(in Überarbeitung)

Ausbildung der verschiedenen Antikörper nach einer Infektion, Quelle: Institut für medizinische Diagnostik Berlin, Stand Mai 2020!

Immunität ist mehrdeutig:

  • Bevölkerungsimmunität („breite Immunität“) : Verringerung von schweren Verläufen und Todesfällen auf Bevölkerungsebene, kann aber für individuelle Personen weiterhin schwer verlaufen oder Langzeitfolgen nach sich ziehen
  • Sterile Immunität: Schutz vor Ansteckung gibt es nach einer Impfung höchstens für wenige Wochen bis wenige Monate, nach einer überstandenen Infektionen für wenige bis mehrere Monate, aber selten länger als ein Jahr
  • Herdenimmunität: Eine immune Mehrheit schützt eine Minderheit, die noch nicht geimpft werden kann (z.B. Säuglinge), nicht darf (Autoimmunerkrankungen) oder keine ausreichende Antikörperantwort entwickelt (Immunsuppression) – bei SARS-CoV2 ebenso wenig erreichbar wie bei Influenza, solange neue Virusvarianten ständig der etablierten Immunantwort entkommen.

Die Immunabwehr besteht aus der zellulären und humoralen Immunabwehr:

  • zellulär: T-Zellen bzw. T-Gedächtniszellen können jahrelang Schutz vor schwerer Krankheit bieten
  • humoral: B-Zellen, v.a. IgG-Antikörper, erkennen und neutralisieren das Virus und schützen unsere Lungen somit präventiv vor dem Befall. Ihre Lebensdauer ist deutlich kürzer (wenige Wochen bis Monate). Nach der Impfung ist die IgG-Konzentration sehr hoch, ca. 1000-10000x höher als vor der Impfung (De Gruyter 2021)
  • sekretorisch: IgA-Antikörper verhindern eine lokale Infektion der Schleimhäute im Nasen/Rachenraum durch Schleimhaut-Immunität. In den Muskel injizierte Impfstoffe wirken vor allem im unteren Atemwegstrakt, für effektive Schleimhautimmunität bräuchte man in die Nase injizierte Impfstoffe. Nach schwerem Verlauf verschwindet der Schleimhaut-Schutz nach etwa 9 Monaten, eine nachfolgende Impfung erhöht den Schutz nicht (Liew et al. 2022).

Erhöhte IgM-Antikörper-Werte weisen auf eine momentane Infektion hin, nach einer Impfung sind ebenfalls kurzzeitig erhöht.

Nach durchgemachten Infektionen “vergisst” das Immunsystem zunehmend das SARS-CoV2-Spike Protein und erinnert sich vermehrt an andere SARS-CoV2-Proteine. Bei einer Reinfektion werden B-Gedächtniszellen aktiviert und bilden vorwiegend nicht neutralisierende Antikörper aus (die nicht an die Rezeptorbindungsdomäne (RBD) des Spike binden und nicht die Bindung zwischen Virus und Zelle verhindern). Auch nach einer Infektion sollte man unbedingt impfen, nur so werden B-Gedächtniszellen gegen das Spike-Protein erzeugt.

Wie langlebig ist die Immunität?

Infektion:

Die ersten Ergebnisse waren noch zuversichtlich. Alle Infizierten machen Antikörper und CD4+T-Zellen, 70% machten messbare CD8+T-Zellen (Grifoni et al. 2020). Obwohl der Anteil neutralisierender Antikörper gering war, wurden bei allen Studienteilnehmern Gedächtnis-B-Zellen gefunden (Robbiani et al. 2020). Die vorhandenen neutralisierenden Antikörper waren in der Lage, das Virus für mindestens drei Monate zu neutralisieren (Rodda et al. 2020, Wajnberg et al. 2020).

