Häufig gestellte Fragen zu SARS-CoV2 und die resultierende Erkrankung Covid19

(ausklappbarer Text bei Klick auf die Frage)

Krankheitsschwere

Ständig wird davon gesprochen, dass es „kaum noch schwere Verläufe“ durch Covid19 gibt. Aber was unterscheidet eigentlich einen milden von einem schweren Verlauf?

Mittelschwere bis schwere Verläufe sind durch eine Lungenentzündung mit Sauerstoffbedarf gekennzeichnet, die eine stationäre Behandlung erforderlich machen. Sehr schwere Verläufe mit akutem Atemnotsyndrom (ARDS) erfordern zusätzliche Beatmungsunterstützung und die Aufnahme auf die Intensivstation.

Umgekehrt heißt das: Alles, was gerade noch nicht mit Sauerstoffzufuhr im Krankenhaus behandelt werden muss, ist mild und fließt auch so in die Statistik ein – dazu zählen auch Lungen- und Herzmuskelentzündung ohne Krankenhausaufenthalt, Kopfschmerzen, Migräne, hohes Fieber, schreckliche Körperschmerzen über Wochen, völliger Verlust von Geruchs- und Geschmacksinn.

Das ist eine klinische Einordnung aus Sicht der Intensivmedizin, die aber ohne Einordnung der Bevölkerung ohne medizinisches Wissen um die Ohren gehaut wird, und somit zu einer völligen Fehleinschätzung der eigenen Risikosituation führt. Die Menschen hören mild und denken an Schnupfen.

Aus Sicht der Primärversorgungsspezialistin Prof Dr. Kathryn Hoffmann sind Lungenentzündung und CO jedoch schwere Erkrankungen, die Monate dauern, bis sie wieder ausheilen. Das müssen Betroffene aber wissen, sonst nehmen sie sich nicht die nötige Zeit zur Erholung und verschlechtern ihre Prognose.

Spätfolgen wie das LongCOVID-Spektrum sollten ebenso zu schweren Verläufen zählen, wenn sie Lebensqualität und Arbeitsfähigkeit signifikant und dauerhaft einschränken, bei MECFS ist das fast immer der Fall.

Variante XY verursacht weniger schwere Verläufe/LongCOVID. Warum heißt das nicht Entwarnung für uns?
Relativer Anteil an der Gesamtheit. 1% klingt wenig, bedeutet aber in absoluten Zahlen viel, wenn die Gesamtheit viel ist.

Wir wissen seit der Omicron-Subvariante BA.1, dass die Zahl der schweren und chronischen Verläufe auch dann problematisch ist, wenn die Variante selbst im individuellen Fall weniger schwere Verläufe verursacht, aber auf Bevölkerungsebene deutlich mehr Menschen infiziert. Trotzdem ließ man BA.2, BA.5, eine schwere Influenzawelle und weitere Coronawellen ungehindert durchrauschen. Jede Welle hat signifikant viele schwere und chronische Verläufe verursacht.

Vergleich Übersterblichkeit von Österreich (rot) mit Neuseeland (grün) seit Pandemiebeginn. Seit Beginn der Omicron-Ära herrscht weiterhin im Mittel erhöhte Übersterblichkeit. Neuseeland mit mehr Maßnahmen und wissenschaftsorientierter Aufklärung mit geringerer Übersterblichkeit, in den Phasen der Lockdowns mit deutlicher Untersterblichkeit.

Jedes Mal heißt es bei der nächsten neuen Variante: „Die Variante verursacht aber nicht mehr schwere Verläufe“ oder „Es ist nichts bekannt darüber, dass sich die Krankheitsschwere geändert hat.“ Schon die bisherigen Varianten verursachen aber weiterhin signifikant viele Krankenstände, zum Teil mit schweren Verläufen. Wennn dann wieder eine große Infektionswelle ansteht, dann heißt auch eine RELATIV kleine Zahl an Schwerbetroffenen, dass sich ABSOLUT viele Menschen im Krankenhaus befinden werden. Die realen Auswirkungen gehen weit darüber hinaus: Wegen Rekordkrankenständen fehlt Personal, werden OPs verschoben, stecken sich Patienten im Spital an, ebensoo wie vermehrt Kinder im Kindergarten, verschlechtern sich Grunderkrankungen, steigt die Übersterblichkeit, nehmen Fehltage und Unterrichtsausfall zu, sind PostCOVID-Ambulanzen überfüllt.

„Weniger schwere Verläufe“ trifft nur dann zu, wenn sich die für schwere Verläufe anfälligeren Menschen a) gar nicht infizieren, b) frisch geimpft sind und c) Paxlovid erhalten. In Summe kann das Spitalspersonal also sehr wohl an die Grenzen ihrer Kapazitäten kommen, obwohl die neueste Variante nicht gefährlicher als die vorherige ist. Und das betrifft jetzt nur Corona, nicht Influenza, RSV, Lungenentzündungen, Keuchhusten und andere Gründe, weshalb jemand jetzt vermehrt ins Spital aufgenommen werden muss.

„Es ist Zeit, dass die Kinder zurück ins Wasser gehen. Nur 1% von ihnen wird gefressen.“ Credits: Steve Daugherty (@stepd0c)

Das trifft auch auf andere Bereiche zu, etwa „für die Mehrheit nur milde Verläufe“, „nur 1% LongCOVID bei Kindern“ oder „nur 0,2% Sterblichkeit“.

Warum sind die Intensivstationen die falsche Ziel/Steuerungsgröße in einer Pandemie/Infektionswelle?
SARI-Dashboard, Anzahl der stationären Neuaufnahmen (!)

Selbst im vierten Pandemiejahr lesen und hören wir wieder in allen Medien, wie die Bevölkerung beruhigt werden soll, weil keine Überlastung der Intensivstationen drohen würde. Man darf nicht vergessen, dass sich hinter diesen grünen Balken menschliche Schicksale verbergen – Patienten, die schlecht Luft bekommen, weil sie wie gerade ältere, gebrechliche Personen durch die Infektion zu schwach sind, um sich selbst zu versorgen, oder weil sich durch die Infektion ihre Grunderkrankung wie Herzschwäche oder Niereninsuffizienz verschlechtert hat.

„Die Ernsthaftigkeit einer Infektionswelle ist nicht nur an den Belagszahlen von Intensivstationen zu bemessen, sondern auch an den volkswirtschaftlichen Kosten von massenhaften Krankenständen und den noch nicht abschätzbaren Langzeitfolgen weiterer Long-Covid-Patient*innen. Krankenstände, die die Personalprobleme in den Spitälern weiter verschlimmern, sind unbedingt zu vermeiden und vulnerable Personen in Spitälern durch konsequentes Maske tragen zu schützen.“

Wiener Patientenanwalt Jelinek, Presseaussendung 15.12.2023

Schon seit Ende September 2021 ist bekannt, dass die Mehrheit der COVID-Patienten auf den Normalstationen stirbt. Gerade ältere Menschen, die die höchste Mortalitätsrate aufweisen, werden häufig intensivmedizinisch nicht mehr behandelt (Kosten-Nutzen-Abwägung) oder haben im Fall einer Triage das Nachsehen.

Die Krankheitsschwere ist dank der Bevölkerungsimmunität insgesamt zurückgegangen, das heißt, selbst bei hohen Infektionszahlen werden relativ gesehen weniger Schwerkranke im Spital aufgenommen als noch bei Delta. Es sind in absoluten Zahlen aber immer noch viel und dazu kommen seit Ende aller Schutzmaßnahmen zusätzlich die Influenza- und RSV-Patienten. Und es gilt weiterhin, was ganz am Anfang gegolten hat: Es gibt keine zusätzlichen Betten, weil das Personal dafür fehlt. Für weitere Schwerkranke muss im Routinebetrieb gekürzt werden, also verschobene Operationen und Untersuchungen, vorzeitige Entlassung, mitunter suboptimale Nachversorgung, aber auch stundenlange Wartezeiten in der Notaufnahme und verzögerte Rettungseinsätze.

