Die Abbildung zeigt eine grobe Übersicht eines phylogenetischen Baums, der auf den Spike-Protein-Sequenzen verschiedener Coronaviren besteht. Alle Viren, die beim Menschen Erkrankung verursachen, sind mit einem blauen Stern markiert) – Quelle: Florian Krammer, Twitter

Die Familie der Coronaviren enthält u.a. die Unterfamilie Orthocoronaviren, darunter die Gattung Alpha-Coronaviren mit dem Humanen Coronavirus 229E und NL63, die saisonal zirkulieren und zu den „gewöhnlichen Erkältungsviren“ zählen. Zur Gattung Beta-Coronaviren gehören SARS-CoV, MERS, die humanen Coronaviren HKU1 und OC43 sowie SARS-CoV2mehr zur Coronavirusfamilie.

Die Gamma- und Delta-Coronaviren verursachen Menschen typischerweise keine Probleme, infizieren aber viele Tiere und könnten künftig auf den Menschen zurückspringen.

Bei der Unterart Merbecoviren gibt es das MERS-CoV (Middle Eastern Respiratory Syndrome) – das Virus weist eine hohe Sterblichkeitsrate auf und wird von Kamelen auf den Menschen übertragen. Es überträgt sich unter Menschen meist nicht gut, hat aber einen großen Ausbruch 2015 in Südkorea verursacht. Die Südkoreaner haben es gut eingedämmt, doch hätte das schiefgehen können, wenn es an Orten passiert wäre, wo man weniger erfahren ist, Ausbrüche einzudämmen [siehe Ischgl].

SARS-CoV2 wurde Anfang 2020 als Auslöser von SARS identifiziert, von der WHO jedoch COVID-19 genannt, um in China, das bereits die SARS-CoV-Epidemie 2003/2004 durchlebt hat, keine Panik auszulösen. SARS-CoV2 ist zu 79% identisch mit SARS-CoV2 und zu 50% mit MERS. Es ist zudem eng verwandt (96%) mit einem Fledermaus-Sarbecovirus (RaTG13).

Eine detaillierte Analyse hat bereits 2006 gezeigt, wie verschiedene Coronaviren in das Gehirn eindringen und verschiedene Entzündungsprozesse und immunologische Schäden ausgelöst werden (Bergmann et al. 2006).

Wie dringt SARS-CoV2 in die menschlichen Zellen ein?

SARS-CoV2 verwendet das Enzym ACE2 (angiotensin-converting enzyme 2) als Rezeptor, um in die Wirtszellen einzudringen – typisch für Sarbecoviren (Starr et al. 2022). In Organen besteht die höchste ACE2-Dichte, aber auch auf den Gefäßinnenwänden. Der Zelleintritt wird durch die zelluläre Protease TMPRSS2 (transmembrane protease serine subtype 2) und andere Proteasen unterstützt. ACE2 und TMPRSS2 findet man in hohem Maße in den Nasengewebszellen, wodurch man sich die effiziente Vermehrung und Ausscheidung von SARS-CoV2 in den oberen Atemwegen erklärt (mehr Erläuterungen hierzu beim Robert-Koch-Institut).

Außer SARS-CoV2 verwendet sonst das gewöhnliche Coronavirus NL63 ACE2, sowie zwei mit MERS verwandte Fledermaus-Coronaviren (Ma et al. 2024 preprint). Es gibt alterspezifische Unterschiede bei den Nasengewebszellen, wodurch Kinder seltener schwer erkranken als Erwachsene (Woodall et al. 2024).

Im Unterschied zu RaTG13 gibt es einen Einschub (Insertion) von vier Aminosäuren (PRRA) am Knotenpunkt der Subunits S1 und S2 des Spike-Proteins. Dieser Einschub erzeugt eine Spaltungsseite (RRAR), welche effektive Spaltung durch Furin und andere Proteasen ermöglicht. Die Furin-Cleavage-Site (FCS) wird bei anderen Sarbecoviren bisher nicht beobachtet, mit Ausnahme eines Fledermaus-Coronavirus in China (Hu et al. 2020). Die FCS befindet sich auf Höhe der Spike-Proteine 681-685. FCS ist essentiell für die Infektion der Lungen, für die Übertragung und für Immunflucht.

Während der Infektion wird das S-Protein in eine N-terminal S1-Subunit und eine C-terminal S2-Subunit durch TMPRSS2 geteilt. S1 besteht aus der N-terminal domain (NTD) und der rezeptorbindenden Domain (RBD). RBD ist für die Bindung von ACE2 verantwortlich. Das geteilte Spike-Protein (S1 und S2) wird für die Membranverschmelzung vorbereitet und für den Zelleintritt.

Wenn individuelle Zellen verschmelzen, spricht man auch von Syncytium – wie in Respiratorisches Syncyital Virus (RSV). Bei SARS-CoV2 werden Zellverschmelzungen erzeugt, wenn das virale Spike-Protein auf der Oberfläche einer infizierten Zelle mit den Rezeptoren von Nachbarzellen interagiert. Diese Zellverschmelzung trägt möglicherweise zur Pathogenität des Virus bei (Rajah et al. 2022).

Virus-Bestandteile

Genbestandteile von SARS-CoV2

Ein Virus enthält ORF (Open Reading Frames), die aus zwei Teilen bestehen: ORF1a und ORF1b, die in den ersten beiden Dritteln des viralen Genoms situiert sind. 16 Proteine sind nichtstrukturell (NSP), die ersten 11 sind ORF1a kodiert, die letzten 5 in ORF1b.