Bereits im Oktober 2021 erkannte man in England, dass die bevölkerungsweite Immunität durch Antikörperbildung nicht beständig war. Noch bis zur Delta-Welle ist man davon ausgegangen, dass die Immunantwort bis zu 15 Monate beständig war, aber gegen Alpha, Beta und Gamma sind bereits 8fach geringere neutralisierende Titer gemessen worden (Marcotte et al. 2022).

Serum neutralisierende Antikörper (nAbs) durch Infektion erklären nur zu einem geringen Teil den entwickelten Immunschutz , der größte Teil kommt vermutlich durch T-Zellen-Antwort, sowohl im Serum als auch in der nasalen Schleimhaut, zustande (Sun et al. 2024).

Heute spielt die Immunität nach (mehrfachen) Infektionen vor allem noch eine Rolle bei Kindern, die großteils nie geimpft werden, sowie bei ungeimpften Erwachsenen, die eine Impfung ablehnen oder durch Desinformation davon abgehalten wurden. In sehr sehr wenigen Fällen raten Ärzte wegen bekannter Unverträglichkeit gegen Bestandteile der Impfung ab. Die große Mehrheit der Bevölkerung hat sich aber auf Grundlage der Impfung schon mehrfach infiziert.

Impfung plus Infektion

Den Begriff „Hybrid“-Immunität gab es vor der Pandemie nicht. Die „Hybrid“-Immunität ist nicht erstrebenswert, weil jede Infektion ein langfristiges Gesundheitsrisiko darstellt ( Lancet Editorial 2022).

Die Studienergebnisse zur Hybrid-Immunität sind recht mannigfaltig:

„Leaky Immunity“

Beim Menschen wurde nachgewiesen, dass man nach einer Impfung, einer Infektion oder beidem gegen Ansteckung geschützt ist, wenn die Virusexposition niedrig bis moderat ist – und zwar sowohl bei Delta als auch bei Omicron. Wenn die Virusexposition hingegen hoch war, hatte keine der genannten Gruppen genügend Immunität gegen eine Ansteckung ( Lind et al. (2023). Wer also für genügend Frischluftzufuhr, durch Lüften und/oder Luftreiniger sorgt, erhöht seine Chancen, sich nicht anzustecken.

Nach der mRNA-Impfung sinken die Antikörpertiter erst deutlich, dann kommt eine Stabilisierungsphase – das ist wie aus dem Lehrbuch der Immunologie, Plasmablasten machen die Titerspitze nach der Impfung, zerfallen aber rasch. Die Antikörper überdauern länger, weil IgG eine Halbwertszeit von etwa 4 Wochen hat. In der Stabilisierungsphase werden die Körper von langlebigen Plasmazellen gemacht, die ins Knochenmark wandern. Dort überdauern sie möglicherweise lebenslang.

Nach den beiden ersten Impfungen plus Infektion waren die Titer allgemein höher, doch schien die (dritte) Boosterdosis als Gleichmacher zu wirken. Langlebige Immunantworten garantieren keinen langlebigen Schutz vor symptomatischer Infektion. Vor Omicron gab es keine Durchbruchsinfektion nach Impfung und Infektion, nur bei Geimpften. Mit Omicron gab es sie bei beiden Gruppen, wenngleich die Geimpften und Infizierten etwas besser geschützt sind.

Durchbruchsinfektionen wirken bei Geimpften ohne vorherige Infektion wie eine Boosterdosis. Bei Geimpften mit Infektion erzeugen sie jedoch keine starken Serumantikörpertiter, wahrscheinlich, weil es weniger Virusreplikation und Antigenexposition gab. (Srivastava et al. 2024).

Solange bindende Antikörper (BAU) vorhanden sind, ist man selbst bei schlecht passender Immunität gegen schwere Akutverläufe (!) und Tod geschützt. (Vikström et al. 2023) Über LongCOVID sagen die Studien allerdings nichts aus.

Bis BA.2 war der Schutz vor erneuter Infektion nach Impfung und Infektion höher als nach der Impfung alleine (, Diexer et al. 2023). Auch Schutz durch bivalente Impfstoffe und Risikofaktoren für LongCOVID sind nicht berücksichtigt (v.a. Diexer et al.).