Der Fokus auf Spitalskapazitäten, erst Recht Intensivbetten, ist eiskaltes neoliberales Denken: Es geht längst nicht mehr um Menschen, sondern nur um freie Betten, die man befüllen kann, bis alle Kapazitäten weg sind. Und dann, wenn es keine freien Betten mehr gibt, erst dann werden vielleicht wieder Maßnahmen eingeführt, die zu spät kommen, weil die Infektionszahlen dann bereits so hoch sind, dass die Zahl der Schwerkranken noch ein paar Wochen länger steigen wird. Mit der Manipulation der Bettenstatistik bzw. der Covid-Infizierten (z.B. seit November 2022: gelten nach 2 Wochen Liegezeit automatisch als nicht mehr C+) lässt sich der Zeitpunkt, ab dem ein Handlungsbedarf nicht mehr verhinderbar ist, noch lange hinausschieben. Das Personal und die Patienten bleiben auf der Strecke.

Selbst wenn wir den Infektionswellen ab 2022 nicht mehr die Höchststände bei den Intensivbettenbelegungen sehen wie bei Delta und davor, heißt das immer noch viele Krankenstände, LongCOVID und erhöhte Übersterblichkeit durch die vielen Kollateralschäden durch Personalmangel. Und eines muss man auch bedenken: Das Gesundheitssystem ist nicht mehr so widerstandsfähig wie Anfang 2020, und schon damals war die Situation durch die jahrzehntelang verschobene Gesundheitsreform vielerorts prekär.

Medikamente

Für wen ist Paxlovid gedacht und warum ist es so dramatisch, wenn es einen Mangel des Medikaments gibt?

Paxlovid besteht aus zwei Wirkstoffen, Nirmatrelvir gegen die Covid19-Infektion und dem Wirkverstärker Ritonavir, der aber nicht nur den Abbau des Wirkstoffs gegen Covid19 hemmt, sondern auch von vielen Medikamenten von Risikopatienten. Das kann teils gefährliche Wechselwirkungen verursachen (dafür gibt es dieses praktische Tool: Wechselwirkungsrechner). In vielen Fällen kann aber nach Absprache mit dem Hausarzt vorübergehend auf die Einnahme von bestimmten Medikamenten verzichtet werden. Für jene mit unverzichtbarer Dauermedikament ist Paxlovid nicht geeignet (Anwendung und Nebenwirkungen siehe Packungsbeilage).

Wie alle antivirale Medikamente wirkt Paxlovid besser, je früher ab Infektionszeitpunkt es gegeben wird – was rechtzeitige Infos über mögliche Exposition und niederschwelligen Testzugang voraussetzt. Es sollte innerhalb der ersten fünf Tage ab Symptombeginn genommen werden (bzw. wenn man asymptomatisch positiv testet).

Eine Einschränkung ist der sogenannte Rebound-Effekt. Hierbei kommt es manchmal nach vollständiger Einnahme einer Packung Paxlovid (5 Tage) erneut zu einem positiven Test bzw. zur Rückkehr von Symptomen. Man kann dann auch wieder ansteckend sein. Allerdings ist nicht bewiesen, dass der Rebound von Paxlovid selbst kommt, er tritt auch bei genesenen Personen auf, die kein Paxlovid genommen haben (CDC Health Advisory, Mai 2022), manchmal wird daher je nach Risiko eine zweite Packung verschrieben, also insgesamt 10 Tage.

Eine größere Einschränkung ist, dass gerade manche Hochrisikopatienten wegen der Wechselwirkungen kein Paxlovid erhalten können. Daher ist Prävention weiterhin so wichtig.

Der Nutzen überwiegt aber bei weitem die Nachteile eines Rebounds – in den ersten Pfizer-Versuchsstudien lag die Wirksamkeit gegen schwere Verläufe und Tod bei 89% in ungeimpften, vorher nicht infizierten Patienten (Hammond et al. 2022), und bei 80% in geimpften Patienten.

Die US-amerikanische Arznei- und Lebensmittelbehörde FDA fasst die Risikofaktoren, die für eine Paxlovid-Einnahme qualifizieren, recht weit:

Wie man sieht, kommen nicht nur alte und hochvulnerable Personengruppen für die Paxlovid-Einnahme in Frage. Bei guter Durchführung und rechtzeitiger Gabe ist die Therapie jedenfalls lebensrettend.

Ergänzung: Bei Schwangeren empfiehlt die FDA eine sorgfältige Kosten-Nutzen-Abwägung mit dem behandelnden Arzt. Zwei Studien legen nahe, dass die Einnahme für Schwangere sicher ist (Garneau et al. 2022, Wong et al. 2023), weltweit gibt es jedoch unterschiedliche Richtlinien für Schwangere (Chourasia et al. 2023) – die bundesdeutsche Ärztekammer (Seite 22) sowie die Ärztekammer Wien raten derzeit von einer Einnahme in der Schwangerschaft und während der Stillzeit ab.

  • Eine spätere Untersuchung zeigte auch bei Risikopatienten, die bereits mehrfach geimpft oder infiziert waren, eine 51%-Reduktion von schweren Verläufen (Shah et al. 2022), in einer anderen Studie waren es 45% Risikoreduktion(Ganatra et al. 2022) – die Risikoreduktion wurde auch für spätere Virusvarianten (BA.1, BA.2, BA.5) bestätigt (Xie et al. 04/2023).
  • Bei Patienten mit mindestens einem Risikofaktor verringerte sich das Risiko für Long/Post-COVID-Symptome – und zwar unabhängig vom Impfstatus und auch nach Reinfektionen (Xie et al. 03/2023), neuropsychiatrische Folgen wie Depressionen, Demenz, Schlaflosigkeit und Angststörungen wurden ebenfalls reduziert (Liu et al. 2023) – eine Meta-Analyse hat die Risikoreduktion von Post Covid bekräftigt (Choi et al. 2023).
  • Bei älteren Menschen (Durchschnittsalter 66) werden Thrombosen und Lungenembolien verringert, sonst aber kaum LongCOVID-Symptome (Ioannou et al. 2023), dafür ist die Risikoreduktion auch bei geimpften 65+ immer noch über 70% (Arbel et al. 2022)
  • Bei geimpften Patienten ohne schweren Verlauf gab es durch Paxlovid keinen Einfluss auf spätere LongCOVID-Symptome (Durstenfeld et al. 2024), auch nicht nach Rebounds. Einschränkungen der Studie: Seltenheit von LongCOVID bei diesem Subset an Patienten, nur Abfrage von Symptomen, aber keine spezifischen Untersuchungen auf PEM, POTS, MCAS, SN – war die negative Kontrollgruppe wirklich negativ? (Krishna et al. 2022)

Und wie sieht es aus, wenn man keine bekannten Vorerkrankungen hat und unter 50 Jahre alt ist?

Personen ohne Vorerkrankungen profitieren hinsichtlich Risikoreduktion für schwere Verläufe nicht (Faust et al. 2023) – möglicherweise, weil sie ohnehin nur ein geringes Risiko dafür haben. Unklar bleibt weiterhin, ob Personen ohne Risikofaktoren auch von einer Risikoreduktion bei LongCOVID profitieren können.

Anekdotisch sorgt die Paxlovid-Einnahme innerhalb kurzer Zeit (1-2 Tage) für eine deutliche Verbesserung der Symptome und verkürzt meist die Krankheitsdauer. Wird kein Paxlovid gegeben, entweder, weil es nicht verschrieben wird (leider viel Skepsis unter Hausärzten und mangelnde Information zu Wechselwirkungen), oder weil vom Gesundheitsministerium zu wenig bestellt wurde und ein flächendeckender Mangel herrscht, dann nimmt die Zahl der Hospitalisierung von Risikopatienten zu, wie Lungenfacharzt Valipour im November 2023 berichtete.

