Skigebiet St. Corona am Wechsel – keine Verwandtschaft mit dem gleichnamigen Pandemie-Virus

Eigentlich hatte ich das als längere Serie geplant, aber mir fehlt durch meinen Vollzeitjob und Prioritätensetzung die Zeit für umfangreiche Beiträge. Deswegen werde ich das jetzt in einer kürzeren Version bringen, was mir noch alles in Erinnerung ist. Damit werde ich zwangsläufig wichtige Aspekte oder Ereignisse auslassen. Ich bitte mir das nachzusehen und ggf. im Kommentarfeld oder per Mail zu ergänzen. Im ersten Teil schilderte ich den Ablauf der Pandemie insgesamt.

Der Anlass für diesen Beitrag ist der Pandemierevisionismus, der seit dem politisch deklarierten Ende der Pandemie stattfindet. Das politische Ende fällt allgemein auf das Ende des Internationalen Gesundheitsnotstands durch die WHO (5. Mai 2023). Die WHO hat die Pandemie nicht beendet, kann aber auch keine Pandemien ausrufen (vgl. meinen erklärenden Beitrag dazu). Sowohl die österreichischen Regierungsvertreter als auch die jeweiligen Landeshauptleute behaupten rückblickend gerne, die Pandemie gut gemeistert zu haben und stellen sich selbst ins beste Licht in dieser Krisenphase.

Ich habe die Pandemie in Wien erlebt und jahrelang das Narrativ der rotpinken Stadtregierung geglaubt, dass man sich aus vernunftbasierten Gründen für den „strengeren Weg“ entschieden habe. Mit der Art und Weise, wie die Schutzmaßnahmen Anfang 2023 aufgehoben wurden, muss ich meine Ansicht darüber teilweise revidieren. Zurück bleibt insgesamt der Eindruck, dass der Föderalismus eine kongruente Public-Health-Kommunikation großteils sabotiert hat und der Flickenteppich an unterschiedlichen Regeln – vom Masken tragen, das an den Landesgrenzen aufhört bis zu unterschiedlichen Testregeln pro Ct-Wert und Altersgruppe – dazu beigetragen hat, die Mitarbeit der Bevölkerung zu untergraben.

Den Anfang meines Rückblicks macht Tirol, wo alles begann.

Tirol

Nachdem Mitte Dezember 2019 in einer Volksschule im Bezirk Innsbruck mehr als die Hälfte der 119 Schülerinnen und Schüler sowie mehrere Lehrer an Influenza erkrankt waren, wurde von der Bildungsdirektion die Schließung der Volksschule als Vorsichtsmaßnahme veranlasst.

„Die Gesundheit hat stets oberste Priorität. Deshalb haben wir uns zu dieser
Maßnahme entschlossen.“
„Da Kinder seltener gegen Influenza geimpft sind, können sich die Viren
rascher verbreiten und vor allem in Gemeinschaftseinrichtungen und
innerhalb der Familie – bei nicht-geimpften Personen – zu weiteren
Ansteckungen führen.
„Vorbeugung besser als Nachsorge.“

Im Zusammenhang mit dem Coronavirus war von diesem vernunftgesteuerten Denken keine Rede mehr.

Der Tiroler Landessanitätsdirektor Franz Katzgraber sagte noch am 4. Februar 2020 im Bezirksblatt-Interview:

Es herrscht ein unglaublicher Medienhype um diese Erkrankung, dabei ist die
Grippe viel gefährlicher als das Coronavirus
.“

Das mag im Hinblick auf die wenigen sporadischen Fälle stimmen, während im Land noch eine schwere Grippewelle herrschte, doch traf es auf die Pathogenität des Virus zu diesem Zeitpunkt nicht zu. Insbesondere stand es im Widerspruch zu den Bildern aus Wuhan, wo innerhalb kürzester Zeit zwei Spitäler aus dem Boden gestampft wurden, um die Menge an Schwerkranken zu versorgen.

