Impfstoffe – aktueller Stand der Forschung

Bei der Entwicklung neuer Impfstoffe gab es zunächst Impfstoffe gegen den Wildtyp (ab Ende 2020), dann bivalente Impfstoffe gegen OMICRON und Wildtyp (zugelassen ab September 2022) und schließlich monovalent gegen OMICRON (zugelassen im September 2023). Nebenbei arbeitet man weiter an Impfstoffen, die eine effektive Schleimhaut-Immunität erzeugen und gegen Ansteckung schützen. Andere Impfstoff-Arten sind ebenfalls in Entwicklung, darunter passive Impfung und Nasensprays, die Ansteckung verhindern sollen. Die Therapie immungeschwächter Patienten mit monoklonalen Antikörpern als Prophylaxe könnte man aus Laiensicht ebenfalls als Impfung bezeichnen – ich nehm es daher hier mit dazu, ihre Wirkung ist aber nur vorübergehend. Auch manche Nasensprays arbeiten mit monoklonalen Antikörpern.

Grund für notwendige Impfstoff-Anpassung an Varianten:

Wenn Veränderungen (Mutationen, Deletionen) an der Oberfläche des Spike-Proteins zu groß werden, könnten neutralisierende Antikörper nicht mehr auf die Zacken (Epitope) des Schlüssels (Spike-Protein) passen und das Virus nicht mehr so gut neutralisieren.

Krammer and Ellebedy (10/2023) argumentieren gegen das jährliche „Influenzamodell“, ebenso sind Schleimhautimpfstoffe dringend gegen Covid19 benötigt, aufgrund weiterer Entwicklung von Virusmutationen.

Helen Branswell: Covid’s scientific silver lining: A chance to watch the human immune system respond in real time (28.03.24 – enormer Wissenszuwachs in der Immunologie durch die Pandemie. Vom Wettrüsten zwischen Virus und Immunsystem, Affinitätsreifung, Imprinting, etc…)

Braun et al., Mapping the immunopeptidome of seven SARS-CoV-2 antigens across common HLA haplotypes (30.08.24 – derzeitige Impfstoffe fokussieren nur auf das Spike-Protein, das am häufigsten mutiert, künftige Impfstoffe sollten auf Nicht-Spike konzentrieren, um die Immunflucht durch Varianten zu verringern)

Monovalenter JN.1-Impfstoff ab Herbst 2024 (in Europa)

„Die derzeit neu zirkulierende Variante KP.2 ist aus immunologischer Sicht der JN.1-Variante sehr ähnlich und es ist daher davon auszugehen, dass der angepasste Impfstoff eine schützende Antwort für beide Varianten hervorruft.“

Neue Impfempfehlungen für Österreich (Ausgabe vom 18.07.24)

Bei den Impfabständen gilt:

Grundsätzlich empfohlen ist 12 Monate Abstand zur letzten Impfung/Infektion. Hochrisikopatienten sollten eher alle 6 Monate impfen gehen, während bei niedrigem Risiko eher alle 12 Monate reichen.

Novavax wurde bisher weder von der EMA zugelassen, noch von Österreich bestellt.

Von Pfizer wurden hingegen 1,2 Millionen Dosen bestellt (Stand 21.07.24)

VE gegen KP.3.1.1 und XEC

Pfizer-Daten zu angepassten Impfstoffen (05.06.24)

Ein KP.2-Impfstoff erzeugt höhere Neutralisationstiter als ein JN.1-Impfstoff.

WHO und EMA haben sich für den monovalenten JN.1-Impfstoff entschieden, die FDA in den USA für KP.2, dominant sind derzeit KP.2 und KP.3-Varianten.
Die Klasse-1-Fluchtmutation F456L führt jeweils zu neuen dominanten Varianten, wird aber im angepassten JN.1-Impfstoff nicht enthalten sein, wodurch die Neutralisation um rund 25% gesenkt wird.

Am 05. Juni 2024 findet das VRBPAC-Meeting statt, bei dem entschieden wird, wie der Impfstoff im Herbst zusammengesetzt werden soll. Die Sublinie JN.1 dürfte feststehen, ggf. wird anhand aktueller Daten aber noch entschieden, ob KP.2 als Antigen mit einfließt. Unklar ist, ob Novavax (wieder) deutlich später kommt.

  • 27.06.24: Pfizer hat auf eigenes Risiko bereits JN.1-Impfstoff hergestellt, dieser wird wahrscheinlich früher in Europa zugelassen, KP.2 wird es nur in den USA geben. Das ist wahrscheinlich ein Fehler, weil nur KP.2-Impfstoff die entscheidende F456L-Mutation enthält.
  • Die Entscheidung steht, JN.1 bildet Grundlage, obwohl ein KP.2-Impfstoff eine 3fach höhere Neutralisierung hätte als JN.1 (in Mäusen), mRNA wäre soweit, KP.2-Impfstoffe herzustellen, aber Novavax kann nur JN.1 herstellen, zahlreiche Experten halten das für einen Fehler.
  • Vorbehalte schon vor der Entscheidung: JN.1 wird im Herbst wahrscheinlich nicht mehr dominieren, sondern KP*-Varianten mit zusätzlichen Mutationen (v.a. F456L, R346T, Q493E), oder ein weiterer Sprung auf eine ganz andere Variante
Novavax-Daten vielversprechend zur breiten Neutralisierung der neuen Varianten

VE des XBB-Impfstoffs gegen JN.1

Zusammenfassung (danke, Florian Krammer!)

