Survival Guide is out – denn die Pandemie ist vorbei und das ganze Leben ist ein Überlebenskampf, nicht nur auf ein einzelnes Virus beschränkt. Ich schreib das mit gewisser Frustration und Resignation – mir ging es nie um eine völlige Vermeidung aller Ansteckungen, aber um eine Risikoreduktion, die gesellschaftliche Tragweite hätte besitzen können. Die Gesellschaft hat sich anders entschieden – und wie bei vielen wegweisenden Fehlentscheidungen in den letzten Jahren, haben die Medien kräftig mitgeholfen, durch Verbreitung von Desinformation und False Balance, nicht nur Social Media. Die vierte Gewalt im Staat existiert nicht mehr. Aus Fakten werden Meinungen. Aus Meinungen Fakten.
Es war absehbar, dass die Schutzmaßnahmen aus der Akutphase der Pandemie wieder abgebaut werden. Bevölkerungsweite Testangebote, Maskenpflicht im öffentlichen Raum, PCR-Tests mit Sequenzierdaten, Isolationspflicht, etc. Rückblickend halte ich den Zeitpunkt des Abbaus weiterhin für verfrüht – man hätte erst die Impfrate wesentlich steigern sollen und zudem über mögliche antivirale Medikamente aufklären. Auf das Ende der Maskenpflicht hätte eine Empfehlung folgen können und müssen. Im Gesundheitswesen hätte sie nie aufgegeben werden dürfen – so unangenehm das für das Gesundheitspersonal sein mag. Die Quittung tragen ihre Patienten – durch unnötige Begleitinfektionen und deren Folgen, und durch Personausfälle und entsprechend lange Wartezeiten bzw. verkürzte Behandlungszeiten.
Ich unterlege den gleichen Zwängen wie die Mehrheitsbevölkerung. Der Mensch ist ein soziales Wesen und in den seltensten Fällen sich selbst genügsam. Meinen Lesern will ich auch nichts vormachen, was ich selbst nicht einhalten kann. In den letzten Monaten hab ich das Thema Infektionsschutz im Umfeld immer weniger angesprochen, im gleichen Maße hat sich die gegenseitige Kommunikation wieder deutlich verbessert. Das mag sich wie Verrat anfühlen, auch an meinen eigenen Überzeugungen. Wenn man allerdings entdeckt, dass man ein totes Pferd reitet, sollte man absteigen, besagt ein indianisches Sprichwort. Ich hab lange genug angeboten, dazu zu lernen, sich einzulassen, neugierig nachzufragen – jetzt ist jeder für sich selbst verantwortlich.
Impfungen und Prophylaxe
Neue Impfstoffe, die auch vor Ansteckung schützen, kommen frühestens in ein paar Jahren, vielleicht auch nie, wenn die Investition von rechten Regierungen versiegt, etwa mit einer Trump-Regierung in den USA. 2021 und 2022 klammerte ich mich vor allem an diese Hoffnung auf einen Durchbruch in der Impfstoffforschung, aber das hab ich inzwischen begraben. Es gilt nichts mehr „durchzustehen, bis zum Tag X“.
Impfungen
- ich versuche so lange wie möglich, alle 6 Monate eine Auffrischimpfung zu bekommen – mir ist aber bewusst, dass die zunehmend rechte und neoliberale Regierungspolitik diesem früher oder später einen Riegel vorschieben wird. Die Erstinfektion ist also unausweichlich.
- durch die Pandemie achte ich erst darauf, dass meine Impfungen im Impfpass aktuell bleiben
Prophylaxe
Ich halte wenig von Nasensprays und Lutschtabletten oder Mundspülungen. Sie sind in Dauerverwendung recht kostenaufwändig, aber das Preis-Leistungs-Verhältnis passt nicht. Eine Infektion ist dann erfolgreich, wenn genügend Virus auf zu wenig spezifische Immunität trifft. In den meisten Fällen ist die Virusdosis zu gering, etwa in Alltagssituationen mit Zufallsbegegnungen, Lüftung, großer Raum, kurze Expositionsdauer, oder das Virus einfach nicht so ansteckend.