Einer Studie des National Institutes for Health zufolge haben nur 15% der Patienten in den USA, die Paxlovid hätten bekommen sollen, dieses auch erhalten. Wären es 50% gewesen, hätten rund 48000 Todesfälle vermieden werden können.

Kommen Rebounds mit Paxlovid häufiger vor als ohne das Medikament?

Ein sogenannter Rebound ist ein Rückfall während einer Erkrankung mit erneut auftretenden Symptomen und/oder erneut hoher Viruslast (Antigentest springt erneut an bzw. Linie wieder fett positiv, erneut sinkende Ct-Werte).

Grundsätzlich gilt SARS-CoV2 als zweiphasige Erkrankung mit hoher Viruslast in der ersten Woche und oberen Atemwegssymptomen, gefolgt von einer überentzündlichen Phase (zytokiner Sturm) in der zweiten Woche, die zu Lungenversagen bzw. Atemwegsproblemen führen kann – selbst dann, wenn die Viruslast bereits abnimmt.

Rebounds sind mit und ohne Paxlovid dokumentiert. Symptomatische Rebounds sind meist nur kurzlebig und gehen mit moderatem Anstieg der Viruslast einher. Es wird spekuliert, dass die 5-Tages-Therapie mit Paxlovid nicht ausreicht, um die Viruslast stark genug abzusenken, wenn Antigentests erneut anschlagen bzw. PCR wieder positiv ist bzw. Ct-Werte abfallen. Mit 10 Tage oder länger wird die Viruslast nachhaltig gesenkt.

Eine Kombination aus neuerlich hoher Viruslast UND Symptomen ist aber selbst ohne Paxlovid selten. Über die Gründe von erneuten Symptomen wird spekuliert:

  • es könnte damit zu tun haben, dass Virusbestandteile verschiedene anatomische Bereiche erreichen und sich Symptome nachfolgend entwickeln, selbst wenn die Viruslast abgesunken ist (symptomaler Rebound)
  • Auch eine Co-Infektion mit einem anderen Virus (oder eine bakterielle Superinfektion?) ist denkbar (Deo et al. 2022 preprint), um erneute Symptome auszulösen.
  • Eine weitere Möglichkeit ist, dass die mit Paxlovid behandelnden Patienten ein höheres Rückfall-Risiko haben, weil sie eine schwächere Immunantwort aufweisen („host factors“) aufgrund ihrer Grunderkrankungen (Smith et al. 2023).
  • eine vierte Möglichkeit könnte auch das Virus selbst sein, das durch die Zunahme an Immun-Escape-Mutationen die Immunabwehr immer besser überwinden kann, anekdotisch kommen virale Rückfälle mit erneuten Sympomen auch nach 10 Tagen Paxlovid-Einnahme mit mutmaßlich JN.1 noch vor

Fazit: 5 Tage Paxlovid verbessern die Symptome der ersten Phase. Nach Therapieende und beinahe sofortigem Ausscheiden des Wirkstoffs aus dem Körper wird der Kontrast zur zweiten Phase umso ausgeprägter (Hypothese von Christos Argyropoulos, Nephrologe in New Mecico, USA)

Spätfolgen

Warum ist SARS-CoV2 kein Erkältungsvirus? Ich hab nur Husten und Schnupfen!

SARS-CoV2 ist ein Virus, das über die Atemwege in den menschlichen Körper eindringt. Es wird daher als respiratorischer Erreger bezeichnet. Das bezieht sich aber nur auf den Übertragungsweg. Die Anfangssymptome sind häufig identisch mit denen von anderen respiratorischen Erregern, die grippale Infekte hervorrufen, manchmal treten aber auch Magendarmbeschwerden auf. In vielen Fällen klingen die Symptome der Atemwege mit fortschreitendem Krankheitsverlauf wieder ab. Das Tückische an SARS-CoV2 ist aber, dass es über den ACE2-Rezeptor in die menschlichen Zellen eindringt. ACE2-Rezeptoren finden sich im ganzen Körper bei allen Organen, nicht nur in der Lunge. Während die Erkrankung also längst ausgestanden erscheint, persisiert SARS-CoV2 noch wochen- oder monatelang im Körper und kann ganz andere Symptome hervorrufen als man es von einer „klassischen“ Erkältung gewohnt ist. Daher wird Covid19 auch als Multisystemerkrankung bezeichnet, die vor allem mit Gefäßentzündungen einhergeht. Diese können Spätfolgen aller Art mit über 200 beschriebenen Symptomen hervorrufen („Long COVID“), manche bleiben chronisch („Post COVID-Syndrome“) bzw. gehen in MECFS über (Belastungsintoleranz), andere führen zu plötzlich auftretenden schweren Erkrankungen mit teilweise tödlichem Ausgang wie Herzinfarkte, Schlaganfälle oder Lungenembolien. Personen mit Risikofaktoren haben durch Covid19 auch ein erhöhtes Risiko für viele Spätfolgen, insbesondere mit wiederholten Infektionen. Bei „klassischen“ Erkältungsviren wirken sich regelmäßige Erkrankungen weit weniger folgenreich aus, bzw. heilen sie bei rechtzeitiger Behandlung und genügend Schonung meist folgenlos aus. Bei Covid19 kann hingegen auch „Pacing“ (genügend Schonung) nicht verhindern, z.B. Diabetes zu entwickeln.

Verursachen auch andere Viren Langzeitfolgen wie nach einer SARS-CoV2-Infektion?

Langzeitfolgen nach Viruserkrankungen gibt es nicht erst seit der Pandemie. Für Coronaviren allgemein sind sie schon lange bekannt (Robb and Bond 1979), einen kanadischen Zeitbericht zu MECFS gab es bereits 1989.

Die gute Nachricht: Impfungen verringern das Risiko für Alzheimer, Parkinson und andere Erkrankungen dieser Art (Lehrer and Rheinstein 2022).

Übertragung und Schutzmaßnahmen

Wie lange dauert, bis sich erste Symptome zeigen?

Der Klassiker. Man verabredet sich zum Essen. Einen Tag später testet sich der Freund positiv. Nun fragt man sich, ob man sich angesteckt hat und wenn ja, wie lange es dauert, bis erste Symptome kommen. Zu Beginn der Pandemie lag die Inkubationszeit bei 7-10 Tagen. Diese Zeit hat sich deutlich verkürzt. Mit Alpha lag sie im Schnitt bei 5 Tagen, bei Delta um 4,5 Tage und seit Omicron übernommen hat, bei 3,4 Tagen (Wu et al. 2022). Die unterschiedlichen Omicron-Stränge haben Inkubationszeiten von rund 3 Tagen oder etwas kürzer (Zeng et al. 2023, Galmiche et al. 2023, Ogata and Tanaka 2023) Ein Grund für die Verkürzung ist die steigende Immunität durch Impfungen und Infektionen. Dadurch erkennt das Immunsystem das Virus schneller und fährt früher die Immunabwehr hoch.

Sofern man nicht früher Symptome entwickelt, sollte man nach einer Exposition frühestens nach drei Tagen einen Schnelltest machen und bei einem negativen Test noch alle 48 Stunden weitertesten.

Es gibt ein Limit, wie kurz die Inkubationszeit werden kann. SARS-CoV2 dringt in menschliche Zellen ein und benutzt sie, um sich selbst zahlreich zu vervielfältigen. SARS-CoV2 besietzt ein langes Genom, dessen Kopiervorgang eine Weile dauert. Die Inkubationszeit wird daher wahrscheinlich nicht viel kürzer als sie bereits ist.

Warum ist es fatal, Lockdowns und generelle Schutzmaßnahmen zu vermischen?

