The Newark Advocate, USA, am 11. April 1993 über die Notwendigkeit korrekter Diagnosen von CFS.

Es handelt sich um eine schwere neuroimmunologische Erkrankung, die oft zu einem Grad der Behinderung führt. Ein Viertel aller Patienten kann das Haus nicht mehr verlassen. Viele sind bettlägerig und über 60% sind arbeitsunfähig. Seit 1969 wird ME/CFS von der WHO als eine organisch-neurologische Erkrankung klassifiziert (ICD-10: G 93.3).

ME/CFS-Erkrankte leiden unter einer ausgeprägten Zustandsverschlechterung ihrer Symptome nach geringer körperlicher und geistiger Belastung (sogenannte Post-Exertional Malaise). Dazu gehören eine schwere Fatigue (krankhafte Erschöpfung), kognitive Störungen, ausgeprägte Schmerzen, eine Überempfindlichkeit auf Sinnesreize und eine Störung des Immunsystems sowie des autonomen Nervensystems.“ (Quelle: Deutsche Gesellschaft für MECFS)

In der Abteilung für Primary Care Medicine wurde LongCOVID/MECFS erstmals seit der Übernahme durch Prof. Kathryn Hoffmann thematisiert, die auch an der S1-Leitlinie zu LC (Rabady et al. 2023) mitgearbeitet hat (Stellungnahme hierzu von der ÖG/MECFS).

Epidemiologie

In den USA sind 1,3% der Erwachsenen in den Jahren 2021 und 2022 an MECFS erkrankt (Vahratian et al. 2023).

Die Prävalenz beträgt in Österreich rund 0,3%. Vor der Pandemie waren in Deutschland über 250 000 Menschen betroffen – darunter ca. 40 000 Kinde, in Österreich sind es derzeit rund 80 000 – generell ist die Tendenz steigend. Es handelt sich also keineswegs um eine seltene Erkrankung.

Rund 2-4% aller SARS-CoV2-Infizierten erkrankt an post Covid, davon entwickeln etwa 30-50% die chronifizierte Form MECFS.

Diagnosekriterien

Neben dem Leitsymptom PEM, das mindestens 14 Stunden lang anhalten muss, müssen weitere Kriterien erfüllt sein, die jedoch international nicht ganz einheitlich vorgegeben sind. Wesentlich sind derzeit das Institute of Medicin (IOM, auf Deutsch) und die kanadischen Konsenskriterien (CCC).

Quelle: Deutsche Gesellschaft für ME/CFS

Überschneidungen von MECFS und LC

Wenn nach einer SARS-CoV2-Infektion ein Post-Covid-Syndrom diagnostiziert wird, PEM auftritt und auch die IOM/CCC-Kriterien erfüllt sind, spricht man von MECFS. Eine Verlaufsstudie der Uni Jena zeigt, dass nach rund 250 Tagen 31% der Betroffenen die Kriterien für MECFS erfüllen, nach 400 Tagen noch 15%. Gleichzeitig gab es deutlich Beeinträchtigte, die die Kriterien formal nicht erfüllten (Reuken et al. 2023).

Quelle: Deutsche Gesellschaft für MECFS bzw. Artikel zu LongCOVID

Drehschwindel und Reduktion der Gehirndurchblutung sind ebenfalls Gemeinsamkeiten von LC und MECFS (Van Campen et al. 2021), weitere Symptome wurden in beträchtlichem Maße übereinstimmend gefunden (Sukocheva et al. 2022, Kedor et al. 2022). Spezielle Proteine der Gehirn- und Rückenmarksflüssigkeit zeigen bei MECFS und LC gemeinsame Auffälligkeiten und unterscheiden sich deutlich von der Kontrollgruppe (Peppercorn et al. 2023). Weder für Betroffene von LC noch von MECFS ist hilfreich, dass österreichische Neurologen veraltete und widerlegte Studien zitieren, wie in Ludwig et al. (2023).

Dr. David Kaufmann sieht bei allen seiner ME/LC-Patienten folgende Symptome:

  • MCAS
  • Dysautonomie/POTS
  • akute und chronische Infektionen mit Viren und Bakterien
  • Autoimmunität
  • Geschädigtes Bindegewebe (Ehler-Danlos-Syndrom)
  • Cranial Cervical Instability (CCI)
  • Verdauungsprobleme, SIBO

(aus dem Livestream vom 6.7.24 von Physics Girl (sehr schwer von MECFS Betroffene)

Übersicht zu den Gemeinsamkeiten von Annesley et al. (2024)

Verlaufsformen

Neue Schweregrad-Einteilung zu MECFS von Whitney Dafoe, veröffentlicht in Jahanbani et al. 2024

Ursachen und Risikofaktoren

MECFS ist eine Form eines postakuten Infektionssyndroms (PAIS) und tritt nach einer SARS-CoV-2 Infektion ebenso auf wie nach anderen Viruserkrankungen. Seltener können auch andere Ursachen präsent sein, etwa Impfungen, Operationen oder Traumata.