Dann gibt es 4 Strukturproteine: S (Spike), N (Nucleocapsid), E (Envelope) und 9 begleitende Proteine namens ORF (3a, 3b, 6, 7a, 7b, 8, 9b, 9c und 10). V

Von diesen 29 Proteinen wird am häufigsten über das Spike-Protein geredet, aber auch die anderen Proteine können Infektiösität, Pathogenität oder neue Varianten des Virus beeinflussen. (Yan et al. 2022, Sarkar et al. 2020, Gordon et al. 2020), etwa ORF6, das die Immunreaktion unterdrückt (Kehrer et al. 2023).

ORF8 deletion führte zu gestiegener Fitness. ORF7b ist das kleinste Protein mit 43 Aminosäuren.

3 Hauptklassen von Antikörpern

Antikörper sind defensive Proteine, die gebildet werden, um sie an Objekte anzubinden, die wir loswerden wollen. Ein Antikörper, der ein Virus alleine dadurch unschädlich macht, indem es sich an es bindet, wird neutralisierender Antikörper genannt. Nicht alle Antikörper, die Spike-Proteine binden, sind neutralisierend. Der Großteil der neutralisierenden Antikörper (ca. 90%) tut das, indem die RBD des Spike Proteins gebunden wird.

Die drei Hauptklassen von RBD neutralisierenden Antikörpern sind Klasse 1,2 und 3. Jede Klasse hat eine bestimmte Position auf dem Spike-Protein. Wenn ein Virus eine Mutation erlangt, die verhindert, dass ein neutralisierender Antikörper bindet bzw. neutralisiert, spricht man von einer Fluchtmutation (Immun Escape).

Wenn nurmehr eine Region übrig bleibt, die unser Immunsystem kennt, sammeln verschiedene Virusvarianten die gleichen Mutationen an, um diese Region für unser Immunsystem unkenntlich zu machen („konvergente Entwicklung“).

Virusstränge

Bis Sommer 2023 gab es 5 separate Virusstränge, die auf Unterschieden in der RBD basieren. Die Immunität gegen einen Strang schützt nicht vor Ansteckungen gegen einen anderen. Nach vier Jahren sind das mehr Stränge als bei Influenza, das seit Jahrhunderten zirkuliert.

5 verschiedene Serotypen , darunter die Wildtyp-Varianten (Alpha, Delta), die Rekombinanten (XBB), die ersten Omicron-Varianten (BA.1) und die konvergenten Varianten vom Winter 2022 (BQ*), Hu et al. (2023) – die BA.2.86-Varianten ab Sommer 2023 sind noch nicht enthalten

Bei XBB.1.5 konnte man nachweisen, dass auch Mutationen außerhalb der RBD die Rezeptoraffinität (ACE2) beeinflussen (Dadonaite et al. 2023, preprint).

Entwicklung eines Impfstoffs gegen alle Coronaviren?

Es gibt Impfstoffkandidaten, die kreuzreaktive Antikörper gegen SARS-CoV2 und SARS-CoV erzeugen, und das ist großartig. Man findet diese Antikörper manchmal auch bei Individuen, die gegen SARS-CoV2 geimpft wurden. Doch gibt es eine starke Vielfalt unter Sarbecoviren. Manche benutzen ACE2 als Rezeptor wie SARS-CoV2 und SARS-CoV. Manche tun das nicht (tolle Übersicht hier). Das macht die Impfstoffentwicklung zur Herausforderung.

Krammer denkt, dass ein variantenumfassender SARS-CoV2-Impfstoff relativ rasch entwickelt werden könnte (wenige Jahre). Ein Impfstoff gegen alle Sarbecoviren ist ein anspruchsvolleres Ziel, aber kann umsetzbar sein. Ein Impfstoff gegen alle Betacoronaviren wäre möglich, aber die Entwicklung würde sehr lange dauern. Die Lizenzwege dazu sind nicht klar, was es komplizierter macht.

Die Impfung gegen SARS-CoV2 scheint immerhin eine Kreuzimmunität gegen alle Coronaviren auszulösen. Somit wären künftig weniger schwere Verläufe und Todesfälle nach einer Infektion mit gewöhnlichen Coronaviren zu erwarten, die saisonal zirkulieren und ein ähnliches Alters-Risiko-Profil wie SARS-CoV2 aufweisen, das heißt, ältere Menschen haben auch mal schwerere Verläufe mit Lungenentzündungen (Singh et al. 2023).

Wird das Virus irgendwann zu einer Erkältungskrankheit?

„Es ist keineswegs wissenschaftlich abgesichert, dass die Russische Grippe von einst von einem der vier gewöhnlichen Coronaviren ausgelöst wurde. Das ist lediglich eine Annahme und es gibt keinerlei Belege dafür. Viren werden mit der Zeit nicht harmloser, es gibt keine Belege dafür, dass dies bei SARS-CoV2 der Fall sein wird. Es gibt noch viel evolutionären Raum für dieses Virus zu entdecken, und man sollte sehr vorsichtig sein, wenn jemand glaubt, die Richtung von SARS-CoV2 vorhersagen zu können.“ (Aris Katzourakis, 11.01.24)

SARS-CoV2 unterscheidet sich genetisch von gewöhnlichen respiratorischen Viren vor allem durch die T-Zellen und Abnahme von Monozyten sowohl bei symptomatischen als auch asymptomatischen Infektionen – bei einer normalen Immunantwort nehmen Monozyten zu (Li et al. 2024). SARS-CoV2 überaktiviert das Immunsystem und führt zur Erschöpfung der T-Zellen, anders als gewöhnliche Erkältungen.