Ich kann natürlich auch nur auf meine eigenen Anekdoten verweisen – seit Dezember 2022 hatte ich drei Virusinfektionen (nicht Covid), einmal im engen Kontakt mit meinen hochsymptomatischen Eltern, zwei Mal nach Wirtshausbesuchen mit schlechter Luft und großer Lautstärke. Klarerweise zu viel Virus eingeatmet, beim ersten Mal hab ich noch Coldamaris Spray genommen, aber es war sinnlos. Zwischen den Infektionen war ich unzählige Male in Risikosituationen, wo nichts passiert ist. Das ist weder ein Beweis für noch gegen die Wirksamkeit der Sprays. Aber ich bin ohne bisher ganz gut gefahren und werde das beibehalten.
Denn ein Punkt sehe ich auch als riskant, spätestens seit einer Begegnung letztes Jahr mit einer Person, die Desinfektion und Sprayeinnahme exzessiv betrieben hat: Es erzeugt psychische Abhängigkeit – es kann die innere Unruhe verstärken, wenn man einmal drauf vergessen hat und dann ständig zittert, ob es reicht oder man jetzt selbst Schuld ist, wenn man sich ansteckt. Bis auf Studien unter Laborbedingungen wird man aber nie wissen, ob es an der Virusdosis („Die Dosis macht das Gift“) oder an der Expositionszeit gelegen hat, oder, im anderen Fall war es nicht VirX, Bioblock, sondern die infizierte Person war einfach nicht ansteckend. Das Superspreader-Prinzip gilt bei SARS-CoV2 nach wie vor – es ist nicht jede Person ansteckend. Ich warne vor all zu einfachen Schlussfolgerungen.
Risikoabwägungen
Ich führe mein CO2-Messgerät nicht zum Spaß spazieren, sondern möchte Risiken für Luftübertragung ausfindig machen – und mich nach ihnen richten. Wenn wir alle die Innengastronomie meiden, werden wir nie aussagekräftige Daten ermitteln können.
Beispiele für Risikoabwägungen:
- In einer Infektionswelle meide ich alpine Gasthäuser oder Hütten, die per Auto oder kurzen Spaziergang erreichbar sind. Je aufwendiger der Fußmarsch, desto geringer das Risiko, dass erkrankte Personen auch hinaufkommen.
- In die Betriebskantine geh ich möglichst früh, wenn der Raum noch leer ist und freie Sitzplatzwahl herrscht. Die Luftqualität hab ich bereits mehrfach gemessen.
- Bei längeren Zugfahrten mit Fernzügen sitze ich weiterhin im Speisewagen, weil dort weniger Fahrgäste Platz haben als im Großraumwagen. Platzreservierung bedeutet im ungünstigen Fall, neben einer erkrankten Person zu sitzen.
- Andere Viren sind meist weit weniger ansteckend als SARS-CoV2. Außerhalb von expliziten Corona-Wellen steckt man sich von Zufallsbegegnungen alleine meist nicht an. Husten ist häufig auch chronisch und nicht per se infektiös.
- Das Aranet4 ist immer mit dabei. Luftqualität abschätzen gehört bei mir zum Standard, nach dem ich mich dann richte – bei niedriger SARS-CoV2-Inzidenz toleriere ich auch höhere CO2-Werte, nachdem andere Infektionskrankheiten weniger ansteckend sind (da braucht es dann wirklich engen Kontakt, z.B. Mpox).
- Im Freien ist das Risiko immer geringer als drinnen. Offenes Fenster im Lokal ist womöglich die beste Möglichkeit, denn im Freien kann man Sitzplatzroulette mit den Rauchern spielen.
Was ich nicht mehr tue und was ich nicht verlangen kann
In unserem Büro herrscht eine gute Quell-Lüftung. Fallweise kann ich meinen persönlichen Luftreiniger anstellen und mir so eine saubere Luftblase schaffen. Daher trage ich dort schon lange keine Maske mehr. Im Stiegenhaus herrscht oft gute Luft, auch da hab ich schon lange aufgehört. Am Land in spärlich besetzten Verkehrsmitteln und Geschäften je nach Luftqualität ist es nicht immer notwendig, in der Stadt wohl dauerhaft unverzichtbar. Beim Arzt trag ich immer eine, weil ich da meist nicht der erste und einzige Patient bin.