Am 25. Februar 2020 gab es die ersten bestätigen Coronafälle in Österreich – in einem Innsbrucker Hotel. Wir erinnern uns noch an das berühmte Live-Interview „Niemand darf hinein oder heraus“ in der ZiB1.

„At the local level—eg, in a small village that relies on tourism as the main source of income—conflicts of interest could represent an insurmountable barrier for implementing appropriate outbreak controls.“ (Schmid et al. 2004 in Zusammenhang mit einem Legionellenausbruch in Österreich)

Wie bereits im ersten Teil meines Rückblicks geschrieben, führten wirtschaftliche Interessen maßgeblich zu einer Vertuschung und Verzögerung der Maßnahmen gegen die Ausbreitung des Coronavirus. Die Klagen im Zusammenhang mit Ischgl wurden 2023 alle eingestellt.

Infektiologe Günter Weiss, der die ersten Patienten in Innsbruck behandelt hat (angeblich, ohne dabei Maske zu tragen), sprach sich im ORF-Report nach Ende des ersten Lockdowns rasch dafür aus, die Maßnahmen wieder zu lockern (Präventionsparadoxon), während Virologin Dorothee von Laer die Masken für eine „erträgliche Maßnahme“ im Vergleich zu Lockdowns hielt (Pressekonferenz, 14. Mai 2020).

Im Vordergrund der Pandemiebekämpfung stand durch die ÖVP-Dominanz in den Bundesländern immer die mächtige Seilbahnindustrie und der Tourismus, im Sommer, aber vor allem auch im Winter. Es gab im Juni Überlegungen, die Indoor-Maßnahmen zu lockern, um im Winter etwa Après-Ski zu ermöglichen. Dabei war lange klar, dass ohne Impfung Indoor-Situationen am Riskantesten waren. Als im Juli die Infektionszahlen langsam wieder anstiegen, sprach sich die Tiroler Mikrobiologin Lass-Flörl gegen eine österreichweite Maskenpflicht aus. Es schien, als ob wirksame Maßnahmen immer erst dann kommen sollten, wenn es bereits zu spät war und exponentielles Wachstum nicht mehr verhindert werden konnte. Im September 2020 spitzte sich die Infektionslage in Tirol zu, doch noch Ende September wollte Infektiologe Weiss „mehr Normalität wagen und von überschießenden Ängsten wegkommen“ (APA), um dann Mitte November festzustellen, dass man die Infektionszahlen nun rasch senken müsse (ZiB2). Er sprach sich dabei zugleich gegen Schulschließungen aus und behauptete faktenwidrig, dass Schulen eigentlich nichts zum Infektionsgeschehen beitragen würden.

Am gleichen Tag, der 12. November, lud die mächtige Wirtschaftslobby „Tiroler Adler“ den umstrittenen deutschen Virologen Hendrick Streeck zum virtuellen Austausch ein, der dort im wesentlichen die Great-Barrington-Ideologie vertrat. Ich erinnere mich noch an eine Wortmeldung in einer „ImZentrum“-Sendung eines Adler-Vertreters, der einen strengen Lockdown im Herbst forderte, um die Wintersaison zu retten. Sie alle übersahen, dass bis zur Impfung keine Rückkehr zu einem „normalen Leben“ möglich war.

In Tirol breitete sich schon ab Jänner 2021 eine Kombination aus Alpha und der Fluchtmutation E484K aus, die deutlich schwerere Krankheitsverläufe zur Folge hatte. Sie ähnelte damit der Beta-Variante, die ebenfalls E484K enthielt, und ebenfalls vermehrt in Tirol aufgetreten ist. Es gab Gerüchte, dass die Varianten durch Tiroler Hoteliers eingeschleppt wurden, die in Südafrika auf Urlaub waren. Die Virologin Dorothee von Laer forderte am 3. Februar einen tirolweiten Lockdown für einen Monat und erntete dafür einen Shitstorm und Drohungen, was sie veranlasste, nurmehr mit Perücke außer Haus zu gehen und schließlich ins Burgenland zu übersiedeln. Stattdessen entschied man sich für eine Ringimpfung im Bezirk Schwaz Mitte März und Mitte April und konnte somit die Variante erfolgreich eindämmen. Es handelte sich entgegen öffentlicher Aussagen aber nicht um ein zusätzliches Kontingent an Impfdosen, sondern sie wurden aus der EU-Bestellung vorgezogen.

