“Droplets on surfaces is very convenient for people in power – all of the responsibility is on the individual. On the other hand, if you admit it is airborne, institutions, governments and companies have to do something.” (Jose-Luis Jimenez, Aerosol-Experte)
“So when we talk we make lots of invisible spit-balls that float in the air? And that’s how COVID gets around? It floats around in invisible spit-ball spaceships?” (8jährige, 2020)
“Personal responsibility” is a fiction when it comes to this virus because—very simply—you don’t have personal air. (@RadCentrism, Twitter)
Wie wird SARS-CoV2 übertragen?
SARS-CoV2 wird vorwiegend über winzige Tröpfchen (Aerosole) übertragen, die sowohl auf kurze (unter 2m) als auch über größere Distanzen (mehrere Meter) für mehrere Stunden in der Luft schweben können und sich in schlecht belüfteten Räumen bzw. bei Menschenansammlungen akkumulieren.
Von den inhalierten Aerosolen werden jene in der Größenordnung von 0,3μm (typische Größe für Rauchaerosole) am wenigsten inhaliert, sie werden teilweise wieder ausgeatmet. Größere Aerosole kollidieren teilweise mit den Nasen- und Rachenwänden, Aerosole nahe 100μm folgen dem Luftstrom um Nasen und Mund noch weniger und sinken schneller zu Boden. Sehr kleine Aerosole verhalten sich sehr diffusiv (hohe Brown’sche Molekularbewegung) und verlieren sich daher recht schnell in der Kopfregion. Aerosole, die kleiner als 10μm sind, können bis tief in den Atemwegstrakt gelangen, aber sich bereits am Weg dorthin überall absetzen und Rezeptoren erreichen.
Merke: Die Grenze zwischen Tröpfchen und Aerosole liegt nicht bei 5μm wie vielfach behauptet (Randall et al 2021), sondern bei etwa 100μm. Alles darunter kann als Aerosol inhaliert werden. Die einzigen ballistischen Tropfen, die durch ihre Trägheit andere beim Sprechen in 0,5-1m Abstand erreichen können, sind Partikel über 300μm Größe. In einem breiten Bereich von 100-300μm können weder Aerosole noch ballistische Tröpfchen andere infizieren.
Infizierte Personen exhalieren nicht nur Virenpartikel, sondern auch Virusfragmente und Virusreplikationen (aktives Virus, das sich repliziert). In der Anfangsphase sind es vollständige Viruspartikel, in der Endphase der Infektion Virusteile (Jin et al. 2024 preprint).
Größere Tröpfchen sind als Infektionsroute vernachlässigbar!
Größere Tröpfchen enthalten kaum infektiöse Viren, sondern fast ausschließlich die kleinsten Aerosole (Coleman et al. 2022). Seit OMICRON-Varianten werden mehr und länger Viren ausgeatmet (Lai et al. 2022, Tan et al. 2023). Große Tröpfchen spielen nur dann eine Rolle, wenn man sich während eines Gesprächs 20cm von der infizierten Person entfernt befindet oder 50cm, während gehustet wird. Große Tröpfchen tragen zu weniger als 10% Exposition bei, wenn die Tröpfchen kleiner als 50μm sind und der Abstand 30cm beträgt. Größere Tröpfchen sind als Infektionsroute daher vernachlässigbar und OP-Masken nur begrenzt effektiv. (Chen et al. 2020).
Besonders viele ACE2-Rezeptoren befinden sich in der Nase (exprimieren 200-700x intensiver als in den Atemwegen der Lunge), weshalb Nasensprays grundsätzlich sinnvoll sind, sofern Wirksamkeit bewiesen (Chen et al. 2020)
Eine der gefährlichsten Keimschleudern sind öffentliche Toiletten – unbedingt Deckel runterklappen vor dem Spülen (Crimaldi et al. 2022), da das Virus sonst aerolisiert wird („fecal shedding“). Unbedingt Maske tragen und danach gründliche Desinfektion.
Welche Aktivitäten erzeugen Aerosole?
Schon vor der Pandemie wusste man, dass Aerosole bei lautem Sprechen verstärkt ausgestoßen werden (Asadi et al., 2019). Dazu kommen Erkenntnisse wie, dass Sprechen beschleunigte Aerosolemissionen verursachen kann (Abkarian et al. 2020). Singen und Schreien emittiert wesentlich mehr Aerosole als Sprechen oder Atmen (Alsved et al. 2022). Nach Husten wurden infektiöse Aerosole detektiert (De Sousa et al. 2024).
CO2 und Aerosole korrelieren stark, solange niemand spricht. Sprechen, Singen, hohe Lautstärke und Aktiviäten erzeugen weit mehr Aerosole als CO2 (Moseley et al. 2024)
Tröpfchen und Schmierinfektion
Für Tröpfchen- und Schmierinfektion gibt es keine direkten Belege. Das Risiko, sich über kontaminierte Oberflächen zu infizieren, wurde anfangs übertrieben (Goldman 2020).