Seit Beginn wird ständig zugespitzt und mit Strohmann-Szenarien um sich gewonnen. Statt zu fragen, ob wir wieder Lockdowns brauchen, hätte man fragen können, ob eine erneute Maskenpflicht sinnvoll ist, oder sich zu isolieren, oder Impfkampagnen wegen Booster etc. Viele Zuspitzungen operieren mit Verharmlosungen wie „Pandemie ist vorbei“ (nein, ist sie nicht, wenngleich wir die akute Anfangsphase hinter uns haben) und dass das Virus sich zu einer milderen Erkrankung entwickeln würde (nein). Solche Narrative tragen dazu bei, dass man an die schlimmste Zeit denkt, wo es gesellschaftsweite Kontaktbeschränkungen gegeben hat – was dann als Argument angeführt wird, nie wieder Maßnahmen gegen Covid einzuführen. Dabei handelt es sich um verschiedene Maßnahmen. Wir waschen uns die Hände, um bestimmte Magendarmviren zu vermeiden, und auch andere davor zu schützen. Jetzt in der chronischen Langzeitphase der Pandemie muss die Gesellschaft eine Linie ziehen, wie wir damit auf Dauer umgehen. Wir müssen aber die richtigen Lehren ziehen und die bestehen nicht daran, als Totschlagargument die strengen Lockdowns von 2020 anzuführen, die niemand mehr haben will.

Warum sollte ich auch für Ansteckungen auf kurze Distanz FFP2-Maske tragen?
Superspreading ist ohne kleinste Aerosole nicht erklärbar.

Es hält sich auch mehrere Jahre nach Pandemiebeginn verbreitet der Irrglauben, dass nur bei größeren Entfernungen in schlecht belüfteten Räumen Aerosole eine Rolle spielen und im Nahbereich große Tröpfchen dominieren würden, für die Stoff- oder OP-Masken ausreichend Schutz bieten sollen (Greenhalgh et al. 2021).

Tatsächlich wurde schon zu Pandemiebeginn gezeigt, dass große Tröpfchen weniger als 10% der Exposition ausmachen, wenn sie kleiner als 50μm sind und wenn die Personen mehr als 30cm Abstand halten, selbst wenn gehustet wird (Chen et al. 2020). Zudem wurde mehrfach nachgewiesen, dass feinere Tröpfchen (weniger/gleich 5μm) mehr Virenpartikel enthalten als grobe Tröpfchen (über 5μm). Der dominante Mechanismus dabei ist die Aerosolbildung durch Ein- und Ausatmen, nicht aber durch Husten, was größere Tröpfchen erzeugt (Lai et al. 2022, Tan et al. 2023).

Im Nahbereich konzentrieren sich die kleinsten Tröpfchen in Form einer Aerosolwolke. Je weiter entfernt von der Quelle, desto besser verdünnt sich die Wolke – die Distanz ist hier entscheidend, nicht die Größe der Tröpfchen. Daher schützen im Nahbereich ebenfalls dicht sitzende FFP2-Masken mit hoher Effizenz, nicht aber einfache OP-Masken, die de facto nie dicht getragen werden können, weil sie eine Einheitsgröße haben und durch Faltenbildung nicht eng anliegen (Duncan et al. 2021, Andrejko et al. 2022 ), noch deutlicher wird die Reduktion der Filtereffizienz gegenüber FFP2-Masken bei Bartwuchs (Prince et al. 2022).

Bitte nicht falsch verstehen: Es ist nicht so, dass OP-Masken gar nicht schützen würden, sie verringern die Einatemwolke bei der Person, die sich schützen will, und die Ausatemwolke bei der Person, die infiziert ist, verringern also die inhalierte Viruslast – dadurch gibt es weniger Ansteckungen und möglicherweise auch leichtere Akutverläufe, insbesondere wenn man sich regelmäßig seine Auffrischimpfung holt (Lind et al. 2023). FFP2-Masken hingegen verringern nochmal deutlich die Ansteckungsgefahr selbst (Dörr et al. 2022).

Ich halte das auch deswegen für wichtig, weil bei meiner Hausärztin für symptomatische Patienten, die ohne Maske die Praxis betreten, OP-Masken verteilt werden, die so dann längere Zeit im Wartezimmer sitzen und später den Behandlungsraum betreten. Sie gefährden damit alle anderen, die keine FFP2-Maske tragen.

Infektiösität, Immun Escape – was ist der Unterschied und warum ist das wichtig?

Im deutschsprachigen Raum reden wir im Alltag davon, wie ansteckend ein Virus ist. Dabei wird häufig nicht unterscheiden, ob die infizierte Person besonders viel Virus weitergibt oder die infizierbare Person besonders empfänglich für das Virus ist.

Neben anderen Faktoren, die eine Person besonders empfänglich machen, wie etwa ein geschwächtes Immunsystem durch angeborenen Immundefekt, Immunsuppressiva, eine kürzliche Viruserkrankung oder altersbedingtes Nachlassen der Leistungsfähigkeit des Immunsystems (Immunoseneszenz), spielt dabei auch eine Rolle, wie gut das Virus der erworbenen Immunität durch Infektion und/oder Impfung entkommen kann (Immun Escape).

Vor der Ankunft der SARS-CoV2-Impfstoffe waren weite Teile der Bevölkerung dank der Schutzmaßnahmen noch immun-naiv, hatten also noch keinen Kontakt zum Krankheitserreger. Das Virus hätte keinen „Vorteil“ davon gehabt, das Immunsystem besser zu umgehen, sondern ist infektiöser geworden, um die Immunnaiven schneller zu infizieren. Mit fortschreitender Pandemiedauer, als sich große Teile der Bevölkerung infiziert hatten, und gleichzeitig durch mehrfache Impfung Kontakt zum Krankheitserreger bekamen, sodass sich ein Immungedächtnis aufbauen konnte, entwickelte SARS-CoV2 zunehmend Immun-Escape-Eigenschaften, um der aufgebauten Immunantwort besser zu entkommen.

Um das zu veranschaulichen: Infektiösere Varianten fischen den vorhandenen Teich mit infizierbaren Fischen schneller leer. Immun-Escape-Varianten öffnet sich ein viel größerer Teich mit infizierbaren Fischen. Als z.B. Alpha kam, war der vorhandene Teich noch groß und es wurde einfach infektiöser und steckte mehr Leute in diesem Teich an. Bei JN.1 zuletzt war die Bevölkerungsimmunität durch zahlreiche Infektionswellen bereits sehr hoch, also hat es die Immun-Escape-Mutation L455S entwickelt, die auch der Immunität durch vorgangenene Infektionswellen und selbst durch die angepasste Impfung leichter entkommen kann. Damit steht ihr nun ein viel größerer Teich zur Verfügung.

Die Auswirkungen sind ähnlich: Infektions- bzw. Abwasserwerte steigen an, es entsteht eine Infektionswelle, dessen Höhe ohne Maßnahmen oder Verhaltensänderung davon bestimmt ist, wie schnell der Teich leergefischt wurde oder wann der Punkt erreicht ist, ab dem das Virus keine neuen Wirte mehr findet, weil die sozialen Netzwerke, die jeder hat, bereits durchseucht sind.

Mit der jetzigen „Impfung reicht“-Strategie werden sich auf unbestimmte Zeit immer neue Immun-Escape-Varianten bilden (Van Egeren et al. 2023), mit inakzeptabel hohen Peaks und steigender Krankheitslast durch Spätfolgen. Es braucht dauerhaft zusätzliche Maßnahmen, um diesen Prozess zu verlangsamen, denn die fitteren Mutationen werden wahrscheinlicher, je mehr Personen sich infizieren.

Das ist eine laienhaft sehr vereinfachte Darstellung, die aber veranschaulichen soll, dass wir Menschen durch unser tatenloses Zusehen diese evolutionären Prozesse beschleunigen (Tan et al. 2022, Meijers et al. 2023, Albright et al. 2023).

Mein Freund/Mitbewohner/Kind hatte Covid. Und ich nicht. Wie geht das?

