“It is an unfortunate coincidence that the word endemic begins with end. The arrival of endemicity is actually the beginning—of a long and complicated relationship between a pathogen and its host population. En demos. In the people.”
Jacob Stern and Katherine J. Wu (The Atlantic, 01. Februar 2022)
- Endemisch ist definiert als „auf eine bestimmte Region beschränkt“, z.B. ist Malaria in Afrika endemisch – endemisch bedeutet nicht harmlos
- Eine Epidemie sind regionale Ausbrüche mit Infektionswellen (z.B. Influenza im Winter auf der Nordhalbkugel).
- Bei einer Pandemie finden die Ausbrüche kontinentübergreifend statt. Die Schwere der Erkrankung sowie die Höhe der Infektionswellen spielen dabei keine Rolle.
Zur Definition von Pandemien und der Rolle der WHO in der Ausrufung und Beendigung von Pandemien (Spoiler: Sie kann beides nicht) habe ich bereits umfangreich gebloggt.
Virologe Drosten und weitere ExpertInnen sahen das Ende der Pandemie dann gegeben, wenn der Großteil der Bevölkerung nicht mehr immun-naiv war, also nach Kontakt mit dem Antigen durch Infektion und/oder Impfung.
Veldhoen und Simas (2021) waren früh in der Pandemie davon überzeugt, dass endemisches SARS-CoV2 die post-pandemische Immunität aufrechterhalten werde. Die Impfungen würden die Pandemie beenden. Die Bevölkerungsimmunität wird durch die kontinuierliche Viruszirkulation weiter aufgebaut.
Übergang von der Pandemie in die Endemie
Abseits von Interventionen bezieht sich die Basisreproduktionszahl R_o auf die durchschnittliche Zahl weiterer Personen, die eine Person infizieren kann. In der Frühphase der Pandemie wuchsen die Infektionen exponentiell. Doch diese Phase dauert nicht ewig, weil sich durch die Infektionen Immunität aufbaut, auch wenn sie nicht von Dauer ist. Doch sie ist breit genug, um die Reproduktionszahl auf um 1 zu bringen, das heißt R_eff ist in der endemischen Phase nahe 1 und damit wird eine weitere Person infiziert. Wenn R_eff kleiner als 1 ist, nimmt die Inzidenz ab, bis die Immunität nachlässt, dann nimmt sie wieder zu.

R_o hat sich nicht geändert, sie liegt bei SARS-CoV2 bei 6-10, im Durchschnitt also 8. Ohne Bevölkerungsimmunität würde eine Person acht weitere Personen infizieren, aber wegen Immunität nur eine weitere. Also sind 7 von 8 Personen immun. Es gibt also eine Art Gleichgewicht, bei dem neue Infektionen die Immunität erhöhen, während die Immunität mit der Zeit nachlässt.