Zum Impffortschritt in Tirol fehlen mir gerade die nötigen Quellen. Zumindest in der Seuchenkolumne von Epidemiologe Robert Zangerle bin ich mit einer Grafik fündig geworden:

Impfung der ältesten Mitmenschen in Österreich, ausgewählten Ländern und Bundesländern, bis Ende August 2022

Demnach lag Tirol bei den Schlusslichtern und mickrigen 15% – wahrscheinlich eine der Gründe für die anhaltend hohe Sterblichkeit bei den Omicron-Wellen 2022.

Stand November 2023, Visualisierung: Erich Neuwirth, Statistiker

Bis kurz vor der JN.1-Welle lag Tirol beim Anteil der Ungeimpften pro Bezirk etwa im Mittelfeld, wobei Osttirol mit knapp 32% Spitzenreiter war. Anekdotisch hat sich dort das Vertrauen in Politik und Wissenschaft während der Pandemie auch massiv verschlechtert. Die Lockdown-Maßnahmen wurden von manchen Bewohnern als schlimmer empfunden als die Zeit des Nationalsozialismus.

Was von der Pandemie bleibt: Der Umgang mit dem ersten Virus-Ausbruch in Ischgl wird naturgemäß im Ausland kritischer gesehen als in Tirol selbst, wo längst wieder business as usual herrscht. Im April 2021 ergab eine Umfrage unter Ischgl-Besuchern, dass 5% der Infizierten unter Long-Covid litten. Die Verantwortlichen redeten sich großteils damit heraus, dass die Pandemie auch ohne Ischgl ausgebrochen wäre. Das übersieht aber, wie viele Menschen sich in kurzer Zeit durch das Superspreader-Ereignis in Ischgl und wohl auch anderen Skigebieten infiziert haben. Eine Verzögerung des Ausbruchs hätte den Staaten mehr Vorbereitungszeit gegeben, etwa Testkapazitäten hochzufahren oder Schutzmaterial zu beschaffen.

Mein Fazit: Tirol hat nicht alles richtig gemacht. Sie haben die Bundespolitik mit ihrem Fokus auf Tourismus und Skigebiete immer wieder beeinflusst und so vom Schutz der Kinder (Kindergärten und Schulen), aber auch der Bevölkerung insgesamt abgelenkt. Tirol hat Ischgl mit einem besonders strengen ersten Lockdown gebüßt, der zu viel Unverständnis in der Landesbevölkerung geführt hat. In weiterer Folge hat man es wie im Rest der Republik versäumt, Übertragungswege, Infektionsdynamik (exponentielles Wachstum) und das Infektionsrisiko verständlich udn empathisch zu erklären – später auch insbesondere über die Impfungen aufzuklären.

„Modellregion“ Vorarlberg

Karl Lauterbach, damals noch SPD-Oppositionspolitiker, und Epidemiologe: „Österreich lockert in die B117-Welle hinein. Das werden dort viele mit dem Leben bezahlen, wenn man es ehrlich beschreiben darf. Zum Schluss wird dann wieder ein Lockdown kommen, für den sich die Verstorbenen nichts kaufen können… Kein Beispiel für uns.“ (02. März 2021, Twitter)

Das fasst die Pandemie in Vorarlberg perfekt zusammen. Wir erinnern uns: Mit Jahreswechsel bekam die ansteckendere Alpha-Variante (damals: „Britische Variante“) einen Fuß in die Tür und breitete sich im Spätwinter und Frühling in Österreich aus. Sie sorgte für die berühmte „Oster-Ruhe“ im Osten von Österreich. Grund war die Impfstoffknappheit zu Jahresbeginn und die vielfach ungeimpfte junge Bevölkerung. Für Kinder und Jugendliche unter 12 Jahren war die Impfung noch gar nicht zugelassen.