Asymptomatische Übertragung ist seltener geworden (Frediani et al. 2023): Ich kann nicht verlangen, sich symptomfrei zu testen, und es ist fraglich, wie gut Schnelltests eine beginnende Infektion noch detektieren, wenn sie selbst bei Symptomen erst am dritten, vierten oder fünften Tag anspringen.
Letztendlich muss und kann ich es auch für mich entscheiden, solange ich mir danach noch in den Spiegel schauen kann und niemanden wissentlich gefährdet habe (Merrell et al. 2024).
Schutzmaßnahmen
Der beste Schutz ist die Maske, die zweitbeste die Impfung.
Ich benutze die FFP3 von Rysam – nicht, weil das Upgrade von FFP2 unbedingt notwendig ist, sondern weil sie am besten auf meine Gesichtsform passen. Ich wechsel dann, sobald das Kopfband ausgeleiert ist, die Maske schmutzig wurde oder ich spüre, dass sie undicht wird. Ich hab immer genug Ersatzmasken im Rucksack dabei.
Hauptübertragungsweg sind Aerosole – also die Luft, die aus und eingeatmet wird.
Von übertriebener Desinfektion halte ich nichts. Übertrieben: Jede Türschnalle als Übertragungsort betrachten, Verpackungen desinfizieren, komplette Desinfektionsdusche des Körpers nach jedem Aufenthalt außerhalb der Wohnung – mehr zur Desinfektion in einem separaten Blogartikel
PCR-Gurgeltests (z.B. Trinicum Diagnostics) mache ich nurmehr bei Verdacht auf Ansteckung (Exposition oder Symptome), was aber kaum vorkommt – wenn es zeitlich hineinpasst auch vor Besuchen von Personen mit Risikofaktoren. Wenn ich aber davor den ganzen Tag arbeiten muss, kann ich nicht testen gehen. Schnelltests habe ich jede Menge zuhause, um bei Symptomen selbst zu testen, bevor ich einen Arzt aufsuche.
Normale Handhygiene ist völlig ausreichend, hat aber nichts mit SARS-CoV2 zu tun, sondern beugt Magendarm-Infektionen vor.
Nasensprays und Mundspülungen setze ich nurmehr sehr sparsam ein. Der Nutzen ist für mich nicht bewiesen. Man sollte sich nicht darauf verlassen. Die Hersteller verdienen gut an diesen Produkten, die Studien sind aber oft von ihnen selbst finanziert.
Bei den Impfungen bin ich weiter auf dem Standpunkt, lieber öfter geimpft als einmal zu viel infiziert – und gehe weiter alle 6-7 Monate impfen, weil die variantenspezifische Immunität zu schnell nachlässt.
Luftreiniger in Innenräumen sind eine wichtige Käsescheibe, wenn sie groß genug sind für die jeweilige Raumgröße.
Den beliebten ToGo-Luftreiniger setze ich nurmehr selten ein, er muss de facto unters Kinn gehalten werden, damit man gefilterte Luft einatmet. Außer im Auto oder ähnlichen sehr kleinen Räumen, da könnte der Luftumsatz ausreichen. Im Auto bietet sich allerdings regelmäßig Lüften an, was bei Unterdruck sehr effektiv ist. Vom „Luftzug“ kriegt man keine Infektion, sondern wenn einer der Insassen infektiös ist.
Statistik
- Wie viele derer, die gerade Symptome haben, sind mit Corona infiziert? Denn andere Infektionskrankheiten sind meist deutlich weniger ansteckend.
- Nur 10-20% aller Infizierten sind ansteckend (superspreader), der Großteil hustet und schnieft, ist aber nicht ansteckend – außer man ist im engen Kontakt
- Ist der mit Husten oder Schnupfen am Anfang seiner Infektion oder klingt sie ab und die Person ist nicht mehr infektiös?
- Selbst wenn sie Symptome hat, wissen wir bei Geimpften, dass die Viruslast oft erst verzögert ansteigt (Antigentest oft negativ am Anfang). Viruslast und Symptome sind zudem unabhängig voneinander.