  • 6,5% hatten IgA-Mangel (Gesamtbevölkerung: max 1%), 17,6% mit IgG3 und IgG4-Mangel (Lutz et al. 2021), IgA-Mangel schwächt das Immunsystem und tritt z.B. bei primären Immundefekten auf (Conrey et al. 2023)
  • Faktoren, die MCAS (Mastzellenaktivierungssyndrom) begünstigen, spielen ebenfalls eine Rolle (Gorman and Syed 2022). Das könnte erklären, weshalb H1/H2-Blocker bei einem Teil von LC-Betroffenen helfen (Glynne et al. 2021).
  • Ein Protein namens WASF3, das die Mitochondrien-Atmung unterbricht und die Belastungsintoleranz beeinflussen könnte, könnte ursächlich für MECFS sein (Wang et al. 2023Bericht hier).

Ohne ein Kompetenzzentrum ist Grundlagenforschung mit Studienteilnehmern schwierig. Dabei wollen viele Betroffene aktiv mitmachen – Blutabnahmen und Stuhltests über Hausbesuche würden bereits ausreichen, um Basisdaten zu sammeln.

Komorbiditäten

Laut Neurologe Stingl erfüllen ca. 20% der MECFS-Patienten die Kriterien für das hypermobile Ehler-Danlos-Syndrom (hEDS), das sich oft mit MCAS, POTS und SFN überschneidet (Thread dazu mit mehr Infos).

Ausschlussdiagnostik bzw. Behandlung von sekundären psychiatrischen Erkrankungen und Komorbiditäten oder Verschlechterung einer vorbestehenden psychiatrischen Erkrankung durch ME/CFS (aus Spezialisierte ME/CFS-Behandlungsstellen, Empfehlungen zu Struktur und Prozess, Version April 2025, S.12)

Versorgung von Betroffenen

“Das Ziel dieses D-A-CH-Konsensusstatements ist es, 1) den aktuellen Wissensstand zu ME/CFS zusammenzufassen, 2) in der Diagnostik die kanadischen Konsensuskriterien (CCC) als klinische Kriterien mit Fokus auf das Leitsymptom post-exertionelle Malaise (PEM) hervorzuheben und 3) vor allem im Hinblick auf Diagnostik und Therapie einen Überblick über aktuelle Optionen und mögliche zukünftige Entwicklungen aufzuzeigen.”

Hoffmann et al. 2024

Auswirkungen im Alltag

Die vielzitierte Fatigue hat nichts mit normaler Müdigkeit oder Erschöpfung zu tun, die LC und MECFS-Patienten erleben. Darüber schrieb Ed Yong von “The Atlantic” in diesem packenden Text (07/2023).

Auswirkungen von MECFS im Alltagsleben der Betroffenen je nach Schweregrad der Erkrankung (Quelle: Umfrage in Norwegen bei Betroffenen und Angehörigen)

Richtiges Verhalten bei einem Crash

Familienärztin Dr. C. Werner empfiehlt Angehörigen, die Person nicht ins Spital zu schleppen (dort sind die Werte meist alle “normal” und Betroffene werden nach Hause geschickt). Der Crash wird dadurch schlimmer. Besser ist es, die Betroffenen gegen Reize abzuschirmen. Essen und Trinken anreichen (viel elektrolytische Flüssigkeit) sowie viel Ruhe. In Absprache mit Ärzten Benzodiapin. Ausgenommen sind Symptome wie Herzrhythmusstörungen, Unfähigkeit, Flüssigkeit aufzunehmen, die stationäre Aufenthalte bedürfen. Allgemein sollte man möglichst viel zuhause machen, weil Krankenhaus immer purer Stress ist.

Lebensqualität

  • Ärzte nehmen MECFS-Patienten vor allem als “schwierig” wahr (Habermann-Horstmeier et al. 2023, 549 Patienten berichteten über ihre Erfahrungen mit dem Gesundheitswesen)
  • Frauen werden häufiger nicht ernstgenommen als Männer (Habermann-Horstmeier und Horstmeier 2024)
  • In der Schweiz sprechen 90,5% der befragten MECFS-Patienten nicht über ihre Krankheit, weil ihnen niemand glaubt, die Krankheit trivialisiert wird und sie negative Reaktionen vermeiden wollen, mehr als ein Drittel der Betroffenen hat Suizidgedanken, weil behauptet wird, dass die Krankheit nur psychosomatisch sei. (König et al. 2024).

Anlaufstellen

#MillionsMissing Deutschland: Netzwerk von MECFS-Betroffenen, das sich für Aufklärung, medizinische und soziale Versorgung, biomedizinische Forschung sowie politische Unterstützung für MECFS-Betroffene einsetzt

Deutsche Gesellschaft für ME/CFS e.V.

Österreichische Gesellschaft für ME/CFS

Weandme Foundation

Health Rising – Finding Answers for ME/CFS and FM

ME/CFS SKEPTIC – A critical view into ME/CFS research

Nationales Referenzzentrum für postvirale Syndrome (Presseaussendung der MedUni Wien – geleitet von Kathryn Hoffmann und Eva Untersmayr-Elsenhuber – im Aufbau)