Mit 2021 wurden die Schnelltests eingeführt, aber mit verfehltem Zweck. Sie sollten als „Eintrittstests“ gelten, aber zuverlässig waren sie nur zum Herausfischen von Infizierten. Negative Schnelltests bedeuteten nicht, dass man nicht infiziert war.

Die ÖVP-Grüne-Landesregierung startete am 15. März 2021 ein Pilotprojekt mit Öffnungsschritten. Das grüne Gesundheitsministerium (der spätere Nachfolger von Anschober-Nachfolger Mückstein, Johannes Rauch, gehörte vorher der Landesregierung an) sollte das Projekt wissenschaftlich begleiten. Vorarlberg wollte weitere Kontaktbeschränkungen durch eine neue Teststrategie verhindern – u.a. durch …

  • PCR-Tests mit 72 Stunden Gültigkeit (zu lang, man konnte bereits davor ansteckend sein)
  • Schnelltests durch medizinisches Personal und unter Aufsicht in Teststraßen mit 48 Stunden Gültigkeit (falsche Grundannahme, siehe oben)
  • Schnelltests zuhause mit 24 Stunden Gültigkeit (mangelhafte Durchführung größter Risikofaktor)
  • für Kinder

Sonst gab es auch vorsichtige Öffnungen mit FFP2-Maskenpflicht in geschlossenen Räumen. In Gastbetrieben galt Maskenpflicht am Weg zum Platz, wo sich maximal vier Erwachsene aus maximal zwei Haushalten treffen durften.

Das Konzept war vielleicht gut gemeint, aber mit der ansteckenderen Alpha-Variante bei einer vielfach noch ungeimpften und immun-naiven Bevölkerung unzureichend:

7-Tages-Inzidenz in den Bundesländern mit dem Ost-Lockdown (rote Linie) und den Öffnungsschritten in Vorarlberg (grüne Linie), 1. Mai 2021 (Neuwirth-Statistiken)

Die Fallzahlen stiegen in Vorarlberg ab der Öffnung kontinuerlich an, in anderen Bundesländern blieben sie hoch, nur in den Ost-Lockdown-Ländern gab es deutliche Rückgänge.

Später wurde behauptet, die Öffnung der Gastronomie sei nicht Schuld an den Infektionszahlen gewesen – das hätten auch die Cluster-Analysen der AGES gezeigt. „Das Infektionsgeschehen spiele sich in erster Linie im privaten Bereich ab.

Dazu muss man wissen, dass laut einer parlamentarischen Anfrage an das Gesundheitsministerium von 2020, Personen, die sich in der GASTRONOMIE infizieren und daraufhin im Haushalt weitere Personen anstecken, letztere als Haushaltscluster geführt werden. Das war bereits beim Umfeld ARBEIT so, etwa auch Lehrer und Schüler betreffend. So konnte man vermehrte Ansteckungen im Schul- und Gastrobereich verschleiern.

Also ja, natürlich, mit einer ansteckenderen Virusvariante und einem falschnegativen Schnell- oder PCR-Test konnte es gerade in geschlossenen Gasträumen rasch zu Clustern kommen. Das galt auch für die Volks- und höheren Schulen. Beweisen kann ich das allerdings nicht.

Belegung mit COVID-Patienten: dunkelblau, mit Nicht-COVID-Patienten: hellblau (inklusive 7-Tages-Schnitt) – das weiße Band bleibt immer gleich – das sind die Betten, die mangels Personal nicht genutzt werden können. Daten: AGES, Visualisierung: Alex Brosch (aus meinem Blogtext von 2021)

Auf den Intensivstationen führte die Öffnung zu einem deutlichen Anstieg und kratzte kurzzeitig an der Kapazitätsgrenze, wobei bei diesem Wert bereits mit Triage-Situationen gerechnet werden muss.