Schmierinfektion spielt nur eine geringe Rolle: Mondelli et al. 2020, Port et al. 2020, Zhang et al. 2021, Rocha et al. 2021, Butot et al. 2022, Zhang et al. 2022, Pan et al. 2023, Sammartino et al. 2023, Matsui et al. 2024, Lin et al. 2024).
Auf Mobiltelefonen befindet sich meist kein infektiöses Virus (Lai et al. 2022, Olsen et al. 2024).
Abgepacktes Essen spielt auch nur eine untergeordnete Rolle (Butot et al. 2022).
Entgegen mancher Befürchtungen gibt es bisher keinen klaren Hinweis auf eine Übertragung über die Augen (Gregersen et al. 2022). Eine frühe Meta-Analyse ergab weniger Infektionen mit Augenschutz, allerdings mit niedriger Qualität der betrachteten Studien (Chu et al. 2020) und keine direkten Hinweise bei Covid19. Manche Anekdoten legen diesen Weg nahe, weil die betreffende Person “durchgehend” Maske getragen habe, aber die wahrscheinlichste Erklärung bleibt immer der mangelnde Dichtsitz der Maske bzw. eine Ansteckung dann, wenn man die Maske abgesetzt hat, weil man die Situation nicht als riskant wahrgenommen hat.
Es gibt ein Denkansatz, weshalb Brillengläser helfen könnten: Weil man die Maske dann so anpasst, dass die Brillengläser nicht mehr beschlagen und die Maske besser schützt. Ohne Maskennutzung sinkt auch der Nutzen einer Brille.
Augensymptome wie Bindehautentzündungen sind in Verbindung mit Covid19 jedenfalls häufig und kein Hinweis auf die Übertragungsroute.
Die von ECDC und WHO bis heute empfohlene Husten-Nies-Etiquette („Hand vor den Mund“, „in die Armbeuge niesen“) hat keine Evidenz für Wirksamkeit, weil kleinste Tröpfchen in der Gesamtheit überwiegen und nicht blockiert werden (Zayas et al. 2013).
Die Dosis ist entscheidend
Für eine Infektion braucht es nach Martin and Koelle (2021) nur 1-3 Virenpartikel, mehr zum „Flaschenhals der Infektion“ bei Sinclair et 2024. Generell gilt: Die Dosis macht das Gift! Je länger man Viruspartikeln ausgesetzt ist, desto höher die inhalierte Virusmenge und desto wahrscheinlicher ein nicht so milder Anfangsverlauf (Port et al. 2021, Dabisch et al. 2021, van Damme 2021).
Im Nahbereich zur Quelle (= infizierte Person) ist die Ansteckungsgefahr immer am größten, weil die Dichte virusbeladener Aerosole am höchsten ist. Je weiter von der Person entfernt, desto geringer die Ansteckungsgefahr. Wenn man sich längere Zeit draußen im Luftzug stehend aufhält (Mingyu et al. 2023) oder in einem unbelüfteten Raum, wo sich virusbeladene Aerosole ansammeln können, dann kann man sich auch weiter entfernt von der Quelle anstecken (Duval et al. 2022) – selbst wenn die infizierte Person den Raum seit fünf Stunden schon verlassen hat (Charness et al. 2024).
Beim Menschen nachgewiesen haben das Lind et al. (2023) nach Impfung und Infektion. Bei niedriger Virusexposition schützen vorhergehende Infektion und/oder Impfung gegen eine Ansteckung. Bei hoher Virusexposition (z.b. Superspreader, Nähe zur infizierten Person, viele infizierte in einem schlecht belüfteten Raum) überwindet das Virus den aufgebauten Immunitätswall.
Das Risiko einer Ansteckung erreicht innerhalb von fünf Sekunden nach dem Passieren einer infizierten Person ihren Höhepunkt. Das Risiko lässt sich demnach verringern, wenn man beim Vorbeigehen die Richtung auf die dem Wind abgewandte Seite ändert, die Luft anhält und einen Abstand von mindestens einem Meter einhält (Asai et al. 2023), es reicht ein kurzer Aufenthalt von 6-37 Minuten in einem Raum gemeinsam mit einer infizierten Person, um sich anzustecken (Alsved et al. 2023).
In den ersten acht Tagen nach Symptombeginn atmen infizierte Personen bis zu 1000 Viruskopien pro Minute aus, danach fällt die ausgeatmete Virusmenge stark ab auf 2 Viruskopien pro Minute. Die ausgeatmete Virusmenge ist unabhängig vom Impfstatus und der Virusvariante – und auch bei mild-symptomatischen Patienten hoch (Lane et al. 2023, preprint).