Wie ist es möglich, dass mein Partner – oder Kind, Mitbewohner, einen positiven Coronatest hatte und ich mich nicht ansteckte, obwohl wir im gleichen Raum schliefen oder im gleichen Haushalt leben? Haben sie nicht tagelang infektiöse Partikel ausgeatmet, die ich eingeatmet habe?

Folgende Faktoren bedingen, dass man sich nicht zwingend anstecken muss:

  • Die infizierte Person ist nicht zwingend mehr ansteckend, bevor sie Symptome zeigt: Wenn man sich infiziert, dann dauert es eine Zeit, bis die ersten Symptome erscheinen (Inkubationszeit). In den ersten Pandemiejahren war das Hauptproblem, das man ansteckend sein konnte, bevor erste Symptome auftauchten (Arons et al. 2020). Mit fortschreitender Dauer der Pandemie hatte aber jeder von uns schon Kontakt mit dem Virus, entweder durch Impfung, Infektion oder beides. Das Immunsystem kann den Erreger nun rascher erkennen und reagiert mit Symptomen schon auf geringe Virusmengen bei Exposition – noch bevor wir ansteckend werden (Frediani et al. 2023). Hypothese: Prä- und asymptomatische Infektionen sollten damit seltener werden.
  • Es gibt ein Zeitfenster für Ansteckungen: Das ist von Person zu Person verschieden, von wenigen Tagen bis mehrere Wochen, speziell bei immunsupprimierten Menschen, die das Virus schwer wieder loswerden. Mit Glück hat der Mitbewohner ein kurzes Zeitfenster.
  • Menge an ausgeschiedenem Virus: Die meisten Menschen scheiden nur wenig Virus aus. Die Mehrheit der Infektionen wird durch eine kleine Zahl an Personen verursacht, den sogenannten Superspreadern (Wegehaupt et al. 2023). Manche Superspreader sind dafür genetisch begünstigt, etwa Männer mit starkem Übergewicht (Herbert et al. 2023), andere Superspreader haben das ideale soziale Umfeld, um viele Menschen anzustecken, etwa in einem Chor (Hamner et al. 2020) oder in einem Bus (Shen et al. 2020).
  • Menge an eingeatmeten Virus: Ein Pathogen einzuatmen ist nicht gleichzusetzen mit einer Infektion. „Die Dosis macht das Gift“. Daher kann es zu wenig sein, wenn man ohne Maske einen schnellen Einkauf macht oder in einer Kantine mit guter Belüftung sitzt und nur sehr wenig Virus einatmet. Entscheidend sind die Dauer der Exposition und die Konzentration des Erregers in den Aerosolen (Ferretti and Fraser 2023) für das Risiko, sich zu infizieren. Wer geimpft und/oder infiziert ist, und nur eine kleine Virusdosis abbekommt, kann eine Infektion eher verhindern als mit einer hohen Virusdosis (Lind et al. 2023).

Die Menge an eingeatmeten Virus lässt sich reduzieren, indem man eine FFP2-Maske trägt, mobile Luftreiniger benutzt, häufig lüftet. Die Menge an ausgeschiedenem Virus lässt sich ebenfalls reduzieren, indem die infizierte Person eine Maske trägt.

Nach einer Impfung und/oder Infektion kann das Immunsystem eine (erneute) Infektion ebenfalls abwehren. Je älter man wird, desto weniger effektiv gelingt dem Immunsystem dies. Und bei chronischen Grunderkrankungen noch weniger.

Natürlich kann es auch extrem unglücklich laufen, und man steckt sich mit Affenpocken über Staubpartikel auf einer Patientendecke an (Vaughan et al. 2018), doch geschieht sowas extrem selten. Für SARS-CoV2 gilt: Es ist hochansteckend, aber das bedeutet nicht, dass jeder, der damit in Kontakt kommt, sich zwingend anstecken muss (Grundlage für meinen Beitrag war dieser exzellente Artikel von Infektiologe Abraar Karan)

Virusvarianten

Funktionieren die Schnelltests auch bei den neuen Varianten?

Das Zentrum für Viruserkrankungen in Genf hat die Schnelltests (Antigentests) bei den „Pirola“-Varianten JN.1 und anderen getestet: Alle neuen Varianten werden weiterhin vom Schnelltest erkannt. Sichtbar ist die Bande bis zu einem Ct-Wert von 22-24. Wichtig ist vor allem, nicht nur in der Nase alleine, sondern auch im Rachen zu testen, weil das die Genauigkeit des Schnelltests erhöht (Goodall et al. 2022Zwart et al. 2022). Jeweils drei Tests im Abstand von 48 Stunden erkennen 94% der symptomatischen und 57% der asymptomatischen Fälle (Son et al. 2023). Die Viruslast hat sich mit wachsender Vertrautheit des Immunsystems mit dem Coronavirus um ein paar Tage nach hinten verschoben und wird jetzt am vierten Tag nach Symptombeginn erreicht (Frediani et al. 2023). Das unterstreicht, wie wichtig es ist, auch bei einem negativen Test ab Symptombeginn weiter zu testen, und zwar mindestens bis Tag 5, um eine Infektion mit SARS-CoV2 auszuschließen. Ein PCR-Test ist im Zweifelsfall die zuverlässigere Möglichkeit.

Es gibt ständig neue Virusvarianten, verändern sich auch die Symptome?

Seit Pandemiebeginn verändert sich das Virus ständig, es gibt neue Mutationen, durch manche bekommt das Virus einen Wachstumsvorteil und kann sich besser gegen bestehende Varianten durchsetzen.

Entgegen anderslautender Nachrichtenmeldungen vornehmlich von Boulevardzeitungen hat sich an den Kernsymptomen einer Covid19-Erkrankung nichts geändert. Die Leitsymptome haben sich nur mit BA.1 kurzzeitig geändert (Brandal et al. 2021), sonst bleiben sie ähnlich wie beim Wildtyp (Rabady et al. 2021): Fieber, trockener Husten, Geruchs- und Geschmacksverlust (Lechien et al. 2020), Halsschmerzen, Muskelschmerzen, Schnupfen und ausgeprägte Erschöpfungsmüdigkeit (Fatigue) sind geblieben, aber auch Magen-Darm-Symptome oder Bindehautentzündungen (Chen et al. 2020) treten immer wieder auf. Bei Kindern kommt es häufiger zu Magen-Darm-Symptomen, anhaltenden Brustschmerzen, Dehydrierung oder Atemnot.

Diese unspezifischen Anfangssymptome lassen Covid schwer von gewöhnlichen Atemwegsinfekten oder einer Magen-Darm-Infektion unterscheiden und tragen zur hohen Grundinfektionsrate bei. Über den Riechnerv gelangt das Virus allerdings ins zentrale Nervensystem (Morbini et al. 2020) und sorgt für kognitive Kurz- und Langzeitfolgen bis hin zur Demenz. Es gibt auch für JN.1 keine Anzeichen, dass sich die Symptomatik geändert hat – das zeigen z.B. Daten aus den Niederlanden, die den Anteil der Symptome kontinuierlich erfassen. Zwar ändern sich die relative Anteile, aber respiratorische Symptome bleiben an der Spitze.

Details

Wie viele Mutationen braucht es, damit eine neue Virusvariante dominant wird?

Ok, das ist eine Frage für Nerds wie mich. Mitte August 2023 wurde BA.2.86 erstmals sequenziert. Innerhalb von einer Woche tauchten mehrere Sequenzen der neuen Variante auf mehreren Kontinenten auf. BA.2.86 breitete sich aber trotz 24 Spike-Mutationen gegenüber der damals dominanten EG.5.1-Variante nur sehr langsam aus. Denn es hatte einen entscheidenden Nachteil: Es war anfällig auf eine bestimmte Klasse von Antikörpern auf dem Spike-Protein, die von bisherigen Impfstoffen/vorhergehende Infektionen neutralisiert werden konnten. Diese Schwäche entstand vermutlich deswegen, weil die chronisch immungeschwächte Person, in der BA.2.86 entstand, eine schwache Immunantwort auf diese Antikörper-Klasse ausgebildet hat.