Die Argumentation für die Öffnung und die Aufrechterhaltung der Öffnung war immer gleich falsch und zog sich wie ein roter Faden durch die Pandemie in ganz Österreich ohne erkennbaren Lerneffekt. „Die Fallzahlen sind derzeit niedrig“ – „Die Fallzahlen steigen, aber die Spitalszahlen sind noch niedrig“ alias „Nicht nur auf Inzidenzen starren“ – „Die Spitalszahlen steigen, aber es ist noch genug Platz auf den Intensivstationen“ – So konnte untätigerweise über mehrere Jahre hinweg immer wieder exponentielles Wachstum eintreten und dann gab es aufgrund der Verzögerung bei Hospitalisierung noch einen Nachlaufeffekt, bis die Zahl der neuen Patienten wirklich zurückging.

Der Berater der Landesregierung, Armin Fidler, führte die steigenden Fallzahlen auf die Britische Variante zurück, nicht auf die Öffnung an sich. Doch das Virus kam nicht über den Keller in die Haushalte, sondern übertrug sich von Mensch zu Mensch, und das wurde mit den steigenden Kontaktzahlen wahrscheinlicher. Komplexitätsforscher Klimek äußerte im Interview klare Skepsis an der Teststrategie, auch Mikrobiologe Elling kritisierte die Öffnungen.

Die Impfkampagne hat in Vorarlberg gemeinsam mit den Infizierten letztendlich den Rückgang der Infektionszahlen beschert, sodass sie wie andere Bundesländer ein (kurzes) Minimum erlebt haben, ehe die Delta-Variante sich durchgesetzt hatte.

Vorarlberger Gesundheitsexperte Armin Fidler (Berater ÖVP-Regierung):

Ein Virologe möchte natürlich möglichst alles kontrollieren, damit es zu keinen
Infektionen kommt. Ein Ökonom auf der anderen Seite hat die Auswirkungen auf
die Wirtschaft im Gesichtsfeld. Und meiner Meinung nach hat man ganz einfach
verabsäumt, eine Kommission wirklich multidisziplinär zu besetzen. Da gehören
Kliniker hinein, da gehören Leute aus dem Public Health-Bereich hinein, da
gehören auch Ökonomen hinein, Sozialwissenschaftler usw. Und ich glaube,
gerade am Beginn hat man da sehr viel auf die Virologie gesetzt. Und aus der
virologischen Perspektive sind natürlich Lockdowns, Ausgangssperren usw. ein
logischer Schritt.
“ (ORF Vorarlberg, 25.02.23)

Was von der Pandemie bleibt:

Rasch wieder raus aus solchen Einschränkungen, sobald es vertretbar und möglich ist.“ Insbesondere Schulschließungen und flächendeckendes Distance Learning solle es in Zukunft nicht mehr geben. Ebenso haben der Lockdown für Ungeimpfte und die Impfpflicht durch die Ausgrenzung von Einzelpersonen mehr negative Folgen gehabt. Wichtig sei eine Stärkung der Krisenversorgung, um vor allem die Verfügbarkeit von Medikamenten sicherzustellen.“ (ÖVP-Landeshauptmann Wallner im Rückblick, 27. Juni 2023)

Im Schlusssatz noch der obligatorische Hinweis auf die „Eigenverantwortung“, die in einer Pandemie aber Fehl am Platz ist. Doch was heißt Zukunft, bezogen auf künftige Pandemien? Schulschließungen und Distance Learning kann kein Politiker für die Zukunft ausschließen, weil jeder potentiell gefährliche Erreger neu bewertet werden muss, nach Übertragungswegen, Infektiösität, Pathogenität relativ zu den Altersgruppen. Ein neues Influenzavirus könnte etwa vermehrt Kinder schwer erkranken lassen – dann wären offene Schulen fahrlässige Kindergefährdung. Mein Fazit: Wir lernen, dass wir nicht dazu lernen wollen – sondern es möglichst bequem haben wollen statt vernunftgesteuert solidarisch.