SARS-CoV2 führt zu geringerer Bildung von langlebigen Plasmazellen, wodurch die Antikörper rascher absinken. (Tehrani et al. 2024).

Kreuzimmunität durch andere Coronaviren?

Eine vorherige Infektion mit dem humanen Coronavirus OC43 erzeugt eine dominante T-Zell-Antwort gegen eine hochkonservierte Spike-Region (S810-830, Fusionspeptid), die schon in den ersten Tagen nach einer SARS-CoV2-Infektion nachweisbar sind – der Nutzen ist allerdings auf Personen mit bestimmten HLA-DP-Allelen (Genvarianten von Zelloberflächenrezeptoren) beschränkt. Die HLA-Kernregion des Fusionspeptids weist keine einzige Mutation bei Omicron-Varianten auf, daher kann die T-Zell-Antwort sowohl durch Impfungen als auch Infektionen mit humanen Coronaviren und SARS-CoV2 geboostert werden.

Dass eine SARS-CoV2-Infektion durch OC43 verhindert wird, dürfte zwar selten sein, wurde aber ebenfalls schon publiziert.

Warum stecken sich manche Menschen nicht an?

Corona-Immunität: Warum stecken sich manche Menschen nicht an? (26.08.24)

Herdenimmunität und Endemie

Die allgemein bekannte Interpretation von Herdenimmunität ist der solidarische Schutz einer immunen Mehrheit für eine ungeimpfte Minderheit, wobei dafür nicht nur Impfunwillige, sondern auch nicht impfbare Menschen stehen. Das Virus kann sich demnach nicht mehr verbreiten, sondern läuft in der Bevölkerung tot (R0 < 1). Diesen Zustand erreichen wir nur noch für wenige Monate als befristete Immunität gegen die vorherrschende Variante und ähnliche Nachfolger-Varianten. Dauerhafte Herdenimmunität ist nicht mehr erreichbar, da …

  • der Impfschutz der Weltbevölkerung unvollständig ist
  • der Schutz vor (erneuter) Infektion nach Impfung und Infektion mit der Zeit schwindet (waning)
  • das Virus weiterhin mutiert und den bestehenden Immunschutz unterläuft
  • keinerlei Maßnahmen für hohe Zirkulation und Mutationsspielraum sorgen

Chronologie :

Endemisch ist definiert als „auf eine bestimmte Region beschränkt“, z.B. ist Malaria in Afrika endemisch.

Eine Epidemie sind regionale Ausbrüche mit Infektionswellen (z.B. Influenza im Winter auf der Nordhalbkugel).

Bei einer Pandemie finden die Ausbrüche kontinentübergreifend statt. Die Schwere der Erkrankung sowie die Höhe der Infektionswellen spielen dabei keine Rolle.

Ob wir das Ende der Pandemie erreicht haben, ist aber nicht nur eine epidemiologische, sondern auch eine gesellschaftliche Frage. Ich hab in einem ausführlichen Blogtext erörtert, ob wir uns immer noch in einer Pandemie befinden und wie die Auffassung der WHO dazu ist.

Virologe Drosten sah die Pandemie im Winter 2022/2023 beendet, die Bevölkerung durchseucht, das Virus kein neuartiger Erreger mehr sei und die Krankheitslast deutlich zurückging. Die WHO beendete im Mai 2023 den Internationalen Gesundheitsstand, spricht aber weiterhin von einer Pandemie (Stand 29.07.24). Gesellschaftlich war die Pandemie in Österreich bereits im Laufe des Jahres 2022 beendet, als sich die sozialen Aktivitäten normalisierten. Freilich wird die Pandemie für all jene, die unter Spätfolgen leiden oder ein hohes Risiko für schwere Verläufe haben, nie vorbei sein, solange es keine gesellschaftsübergreifende Schutzmaßnahmen mehr gibt.