Wenn man jetzt erneut Schutzmaßnahmen einführt, sinkt zwar die Inzidenz, aber die Bevölkerung wird wieder empfänglicher für Infektionen, weil weniger Personen durch die Infektion immun werden. Das würde langfristig die Wirksamkeit der Schutzmaßnahmen abschwächen, weil die Bevölkerungsimmunität abnimmt (Baker et al. 2022).
Wenn R_o hoch (rot) ist, erzeugen moderate R_o-Verringerungen durch Maßnahmen für viel kleinere Inzidenzrückgänge. Die gleiche Intervention, die Infektionen 87fach in der epidemischen Phase reduziert hat, tut das nur mehr um den Faktor 1,03 in der endemischen Phase. Immunität ist in der endemischen Phase also notwendig, um Infektionen zu kontrollieren.
Deshalb haben wir 2025 großteils keine Maßnahmen mehr als 2020. Ausnahme: Impfungen! Sie bieten keinen perfektiven Schutz vor Infektionen oder dauerhafte Immunität, aber Infektionen tun das auch nicht. Vor den Omicron-Varianten betrug der sterile Schutz noch über 80% für mehrere Monate. Auch heute könnten sie noch für mehrere Monate bevölkerungsweit die Infektionsraten um 30-50% reduzieren. Daher wären hohe Durchimpfungsraten so wichtig – um auch jene zu schützen, die weniger von der Impfung profitieren (immungeschwächte Personen) oder noch nicht geimpft werden können (Säuglinge).
Die Vorteile von Luftreinigungsmaßnahmen wären gering. Im öffentlichen Raum verringern sie die Übertragung nicht deutlich genug, um sich sicherer zu fühlen – mit Ausnahme Schulen und Gesundheitssystem. Da sind FFP2-Masken effektiver.
Endemische Phase im Hinblick auf neue Varianten
Infektiologe Kristian G. Andersen erklärt, warum hochmutierte Varianten sich kaum (bis auf BA.1 und JN.1) gegen den bestehenden Variantenzoo durchsetzen können:
Re (Rt), die effektive Reproduktionszahl ist entscheidend. Über 1 tritt eine Welle auf, darunter nehmen die Infektionen ab. Die meisten zirkulierenden Varianten haben derzeit Re ~ 1.
Re ist vereinfacht gesagt eine Funktion aus zwei Hauptbestandteilen: inhärente Übertragbarkeit einer Variante (R0, die Basisreproduktionszahl) und die Fähigkeit, die Bevölkerungsimmunität zu überwinden (Immunflucht).
- R0 ist die erwartete Fallzahl, die direkt durch einen Fall in einer vollständig naiven Bevölkerung erzeugt wird (das heißt, die inhärente Fähigkeit des Virus, seine Wirtsbevölkerung zu infizieren).
- Rt ist andererseits die Zahl der Fälle, die im derzeitigem Stadium der Bevölkerung erzeugt wird, was im Fall von SARS-CoV2 heißt: Es gibt eine breite Bevölkerungsimmunität.
R0 entspricht Rt nur dann, wenn es wenig bis keine Immunität gibt. Danach entscheidet Rt.
Die derzeit hypermutierten Varianten (z.B. BA.3.2, BQ.1.1.1) sind höchstwahrscheinlich in einem chronisch infizierten Patienten entstanden. Im Zeitraum der Mutationen übertragen sie sich aber nicht auf andere Personen (oder nur sehr selten), weshalb sie an Übertragbarkeit verlieren können (R0 wird geringer).
Derzeitige Varianten (Stand 25.4.25) wie LP.8.1 haben hohe R0-Werte, weil sie gut übertragen können, aber niedrige Rt-Werte, weil sie unseren Immunitätswall nicht überwinden können (bis die Immunität nachlässt). BA.3.2 besitzt wahrscheinlich mehr Immunflucht, aber schlechtere Übertragbarkeit.
Die Ursache für diese Entwicklung ist wahrscheinlich unsere hochkomplexe Immunitätslandschaft: Varianten, die durch die Bevölkerung „driften“ sammeln sukzessive günstigere Mutationen an, während hochmutierte Varianten von Zeit zu Zeit auftauchen, mit Rt-Werten um 1 aber im Wettbewerb mit etablierten Varianten unterlegen sind.
Irgendwann könnte es durchaus passieren, dass eine der hochmutierten Varianten genügend vorteilhafte Mutationen aufsammelt, um seine Übertragbarkeit zu erhöhen. Wann das passiert, erscheint aber unklar.
Wann wir vom Pandemie-Ende sprechen kann, kann man jedenfalls erst rückblickend sagen.

Mit Stand 25. April 2025 wurde das Pandemie-Ende gemeinhin mit dem Ende des Internationalen Gesundheitsnotstands (PHEIC) am 5. Mai 2023 gleichgesetzt. War JN.1 die erste endemische Welle? Sie sorgte weltweit für hohe Infektionszahlen, die nachfolgende JN.1-Variantenfamilie dominiert bis heute unser Infektionsgeschehen.