Kärnten

Ein Lockdown wird nicht mehr notwendig sein.“ (19.05.20)

Zu Kärnten fällt mir nicht viel ein, außer „Kräuterhexe“ Rudolf Likar, Intensivmediziner am Klinikum Klagenfurt, Autor mehrere Bücher über Kräuterwissen und „Ganzheitlich gesund bleiben„. Bereits im Mai 2020 veröffentlichte Likar ein Buch mit dem Titel „Bereit für das nächste Mal: Wie wir unser Gesundheitssystem ändern müssen„. 2021 erschien von ihm „Es lebe der Tod„.

Unvergessen auch die Wortspende der ehemaligen Gesundheitsministerin und Fachärztin Kdolsky in der NÖN:

Man fragte sich, wieso Kärnten …. die wenigsten Corona-Zahlen aufwies. Offenbar gab es dort bereits im November eine lokal begrenzte Epidemie.. Es ist zu vermuten, dass dort bereits im letzten Herbst eine Durch- Immunisierung stattfand.“

Das ist natürlich Bullshit. Die ersten Fälle traten im Jänner 2020 auf. Für eine lokal begrenzte Herdenimmunität hätte das niemals ausgereicht. Geringe Infektionszahlen sind eher den mangelnden Testangeboten zuzuschreiben.

Am 1. April 2021 hielt Likar nichts von „emotionaler Wissenschaft und Horrorszenarien, in denen es heißt, dass in 14 Tagen die Intensivstationen übergehen werden. Alles wird von negativen Konjunktiven begleitet. Vorarlberg hat sein Tagen offen und nichts ist übergangen.“ (Kurier)

Das zeugt von seiner zur Schau gestellten Inkompetenz, den zeitlichen Versatz zwischen Neuinfektionen und Intensivstation (2-3 Wochen) zu berücksichtigen. In Kärnten waren die Intensivbettenbelegungen laut obiger Abbildung übrigens am Limit (10% Covid-Belegung), wenn man berücksichtigt, dass sie speziell im Winter immer 90% oder mehr ausgelastet sind.

In der „Kleinen Zeitung“ behauptete Likar am 25. Februar 2025, dass medizinisch alles positiv gelaufen sei. Sie hätten sich nichts vorzuwerfen.

In Kärnten ist es besser gelaufen als anderswo. Im Gegensatz zu Wien oder Italien waren wir mit der intensivmedizinischen Versorgung nie an der Grenze.

Für April 2021 stimmt das laut Auslastungsgrenze nicht, und in der Normalversorgung ….

Normalbettenbelegung in Kärnten. 4%: erste Einschränkungen der Regelversorgung, 8%: nurmehr Akutbetrieb möglich, 11%: Akutversorgung gefährdet (Triage), Daten: AGES, Visualisierung: Alex Brosch (2022)

… kam es sowohl in der Delta-Welle 2021 als auch in der Omicron-Welle (BA.1/BA.2) zur maximalen Auslastung.

Die Bevölkerung wurde mit Verboten überhäuft. Auf die Eigenverantwortung mit gesunder Ernährung, Bewegung an der frischen Luft wurde nie hingewiesen.“

Im März 2025 zog er im ORF-Kärnten-Studio das Pandemiefazit:

Also wir sind schon besser vorbereitet. Nur ich denke, wir sollten auf die eigene Verantwortung mehr fokussieren. [..] Ich kann für mein Immunsystem selbst viel machen.“

In einer Pandemie, wo man grundsätzlich davon ausgehen muss, dass jeder Mensch keinerlei Immunität gegen einen neuartigen Erreger hat, und nachweislich auch viele junge Menschen schwer oder chronisch erkrankt sind, ist der Verweis auf die Eigenverantwortung fehl am Platz.

Salzburg

Am 12. Februar hielt Infektiologe Allerberger einen Vortrag auf der Uni Salzburg, wo er das Virus nicht nur verharmloste, sondern auch abschätzig über China redete. Zudem äußerte er sich mehrfach fremdenfeindlich und rassistisch. Er outete sich außerdem damit, kein Corona-Experte zu sein.