(note to myself: virologische Infos im Varianten-Steckbrief einpflegen)

Monovalente Impfstoffe gegen XBB*-Varianten

Grund für die nächste Generation Impfstoffe ohne Wildtyp war die verringerte Wirksamkeit aufgrund Imprinting-Effekte (Couzin-Frankel 05/2023).

Monovalente mRNA-Impfstoffe zeigen hohe Wirksamkeit gegen BA.2.86 und Nachfolgervarianten inklusive JN.1 (Wang et al. 27.11.2023 preprint) und weniger ausgeprägte Imprinting-Effekte als der bivalente BA.5-Impfstoff.

Personen ohne XBB-Booster haben bei den neuen Varianten kaum zusätzlichen Schutz gegen Hospitalisierung, verglichen mit Ungeimpften, und zwar egal, wie viele von den älteren Impfstoffen sie bisher erhalten haben (Tartof et al. 2023 preprint) – zur Aussagekraft der Studien ein wichtiger Hinweis:

Subgruppen können nicht entsprechend aufgelöst werden. Die Vergleichsgruppe ist divers vorimmunisiert und nicht naiv (ohne Kontakt durch Impfung/Infektion). Die Funktion der Gedächtnis-B- und T-Zellen bleibt erhalten. Es bleibt also eine no-na Aussage: Neuere Impfstoffe schützen noch besser als alte Impfstoffe. Alte Impfstoffe schützen besser als keine Impfstoffe.

Aber – es gibt zumindest anekdotische Bestätigung für diese Aussage:

„Im Spital beobachten wir genau das. Die meisten der derzeitigen Patient:innen sind drei- oder viermal geimpft, haben den XBB-Impfstoff aber nicht mehr bekommen.“

Wolfgang Hagen im Rückblick und zur gegenwart, 01.01.24

Für all jene, die bisher noch nie infiziert waren, zeigt eine Studie, dass eine einzelne Boosterdosis der monovalenten XBB.1.5-Impfung nicht ausreichen könnte, und es eine zweite Impfung braucht, um die humorale Immunität zu verbessern (Kosugi et al. 2024).

Bivalente Impfstoffe gegen BA.1/BA.5

Zunächst klangen die Meldungen zu den angepassten Impfstoffen vielversprechend. Sie führten zu erhöhten neutralisierenden Antikörpertitern gegen OMICRON (Lee et al. 2022, Chalkias et al. 2022). Die BA.5-Booster waren etwas besser als BA.1, aber nicht viel besser als die Wildtyp-Impfstoffe (Khoury et al. 2022, Wang et al. 2022, Collier et al. 2022). Die erste Studie mit Lebendvirusdaten statt Pseudovirusassay zeigte eine bessere Neutralisierung gegen neue Varianten wie BA.2.75.2 und BQ.1.1 als davor (Davis-Gardner et al. 2022). Weitere Studien bestätigten, dass der BA.5-Booster etwas besser als der BA.1-Booster war (Kawasuji et al. 2022, Andersson et al. 2023). Der BA.1-Booster erzeugte zwar mehr Antikörper gegen BA.1 als die Wildtyp-Impfung, verbreiterte aber die Immunreaktion gegenüber anderen Varianten nicht (Sahly et al. 2023). Die ersten unabhängigen Daten zu Novavax zeigen keine bessere Wirksamkeit gegen OMICRON-Varianten als andere Impfstoffe (Liu et al. 2022).

Grundsätzlich waren die bivalenten Impfstoffe weiterhin wirksam gegen schwere Verläufe, allerdings ist LongCOVID nicht berücksichtigt (Kirsebom et al. 2023). Die Impfwirksamkeit gegen OMICRON wurde allerdings durch eine spezielle OMICRON-Mutation abgeschwächt (Vu et al. 2023). Eine einmalige Auffrischimpfung mit einem OMICRON-Booster erwies sich als zu wenig (Carreno et al. 2023, Wang et al. 2023 preprint), auch zuvor bereits mit Omicron-Varianten infizierte Personen profitierten von einer Auffrischimpfung mit bivalentem Booster, indem die Neutralisationsbreite gegen Omicron-Varianten verbreitert wurde (Springer et al. 2023).

Mit dem Aufkommen der Rekombinante XBB.1.5 wurde klar, dass die bisherigen bivalenten Impfstoffe nicht mehr ausreichen, die neuen Varianten effektiv zu neutralisieren (Springer et al. 2023), dennoch zeigt ein Rückblick, dass sowohl BA.1 als auch BA.5-Impfstoffe gegen die Varianten zwischen September 2022 (BA.5) und November 2023 (XBB und EG.5.1) in allen Altersgruppen eine Verbesserung des Impfschutzes erzielt haben (Song et al. 2024).