JN.1 entstand durch eine weitere Mutation: L455S. Diese umging auch die besagte Antikörper-Klasse und öffnete damit einen neuen Pool an infizierbaren Personen. Daher hob JN.1. innerhalb weniger Wochen ab und wurde dann innerhalb von zweieinhalb Monaten weltweit dominant. Etwas ähnliches passierte damals bei den XBB-Varianten, die zwar sehr immunflüchtig waren, aber eine schlechte ACE2-Bindung. Die Spike-Mutation S486P erhöhte die Bindung enorm und damit die Übertragungsfähigkeit der XBB-Varianten. Die meisten Varianten haben aber diese eine offensichtliche Schwäche nicht und eine einzelne Mutation reicht nicht, um einen großen Wachstumsvorteil zu erzielen. Es braucht dann mehrere Mutationen, und das geschieht meistens im Verlauf von chronischen Infektionen in einem einzigen Wirt.

Mythen

Braucht man Infektionen, um sein Immunsystem zu trainieren?

Kurze Antwort: Nein, weil das Immunsystem kein Muskel ist und täglich von Abermillionen Mikroben umgeben ist, die es in Schuss halten. Bereits ab dem zweiten Lockdown light haben sich viele Menschen wieder privat getroffen und zwar auf Covid getestet, aber alle anderen Viren und Bakterien wieder übertragen. Der „Immunity Gap“ sollte längst geschlossen sein und kann Häufungen von viralen und bakteriellen Infektionen schon ab Winter 2022/2023 nicht mehr erklären.

„Immunschuld“ gab es vor 2021 als Terminus nicht. Er bezieht sich auf ein bekanntes und offensichtlich bevölkerungsbezogenes Phänomen, dass nach einer Phase mit wenig Infektionen/Auffrischimpfungen mehr Personen empfänglich für ein Virus sind. Problem: Es wird immer dann benutzt, wenn man die Lockdowns vor drei Jahren als Ursache für jede Infektionswelle hernehmen will – eine „Just-so story“, die die Erforschung anderer Ursachen im Keim erstickt. Immunschuld geht über die „Hygiene-Hypothese“ und wird vor allem bei Kindern angewendet. Es ist aber auch für Kinder schädlich, regelmäßig Pathogenen ausgesetzt zu sein.

„Immundysfunktion“ wird zu oft von den Randpositionen gebraucht. Nein, es spricht nichts gegen eine temporäre Immunschwäche, nur weil nicht *alle krank werden*.

Warum bin ich so oft krank, nachdem ich mich verkühlt habe?

Das ist eine Henne-Ei-Frage. Die Begriffe Erkältung oder Verkühlung sollte man spätestens seit der Pandemie auch aus dem Alltagssprachgebrauch verbannen, denn er suggeriert eine falsche Ursache und verhindert die notwendigen Maßnahmen.

„ich bin im Regen mit dem Rad gefahren, deshalb jetzt krank.“

„Das war die kalte Klimaanlage im Büro“

„Die Zugluft beim Autofahren.“

Die viralen Infekte, die gemeinhin als „Erkältung“ bezeichnet werden, kommen nicht davon, dass man gefroren hat, sondern von Viren, die von anderen Menschen ausgeatmet werden. Frieren ist hingegen oft das erste Anzeichen eines beginnenden viralen Infekts.

Ebenso falsch ist damit auch die Behauptung, dass nur die Grippe von Viren kommen würde, Verkühlungen hingegen von der Kälte. Inzwischen weiß auch ich, dass es neben Influenza noch zahlreiche weitere Viruserkrankungen gibt, die mit grippeähnlichen Symptomen einhergehen können, wie Rhinovirus, RSV oder die gewöhnlichen Coronaviren (z.B. hCoV-OC43), daneben sorgen Adenoviren, Parainfluenzaviren, Enteroviren oder Metapneumoviren ebenfalls für Symptome der oberen und unteren Atemwege.

Völlig nebensächlich ist die Exposition zu kalter Luft aber nicht, denn sie beeinträchtigt die Funktion der Nasenschleimhaut zur Immunabwehr (Huang et al. 2022). Seit der SARS-CoV2-Pandemie wissen wir aber, wie wir diese Schwächung der Immunabwehr effektiv verhindern können: Durch das Tragen von FFP2-Masken, die die Nase warm halten. Und das ist auch der springende Punkt in der Ursachensuche: Die Infektion ist nicht durch Kälte besiegelt, sondern die Übertragung der Viren kann durch Infektionsschutz minimiert werden.

Vergleiche mit Influenzagrippe

Warum kann man SARS-CoV2 nicht wie die Grippe behandeln?

Bereits seit Ankunft der Impfung gab es erste Wortmeldungen, dass man die SARS-CoV2-Erkrankung dann wie die Influenzagrippe behandeln können würde. Diese ist in Österreich ebenfalls nicht meldepflichtig. Der Vergleich hinkt aber aus mehreren Gründen:

SARS-CoV2 ist schlechter diagnostizierbar als Influenza

SARS-CoV2 erreicht die höchste Viruslast mit den Omicron-Varianten erst am vierten Tag nach Symptombeginn, Influenza hingegen unmittelbar nach Symptombeginn (Frediani et al. 09/2023). Das führt dazu, dass Antigentests in den ersten Tagen nach Symptombeginn häufig noch falschnegativ sind und eine falsche Sicherheit vermitteln.

SARS-CoV2 hat eine längere Inkubationszeit als Influenza

Influenza A und B weisen im Durchschnitt lediglich eine Inkubationszeit von 1-2 Tagen auf, also von Ansteckung bis zu den ersten Symptomen (Lessler et al. 2009). Dadurch bleiben betroffene Patienten häufig schon zuhause, wenn sie am ansteckendsten sind, weshalb sich Influenza weniger gut verbreiten kann als SARS-CoV2, dessen Inkubationszeit derzeit bei rund 2-4 Tagen liegt. (Park et al. 2022, Xu et al. 2023) – ein wesentlicher Faktor bleibt damit die präsymptomatische (Xu et al. 09/2023), aber auch asymptomatische Übertragung (Sah et al. 2023)

SARS-CoV2 mutiert deutlich häufiger als Influenza

Derzeit häuft SARS-CoV2 beträchlich schneller Mutationen mit Aminosäure-Substitutionen an als andere endemische Viren, etwa 6-10fach schneller als andere Coronaviren und 2,5-9fach schneller als Influenza (Kistler and Bedford 10/2023). Durch die vielen Mutationen hat das Immunsystem schon nach kurzer Zeit Probleme, eine neue Virusvariante zu erkennen, während das bei Influenza lediglich in einem Abstand von einem Jahr geschieht.

Daher reicht auch eine einmalig angepasste Impfung pro Jahr nicht aus, um auf sich aufbauende Wellen zu reagieren. Bis Delta reichte noch die Wildtyp-Impfung, seit Omicron hinken wir der Variantenbildung hinterher. Als die BA.1-Impfung zugelassen wurde, zirkulierte BA.1 nicht mehr. Als die BA.5-Impfung möglich war, bildeten sich gerade neue Variantenstämme. Als die XBB.1.5-Impfung zugelassen wurde, setzte sich gerade EG.5.1 durch.

Krammer and Ellebedy (10/2023) argumentieren gegen das jährliche „Influenzamodell“, ebenso sind Schleimhautimpfstoffe dringend gegen Covid19 benötigt, aufgrund weiterer Entwicklung von Virusmutationen.