Infektiologe Greil, ein hochintelligenter Arzt in Salzburg, unterschätzte Anfang Februar 2020 noch das Coronavirus und sah „keine Gefährdung“ (Bezirksblätter). Er revidierte aber bald seine Meinung warnte ab dem Frühling 2020 deutlich und wiederholt, ebenso warnte er am 22. Mai vor einer zweiten Welle.

Im Juni 2020 wurde in Salzburg das Rotaryclub-Superspreading-Ereignis bekannt. Dabei hatte sich auch eine Person infiziert, die zehn Meter von der Index-Person entfernt stand. Die Politiker waren überrascht, sie dachten ernsthaft, das Schlimmste sei bereits überstanden.

Wir alle waren eigentlich der Meinung und die Gefühlslage ist: Die Krise ist im
Großen und Ganzen bewältigt
.“ (Landeshauptmann Haslauer am 20.06.20)

Kurz vor Schulbeginn behauptete Landesrätin Klambauer (NEOS), dass gesichert sei, dass Kinder unter 12 Jahren, „vielleicht sogar unter 15“ eine völlig unbedeutende Rolle im Ansteckungsgeschehen spielen würden. Die Infektionsketten würden von den Eltern zu den Kindern verlaufen und nicht umgekehrt. Sie teilte Allerbergers Einschätzung, dass Covid19 nicht als hochgefährlich, sondern ähnlich wie ein schweres Grippevirus zu sehen sein sollte (Bezirksblätter, 01.09.20)

Das war natürlich völliger Bullshit – dem Umstand geschuldet, dass erstens kein Regelbetrieb in der ersten Welle stattfand und Kinder kaum getestet wurden, zweitens Erkenntnisse diesbezüglich aus dem Ausland (alles nachzulesen im Drosten-Podcast) ignoriert wurden und drittens mutmaßlich auf Ludvigsson et al. verwiesen wurde, ein späterer Great-Barrington-Declaration-Unterzeichner, der faktenwidrig behauptet hatte, es hätte in Schweden keine großen Schulausbrüche gegeben. Rendi-Wagner (SPÖ) und Meinl-Reisinger (NEOS) haben sich wiederholt auf Schweden bezogen.

Im ZiB2-Interview am 18. Dezember 2020 ließ Haslauer seinen berühmten Sager vom Stapel:

„Ich möchte mich auch bei der Seilbahnwirtschaft bei jenen Unternehmen bedanken, die in dieser schwierigen Zeit da sind für unsere Einheimischen.“

So mancher hätte wohl erwartet, dass das Spitalspersonal auch erwähnt würde.

Greil warnte im August 2021 erneut vor einen massiven Welle aufgrund steigender Hospitalisierungsraten und forderte Anfang November wieder Kontaktbeschränkungen.

Am 10. November 2021 reagierte Haslauer eher trotzig auf den drohenden vierten Lockdown aufgrund der Delta-Welle:

Mir ist klar, wenn die Virologen sagen, dass jeder einzelne Salzburger und
Österreicher in ein Zimmer eingesperrt ist .. aber dann wird er halt aus Depression
verhungern und verdursten
.“ (Pressekonferenz)

Damit verstärkte er das anti-wissenschaftliche Narrativ, die Virologen wären alles Fachidioten, die nicht interdisziplinär vernetzt wären.

Spitalsarzt:„“Es herrscht jeden Tag ein menschenunwürdiger Streit, wessen
Patient zuerst operiert werden könne. Der mit dem Tumor oder der mit dem
kaputten Herz.
“ (Salzburger Nachrichten, 16.11.2021)

Auch drei Kleinkinder und ein 19jähriger lagen Mitte November 2021 im Kinderspital Salzburg, in der offiziellen Spitalsstatistik wurden aber nur Erwachsene berücksichtigt (ORF Salzburg).

Mindestens einmal habe ich aufgrund eines Facebook-Eintrags der Salzburger SPÖ im Pongau dokumentiert, dass man den GBD-Ideologie vertretenden Public-Health-Mediziner Martin Sprenger zu einem Corona-Rückblick/Infovortrag eingeladen hat.