Impfstoffe gegen frühere Varianten (Wildtyp, BETA, etc…)

Mit ALPHA und DELTA gab es dann erste Berichte von Abschwächung der Impfwirksamkeit (Wilfredo et al. 2021) bzw. vermehrten Durchbruchsinfektionen (Kustin et al. 2021). Insbesondere Astra Zeneca verringerte bei ALPHA die Weitergabe nur um 29%, schwere Verläufe wurden um 70% verhindert (Emary et al. 2021).

Die VE gegen schwere Verläufe und Tod bleib weiterhin gut, die zweite Dosis war jedoch entscheidend. (Vahidy et al. 2021, Shinde et al. 2021)

Schleimhaut-Impfstoffe

Zahlreiche Kandidaten sind bereits in unterschiedlichen Phasen klinischer Studien in Erprobung, in China wurde der erste Impfstoff im September 2022 zugelassen.

Zu den Herausforderungen bei der Herstellung dieser Impfstoff-Generation:

Phase I

Phase II

Phase III

Forschung:

Andere Impfstoffe/Nasen-Sprays mit Antikörpern

Monoklonale Antikörper

Imprinting und Original Antigenic Sin (OAS)

„Original sin of infection is much more important to avoid than original antigenic sin.“

Ryan Hisner, 11.01.24 (Twitter)

Das Immunsystem bildet gegen Antigene (z.B. Virenbestandteile), mit denen es erstmals in Kontakt kommt, Gedächtniszellen aus und wird auf diese geprägt.

Das ist evolutionär sinnvoll, weil die Gedächtniszellen bei erneutem Kontakt (Infektion) schnell spezifische Antikörper produzieren können. Die Gedächtniszellen reifen zudem im Verlauf der Zeit in den Keimzentren, z.B. Lymphknoten durch die Affinitätsreifung. Durch die somatische Hypermutation werden ständig neue Gedächtniszellen prduziert und jeweils diejenigen, deren Antikörper das feindliche Antigen am besten neutralisieren, selektiert (Jan Hartmann 09/2022)

Gefahr: Bei der nächsten Virusinfektion bekämpft das Immunsystem die bekannten Virusbestandteile besser und effektiver, das geht aber zulasten einer effektiven Reaktion gegen neue Mutanten/Virusbestandteile ( = OAS). Für SARS-CoV2 bisher noch nicht nachgewiesen (Chemaitelly et al. 12.10.22).

Bei der „Spanischen Grippe“ 1918 gab es die höchste Sterblichkeitsrate bei den jungen Erwachsenen, die vor allem von der „Russischen Grippe“ (1889-1890) betroffen waren. Das wird als antigenisches Imprinting durch frühere Virusexposition interpretiert (G. Woo 2019) – keine guten Aussichten für unsere jüngste Generation für die nächste Pandemie.

Bei den bivalenten Impfstoffen gegen die OMICRON-Varianten hat man nun erstmals Imprinting-Effekte wegen dem Wildtyp-Anteil nachgewiesen (Addetia et al. 2023, Yisimayi et al. 2023, Wang et al. 2023).

Aus diesem Grund sind die Impfstoffe ab Herbst 2023 wieder monovalent ohne Wildtyp-Anteil und sollten dann effektiver wirken.

  • Imprinting scheint eine deutlich geringere Rolle für die Anpassung der Antikörperantwort an Varianten zu spielen als bisher befürchtet (Quirk et al. 09/2023).
  • Allerdings existiert das Problem auch beim monovalenten XBB-Impfstoff noch, das heißt, es werden kreuzreaktive, aber nicht XBB.1.5-spezifische Antikörper gebildet. (Tortorici et al. 11/2023 preprint), was sich mit früheren Studienergebnissen deckt (Stankov et al. 2023, Wang et al. 11/2023 preprint). Das heißt mit anderen Worten, es ist noch Luft nach oben bei der Impfstoffentwicklung, dass die erzeugte Immunantwort gegen neue Varianten noch besser ausfällt, aber es geht in die richtige Richtung.
  • Zur Behauptung, dass mRNA-Impfstoffe ungewöhnlich viele IgG4-Antikörper gegen das Spike-Protein produzieren und daher Toleranz gegen eine SARS-CoV2-Infektion entwickelt werden kann, hier eine Gegendarstellung von Edward Nirenberg, Science Communicator.
  • Ein neues Preprint zeigt allerdings, dass Proteinimpfstoffe weniger IgG4-Antikörper erzeugen als mRNA (Kalkeri et al. 18.01.24)
  • BA.5-Durchbruchsinfektion erzeugt B-Zellen gegen BA.5 und Wildtyp, auch nach zwei Infektionen, aber nicht gegen XBB.1.5. XBB.1.5-Infektionen erzeugen ebenfalls kreuzreaktive Immunantwort, aber auch variantenspezifisch gegen XBB. Imprinting kann positiv oder negativ sein (Johnston et al. 2024 preprint)