SARS-CoV2 sorgt für schwerere Akutverläufe als Influenza – auch bei Kindern

Vor allem bei Kleinkindern (unter 5 Jahren) ist im Gegensatz zu älteren Kindern die Zahl der schweren Verläufe mit Sauerstoffbeatmung im Verlauf der Pandemie nicht gesunken (Zhu et al. 2023), das zeigt sich in der EG.5.1.-Welle im Herbst 2023 auch in den Patientenaufnahmedaten des SARI-Dashboards. Entscheidend ist hier vor allem, dass diese Altersgruppe in der Mehrzahl der Fälle ungeimpft ist. In den USA zählt Covid19 zu den führenden Todesursachen bei Kindern und Jugendlichen unter 19 Jahre (Flaxman et al. 2022, Flaxman et al. 2023).

Bei Nierentransplantierten hatten Covid-Patienten im ersten Pandemiejahr mehr schwere Verläufe als mit Influenza und ein viel höheres Sterblichkeitsrisiko (Nai et al. 2024)

Bereits mit dem Wildtyp lag die Infektionssterblichkeitsrate bei SARS-CoV2 3x über der von Influenza (MacKenzie et al. 2022) , aber auch mit Omicron ist wird wiederholt eine höhere Mortalitätsrate nachgewiesen (Portmann et al. 2023, Xie et al. 2023), derzeit geht man von einer 4-5x so hohen Sterblichkeit aus (Goldstein 2023, Kopel et al. 2023). Auch in der JN.1-Winterwelle 2023/2024 waren Hospitalisierungsrate und Sterblichkeit bei SARS-CoV2 höher als bei Influenza (Xie et al. 2024).

SARS-CoV2 sorgt für eine höhere Krankheitslast durch LongCOVID im Vergleich zu LongInfluenza.

Spätfolgen sind auch bei Influenza bekannt und bei hospitalisierten Patienten ähnlich häufig, allerdings sind die Auswirkungen auf das Gesundheitssystems durch LongCOVID beträchtlich höher (Fung et al. 2023), explizit nachgewiesen auch für Folgen durch Schlaganfälle (Zarifkar et al. 2022) und neu auftretender Hypertonie (Zhang et al. 2023). Diabetes als Folge einer Viruserkrankung ist bei beiden Viren bekannt, allerdings nehmen die Fälle mit dem ganzjährlich zirkulierenden SARS-CoV2-Varianten schneller zu als mit Influenza (abgeleitet aus Zhang et al. 2022). SARS-CoV2 verursacht mehr Organschäden als Influenza, ausgenommen in der Lunge (Xie et al. 2023).

Beunruhigend sind auch pathogene Veränderungen selbst nach asymptomatischen oder leichten Verläufen bei Kindern, darunter ..

Kinder werden nach wie vor schutzlos zahlreichen Reinfektionen ausgesetzt und die wenigsten (unter 10%) erhalten eine Erst- oder Auffrischimpfung.

Bei SARS-CoV2 gibt es ein 54fach höheres Risiko einer Lymphopenie (Dabaja-Younis et al. 2022).

Daten aus Deutschland zeigen eine klare auf wenige Monate oder mehreren Wochen im Winter beschränkte Spitze bei den Influenza-Erkrankungen, während SARS-CoV2 ganzjährig in mehreren Wellen zirkuliert. Zudem ist auch die Infektionsrate in den Talsohlen bei SARS-CoV2 wesentlich höher als bei Influenza, wo über Monate abgesehen von einzelnen Reiserückkehrern aus der Südhalbkugel keine Influenzafälle auftreten.




Wie hätte es vor 2020 ausgesehen, wenn man SARS-CoV2 wie Influenza behandelt hätte?

Es gab bereits einen Influenza-Pandemieplan, der Kontaktbeschränkungen sowie Schulschließungen vorgesehen hatte. Unmittelbar vor Pandemieausbruch wurde dieser Plan auch angewendet – nämlich in der schweren Grippewelle 2019/20.

Im Innsbrucker Land wurden einzelne Volksschulen geschlossen. Begründet hat man das so:

Die Gesundheit hat stets oberste Priorität. Deshalb haben wir uns zu dieser Maßnahme entschlossen.”

“Da Kinder seltener gegen Influenza geimpft sind, können sich die Viren rascher verbreiten und vor allem in Gemeinschaftseinrichtungen und innerhalb der Familie – bei nicht-geimpften Personen – zu weiteren Ansteckungen führen.”

Vorbeugung besser als Nachsorge.”

Untenstehende Angaben stammten aus dem zuletzt gültigen Pandemieplan, leider wurde der Link zum Dokument ersatzlos entfernt – eine bei österreichischen Behörden übliche Vorgehensweise. Weiterleitungen oder Hinweise sind hierzulande unbekannt.

Auf Basis des Epidemiegesetzes kann bereits eine Quarantänisierung von infizierten Personen, die Durchführung von Schutzmaßnahmen bei Gesundheitspersonal oder sonstigen bestimmten gefährdeten Personen (Impfungen, Chemoprophylaxe), Maßnahmen gegen das Zusammenströmen größerer Menschenmengen, Verkehrsbeschränkungen, der Einsatz von speziellen “Epidemieärzten und -innen” sowie die Schließung von Schulen und Kindergärten oder anderen Gemeinschaftseinrichtungen veranlasst werden.

Die Information soll vor allem die Fakten über die Bedeutung der Krankheit, Angaben zur Verbreitung des Virus und das Ausmaß der Epidemie enthalten […]

Der Influenzapandemieplan wurde inzwischen überarbeitet – im aktualisierten Plan sind Maskenpflicht und Schulschließungen nicht mehr vorgesehen: Ein klarer Rückschritt.

Bei der Influenza hat man interessanterweise nie in Frage gestellt, dass Kinder infiziert werden und das Virus weitergeben können. Was bei Influenza gilt, wird bei Covid19 klar missachtet – weder erfährt die Bevölkerung die Fakten über die Bedeutung der Krankheit [LongCOVID], Angaben zur Verbreitung des Virus [Covid is Airborne] noch über das Ausmaß der Epidemie [Kindergärten und Schulen bzw. über “Haushalt” hinausgehende Ansteckungsquellen]

Fazit: Egal ob meldepflichtig oder nicht – man darf eine gefährliche Viruserkrankung nicht ignorieren. Es ist völlig unverständlich, weshalb FSME und Läuse meldepflichtig sind, nicht aber SARS-CoV2.

Allgemeine Themen

Warum heißt die Erkrankung überhaupt Covid19 und nicht SARS wie bei SARS-CoV?

Das 1986 HIV genannte Virus löst AIDS aus, eine Immunschwäche. 1986 wurde ein milderer HIV-Stamm entdeckt, das genetisch zu 50% identisch mit HIV war. Es wurde HIV-2 genannt, aber die Krankheit hieß unverändert AIDS.

Das 2019 entdeckte SARS-CoV2-Virus ist sogar zu 79% identisch mit SARS-CoV und die resultierende Erkrankung hätte ebenfalls SARS genannt werden müssen. Denn zu SARS gab es bereits wissenschaftliche Daten zu Übertragungswegen (airborne) und Langzeitfolgen wie LongCOVID. Der Arzt aus Wuhan, Li Wenliang, hatte es korrekt bezeichnet: „7 confirmed cases of SARS were reported … The latest news is, it has been confirmed that they are coronavirus infections, but the exact virus strain is being subtyped“ (mehr dazu in der Chronik zum Versagen in Wuhan).

Die WHO wollte SARS-CoV2 im WHO-China Joint Mission Report (28.02.20) nicht verwenden. Das geht aus einem E-Mail-Verkehr am 22.02.20 zwischen der Technischen Leiterin der MERS-CoV-Abteilung, Markie van Kerkhove, und dem Senior Advisor des WHO-Direktors, Bruce Aylward, hervor. Als Begründung wurde die Geschichte Chinas mit der SARS-Pandemie angeführt. Alyward wollte nicht SARS-CoV2 verwenden, Kerkhove blieb bei COVID-19-Virus. Zuvor hatten sich bereits chinesische Wissenschaftler gegen SARS-CoV2 ausgesprochen (Jiang et al. 2020). In dem Joint-Report wurde Aerosol-Übertragung bei SARS-CoV2 negiert.

