des angepassten Impfstoffs entschieden haben, der im Herbst 2023 eine weltweite Welle ausgelöst hatte. Im Juni 2024 waren bereits FLiRT-Varianten dominant, darunter KP.2, der von der FDA als Booster entschieden wurde. Er enthält die Fluchtmutation F456L.

Die Klasse-1-Fluchtmutation F456L führt jeweils zu neuen dominanten Varianten, wird aber im angepassten JN.1-Impfstoff nicht enthalten sein, wodurch die Neutralisation um rund 25% gesenkt wird.

Am 05. Juni 2024 fand das VRBPAC-Meeting statt, bei dem entschieden wurde, wie der Impfstoff im Herbst zusammengesetzt wird. JN.1 bildete Grundlage, obwohl ein KP.2-Impfstoff eine 3fach höhere Neutralisierung hätte als JN.1 (in Mäusen), mRNA wäre soweit, KP.2-Impfstoffe herzustellen, aber Novavax kann nur JN.1 herstellen. Um Novavax nicht zu benachteiligen, entschied man sich für JN.1 Zahlreiche Experten hielten das für einen Fehler.

Pfizer hatte auf eigenes Risiko bereits JN.1-Impfstoff hergestellt, der früher in Europa zugelassen wurde. Trotzdem blieb die Impfrate in Österreich extrem schlecht (unter 20%). KP.2 wurde mit Verzögerung auch in Österreich zugelassen.

EMA’s Emergency Task Force (ETF) has recommended updating COVID-19 vaccines to target the new SARS-CoV-2 variant JN.1 for the 2024/2025 vaccination campaign (30.04.24)