Kohlendioxid beeinflusst direkt die Virusstabilität des Aerosols
CO2 ist nicht nur Proxy für die Luftqualität, sondern beeinflusst direkt die Aerosol-Übertragung
Untersuchungen haben ergeben, dass 90% der anfänglichen Viruslast in der Luft nach 20 Minuten inaktiviert wird (Oswin et al. 2022). Für die Stabilität der Aerosole spielt der Säuregehalt eine wichtige Rolle (Haddrell et al. 2023). Beim Ausatmen steigt der pH-Wert des Aerosols innerhalb weniger Sekunden stark an (> 10), da sich das CO² (HCO³) auflöst, welches das Tröpfchen verlässt. Das Gleichgewicht verschiebt sich und die Säure im Tröpfchen verringert sich, wodurch der pH-Wert ansteigt. Erhöhte CO2-Konzentrationen in der Atmosphäre begrenzen das Ausmaß der Gleichgewichtsverschiebung, das heißt, beeinflussen den maximalen pH-Wert des Aerosols. Das Virus ist in dieser Region sehr empfindlich auf den pH-Wert (>10), jede kleinste Änderung hat einen großen Effekt auf die Stabilität des Aerosols.
Was bedeutet das? Wenn der hohe pH-Wert des Atemwegströpfchens den Verlust der viralen Infektiösität antreibt, bedeutet jede Zunahme der CO2-Konzentration eine Beeinflussung der Virusstabilität. Wenn die CO2-Konzentrationen längere Zeit hochbleiben, nimmt die Zerfallsrate des Virus langsamer ab, nach 40 Minuten ist also die mehr als zehnfache Menge des Virus immer noch infektiös in der Luft. CO2-Werte spielen dabei wahrscheinlich eine größere Rolle als die relative Luftfeuchte. (Haddrell et al. 2024)
Die inhalierte Virusmenge lässt sich leicht verringern: Abstand, FFP2-Maske und Lüften/Luftreiniger. Die Notwendigkeit für Lufthygiene lässt sich über ein CO2-Messgerät abschätzen.
Übertragungen mit und ohne Symptome
Der wesentliche Treiber der Pandemie ist nicht nur der Umstand, dass SARS-CoV2 infektiöser als SARS-CoV1 oder Influenza ist, sondern dass ein signifikanter Anteil stattfindet, wenn die infizierte Person (noch) keine Symptome zeigt. Das wissen wir schon seit Ende Jänner 2020 (Branswell and Joseph, 2020).
Für den Wildtyp hat man rund 35% präsymptomatische und 25% asymptomatische Übertragungen ermittelt (CDC-Report, 2020), bis Mai 2021 ging man nur noch von 17-30% symptomfreien Übertragungen aus (Rasmussen and Popescu, 19.03.21). Einer der Gründe für die deutliche Reduktion des symptomfreien Anteils ist die Entdeckung neuer Symptome. Zudem können sich viele Menschen an leichte Symptome (Halskratzen, laufende Nase, Kopfweh) oder unspezifische Symptome (Magen-Darm-Beschwerden) oft nicht mehr erinnern. Ein dritter Grund ist, dass seit mehrfachen Impfungen und/oder Infektionen das Immunsystem rascher anspringt und Symptome produziert, BEVOR die Viruslast stark ansteigt
Superspreader
Da gibt es zum Einen die berühmt-berüchtigten Superspreader, also infizierte Personen, die sehr viele Menschen anstecken. Für den Wildtyp haben Ma et al. (2020) ermittelt, dass 73% aller Infizierten kein nachweisbares Virus ausatmeten, was die niedrige Sekundärattackrate im Haushalt erklärt und weshalb sich das Virus vorwiegend über Clusterereignisse verbreitet, die zeitlich und räumlich abgrenzbar sind von anderen Infektionsherden. Eine anfänglich höhere Viruslast der Indexfälle begünstigt Superspreading (Marks et al., 2021). Chaudhuri et al. (2022) haben gezeigt, dass 4% der Indexfälle in Innenräumen für 80% Folgeinfektionen verantwortlich waren, ein systematischer Review unterstreicht die Bedeutung von Superspreader-Events (Wegehaupt et al. 2023), welche die Elimination von SARS-CoV2 ermöglicht hätte – nämlich jene Orte sicher zu machen, wo Superspreading stattfinden kann – wie etwa Schulen, wo am ehesten Haushalte aus unterschiedlichen geographischen Regionen aufeinandertreffen.
Kinder versus Erwachsene
Keine signifikanten Unterschiede in der Übertragungswahrscheinlichkeit gibt es zwischen den Altersgruppen. Kinder und Jugendliche infizieren sich gleich häufig wie Erwachsene und können das Virus genauso weitergeben, mit Delta und Omicron-Varianten ist die Wahrscheinlichkeit im Haushalt gestiegen, sich über die Kinder anzustecken, insbesondere bei jüngeren Kindern (van Loben Sels et al. 11/2023 preprint), 40% der Kinder waren in einer Studie selbst dann noch infektiös, als sie keine Symptome mehr hatten (Science et al. 2023).