Auf der WHO-Website wurde später ausgeführt: „using the name SARS can have unintended consequences in terms of creating unnecessary fear for some populations, especially in Asia which was worst affected by the SARS outbreak in 2003.“

Die WHO vermied SARS-CoV2 und sprach weiter vom „COVID-19-Virus“, eine redundante Bezeichnung, weil das VI bereits für Virus steht (coronavirus disease virus). Mit COVID-19 starteten wir bei Null – ein „neuartiges“ Virus, über das wir angeblich nichts wussten, weder Übertragung noch Folgen für Gefäße und Langzeitschäden. Dabei hätte man aus SARS und Coronaviren generell viel ableiten können und bessere Prävention betreiben als Monate damit zu vergeuden, ob und welche Masken schützen.

Was ist der Unterschied zwischen Internationalem Gesundheitsnotstand und Pandemie?

Eine Pandemie ist nicht durch die Schwere einer Erkrankung definiert, sondern durch die Verbreitung. Viele epidemische Wellen gleichzeitig weltweit bedeuten, dass wir uns weiterhin in einer Pandemie befinden. Die WHO hat das mehrfach bestätigt, auch am 05. Mai 2023, als der Internationale Gesundheitsnotstand (PHEIC, public health emergency of international concern) beendet wurde, nicht aber die Pandemie . Offiziell kann die WHO die Pandemie weder ausrufen noch beenden – der epidemiologische Zustand ergibt sich aus den aktuellen Entwicklungen. Der PHEIC ist eine formale Erklärung der WHO, die koordinierte Anstrengungen der Mitgliedsstaaten auf internationaler Ebene veranlassen soll. Das Ende des PHEIC heißt nicht, dass die internationale Gefährdungslage durch SARS-CoV2 vorbei ist. In der Wissenschaftscommunity herrschten geteilte Meinungen zum PHEIC-Ende, wie den offiziellen Stellungnahmen zu entnehmen ist. Das Ende spiegele lediglich die politische Realität wieder. Ein endemischer Zustand von SARS-CoV2 mit der aktuellen Häufigkeit und Mutationsrate ist nicht erstrebenswert, denn im Gegensatz zu Influenza oder RSV zirkuliert SARS-CoV2 ganzjährig in epidemischen Wellen – mit einmaliger Impfung pro Jahr ist es nicht getan. Auch Malaria ist in manchen Ländern endemisch, deswegen kann man dort auch nicht auf Moskitonetze verzichten.

“The worst thing any country could do now is to use this news as a reason to let down its guard, to dismantle the systems it has built, or to send the message to its people that covid-19 is nothing to worry about.”

Jacqui Wise 2023
Warum können wir mit SARS-CoV2 nicht leben wie mit anderen pathogenen Viren und Bakterien seit Jahrtausenden von Jahren?

Zwei Aspekte spielen hier eine wesentliche Rolle: Die Anzahl der Wirte und die Mobilität der Wirte:

Unsere Lebensweise ist relativ neu aus erdgeschichtlicher Sicht:

  • in engem Kontakt mit domestizierten Nutztieren
  • Eindringen in Wildtierhabitate in großer Zahl
  • Leben mit hoher Bevölkerungsdichte
  • Kontakt mit einer Vielzahl anderer Haushalte und ständiger Vermischung
  • hohes Lebensalter
  • Die meiste Zeit verbringen wir in Innenräumen
  • Reisen um die ganze Welt

Die Weltbevölkerung ist im Laufe der letzten Jahrzehnten ständig gewachsen. Mehr befallene Wirte ergeben auch mehr Gelegenheiten für gefährliche Mutationen. Gleichzeitig hat der Reiseverkehr seit Ende des Zweiten Weltkriegs stetig zugenommen. Damit verbreiten sich neue Varianten sehr schnell in alle Erdteile, möglicherweise auch in Regionen, wo gegen diese spezielle Variante wenig Immunität entgegengesetzt werden kann. Wir sind keine Fledermäuse – es gibt einen Grund, weshalb sie die Hauptquelle für zoonotische Viren sind: Sie leben mit den Viren, weil ihr Immunsystem regelmäßige Infektionen toleriert, weil sie sich unter diesen Bedingungen entwickelt haben (Banerjee et al. 2020, Irving et al. 2021). Viren haben keine Strategie, ihre Fitness hängt von der aktuellen Umgebung ab, nicht von der Zukunft. Viren werden mit der Zeit nicht milder, siehe Masern, Influenza, RSV, MERS.

Ist das SARS-CoV2-Virus jetzt endlich saisonal?

Nein. Die XBB-Varianten sorgten global für Wellen, insbesondere JN.1 sorgt im Spätherbst und Winter 2023/2024 für große Wellen auf beiden Hemisphären der Erde, auch im Süden, wo derzeit Hochsommer herrscht. Die Wellen werden vor allem von abnehmender Immunität und neuen Escape-Varianten getrieben. Weniger ansteckende Viren wie RSV oder Influenza sind viel stärker vom Wetter beeinflusst und wahrscheinlich daher saisonal geprägt. Zudem mutieren sie seltener.

Ist die Pandemie für junge Menschen vorbei?

Junge gesunde Menschen interagieren mit Menschen, die ein erhöhtes Risiko für schwere Verläufe und LongCOVID aufweisen, und sollten mehr Respekt zeigen.

Wann ist die Pandemie vorbei?

Das hängt von der leider nicht universell gültigen Definition ab. Eine Einschätzung, wann eine Pandemie in eine Endemie übergeht, kann man nur rückblickend treffen. Manche Infektiologen sehen jetzt nicht mehr die verbreiteten Einschränkungen durch das Virus, einerseits durch die gewachsene Bevölkerungsimmunität, andererseits durch Medikamente wie Paxlovid. Demzufolge sei es keine Pandemie mehr, aber das macht einen endemischen Zustand nicht weniger gefährlich, siehe Malaria. Manche Epidemiologinnen sehen die globalen Erkrankungs- und Todeszahlen, die sich 2023 nur wenig von 2022 unterschieden haben. Die Frage ist, welche Krankheitslast wir bereit sind zu akzeptieren, dann würde man nicht mehr von einer Pandemie sprechen. Die WHO hält das derzeitige Virusgeschehen für inakzeptabel hoch, weshalb sie weiterhin von einer Pandemie sprechen. Manche Virologen sehen den Übergang bereits dann, wenn eine Infektionskrankheit nicht mehr unerwarteten Druck auf die Gesundheitssysteme auslöst und nicht mehr neu ist. Aber wenn man den postpandemischen Zustand so behandelt wie andere respiratorische Erkrankungen, dann würde es heißen: „I think that people should act the same way they act when trying not to spread flu or other respiratory diseases.“ If you are really sick, stay away from others. If you know you are sick but not highly symptomatic, distance and masking are polite and helpful. If you know you are going to be around strongly immunocompromised people, being extra careful is a kind thing to do.“ (The Brink, Pioneering Research from Boston University 04.03.24)

Pandemien können medizinisch oder sozial enden. „Das medizinische Ende tritt ein, wenn die Zahl der Erkrankten stark zurückgeht […]. Das soziale Ende ist eine bewusste Entscheidung und findet vor allem in den Köpfen der Menschen statt.“ Pandemien enden aber nicht für alle Menschen zum gleichen Zeitpunkt – sowohl innerhalb einer Gesellschaft als auch in verschiedenen Regionen und Ländern. „Verschiedene Gruppen erleben nicht nur die sozialen, wirtschaftlichen und politischen Auswirkungen einer Krankheit auf unterschiedliche Weise, sondern sind auch ganz anderen Kräften und Bedingungen ausgesetzt, insbesondere im Laufe der Zeit.“ (So enden Pandemien, Quarks, 23.09.21, Charters and Heitman 2021)