- War die potentielle Exposition im Freien? Hab ich Maske getragen? Das Alter der Maske spielt weniger eine Rolle als der Dichtsitz und ob sie trocken oder feucht war.
- Wie lange war ich exponiert? Wenige Minuten oder über längere Zeit?
Es braucht immer etwas Glück. 100%-Schutz gibt es nicht. Aber: Mit einer Maske, selbst nicht perfekt sitzend, hat man einen zuverlässigeren Schutz als ohne Maske. Masken bieten einen hohen individuellen Schutz.
Gesundheitswesen
ausnahmslos FFP2 oder FFP3, da die Luftqualität nicht zwingend gut ist in Wartezimmern oder Behandlungsräumen, und weil man engen Kontakt zu Ärzten und Assistenten haben kann.
Therapeutische Sitzungen


In Arzt- und Laborsituationen gibt es idealerweise geöffnete Fenster, fest installierte Luftfilter oder Luftreiniger und weiterhin FFP2-Maskenpflicht. Denn die Luftqualität lässt gerade bei voll belegten Wartezimmern oft zu wünschen übrig. Auch in Spitälern variiert die Luftqualität stark. In einem Zweibettzimmer habe ich Mitte 2022 schon Werte deutlich über 2000ppm gemessen. Die Fenster blieben geschlossen, es war viel zu warm.
Zahnarzt

Beim Zahnarzt bleibt man längere Zeit ohne Maske. Es gibt Möglichkeiten, das Infektionsrisiko zu verringern. Es ist zudem wichtig, das Risiko einzuschätzen. Bevor man sich einen Termin ausmacht, stellt man folgende Fragen:
- habt ihr in jedem Raum HEPA-Filter?
- Sind die Räume voneinander abgetrennt?
- Wisst ihr über Frischluftzufuhr Bescheid?
- tragt ihr Masken?
- wie viel Zeit vergeht zwischen den Patienten?
Beim Termin CO2-Messgerät mitnehmen und überprüfen, ob man die Belüftungsanlage hört oderdas Thermostat checken, ob sie „an“ sind und nicht auf „auto“. Wenn sie auf „auto“ sind, lass ich sie das wissen. Wenn ich mehr als 800ppm CO2 messe, komm ich nicht wieder.
Normalerweise trägt das Personal immer Masken. Ich würde FFP2-Masken bevorzugen, aber manchmal tragen sie auch nur OP-Masken. Leerlaufzeit zwischen den Patienten ist gut. Bei guten Luftfiltern braucht es nicht lange, da die Räume klein sind.
FFP2 tragen, bis man den Behandlungsraum betritt. Es gibt zwei Übertragungsrisiken: gemeinsame Atemluft/Nahübertragung, wenn der Hygieniker, Assistent/Arzt mit Dir arbeitet, sowie Ferndistanzübertragung von anderen Räumen.
Selbst unmaskiert ist das Risiko von Aerosol-Übertragung aus anderen Räumen gering, wegen …
- HEPA-Filtern
- Barrieren zwischen den Räumen
- keine Umgebung, wo unmaskierte Personen viel reden
- andere unmaskierte Patienten sitzen oft ruhig da

Sozialer Druck
- Wenn man nach Argumenten sucht, sich immer noch zu schützen: Jessica Wildfire, You May Be Early, but You’re Not Wrong: A Covid Reading List (15.11.22)
- Totschlagargument Angst: Sich angurten, nicht rauchen, vor dem Essen Hände waschen ist nicht Angst, sondern Vernunft. Masken tragen ist mutig und empathisch. Angst macht die Realitätsverweigerung – die Pervertierung der Eigenverantwortung ist eine Abkehr der Solidargemeinschaft, wozu verbindlicher Arbeitsschutz, Produktsicherheitsgesetz, Führerscheinpflicht, Straßenverkehrsordnung
- „Corona ist vorbei. Sie können die Maske ruhig abnehmen: Felicitas Bergmann klärt auf (16.10.22)
- Kaputtes Verhältnis zu Krankheit und Behinderung, das auf Ablehnung, Verdrängung und Ausgrenzung beruht –von Doro Marx (24.04.22)
- Wie unreife Abwehrmechanismen den Handlungsspielraum einschränken (29.12.23)