Wenn man das Land Salzburg erwähnt, sollte auch das Problemkind ServusTV erwähnt sein. Der Red Bull Sender hat durch die Pandemie hindurch mehrfach Corona-Leugner und andere Verschwörungsideologen eingeladen. Seriöse Talkgäste betrieben durch ihre Zusagen für „Talk im Hangar“ lupenreines „False Balance“. Mehr zur Einflussnahme dieser Talksendungen in diesem ausführlichen STANDARD-Artikel zu einem ACPP-Bericht (2021).

Ebenso problembehaftet ist der jährlich stattfindende Pathovacc-Kongress in Tamsweg.

Obmann ist Bernhard Happmaier, Amtsarzt und Homöopath, der 2005 einen Kongress organisiert hat, der erzkonservative Ärzte und „Opus Dei“ nahe stehende Wissenschaftler und Politiker versammelt.

Obmann-Stellvertreter ist Reinhard Sellner, Homöopath und Vater des Identitären Martin Sellner.

  • 2021 hielt Infektiologe Allerberger beim Pathovacc-Kongress in Tamsweg den ersten Vortrag, mit dabei auch Wolfgang Wodarg.
  • 2022 und 2023 hielten Wodarg, Andreas Sönnichsen und der impfkritische Rechtsanwalt Gottfried Forsthuber Vorträge, 2024 erneut Wodarg und Sönnichsen
  • 2025 sind u.a. eingeladen: Sönnichsen, Wodarg

Steiermark

Am 22. September 2020 fand in Graz der Primärversorgungskongress statt, wo Allerberger gemeinsam mit Sprenger ein Seminar hielt. Gesundheitslandesrätin Bogner-Strauss war auch dort und bei der Podiumsdiskussion dabei. Allerberger behauptete dort u.a.:

„Der Hausarzt ist zuständig, auch wenn alle Jugendlichen, alle jungen Menschen eigentlich drüber lachen können über dieses Virus.“

Es sind auch junge Menschen an Covid verstorben und eine nicht vernachlässigbare Anzahl an jungen Menschen schwer erkrankt bzw. nun durch Long Covid/MECFS behindert.

„Die serbischen Regalschlichterinnen, die im Sozialraum gemeinsam
schlecht durchlüftet ganz hinten, kleiner Raum, das Mittagessen
einnehmen, stecken sich natürlich untereinander an, weil sie sich
unterhalten in der Muttersprache.“

Rassismus.

Wie ich meine Public-Health-Ausbildung bei John Hopkins [USA] gemacht hab, war ich ganz einmal frustriert, weil bei allen Beispielen nicht gerechnet wurde zwischen Äpfel und Birnen wie wir es in der Volksschule in Österreich lernen, sondern zwischen Schwarze und Weiße. Ich hab das nie ganz verstanden, denn die Schwarzen, die ich kenne, da hat praktisch jeder mal einen weißen Urgroßvater oder irgendwas Weißes drinnen.“

Rassismus. Afrikanische Amerikaner machen nur 13% der US-Bevölkerung aus, aber fast ein Viertel aller Covid-Toten (Quelle).

Ähnlich wie Landesrätin Klambauer schloss auch Bogner-Strauss (ÖVP), wohl dank der Desinformation beim Primärversorgungskongress, aus, dass Kinder für die Pandemie entscheidend sein würden:

Besonders beruhigend für beide Experten [Sprenger und Allerberger]: Kinder spielen bei der Verbreitung der Erkrankung keine Rolle, sie bilden also keine Cluster und können problemlos in die Schule, wenn sie keine Krankheitssymptome haben. Das zeigen die Daten sehr eindeutig. Bogner-Strauss: „Wir müssen da die Angst rausnehmen“ (26.09.20, DerStandard)

Infektiologe Klaus Vander, Graz, argumentierte von Beginn an wie ein klassischer Great-Barrington-Vertreter.

„Ein zweiter Lockdown wird nicht notwendig sein. Vielmehr müsse man sich an das Coronavirus als einen zusätzlichen Erreger von viralen Atemwegsinfektionen gewöhnen müssen. „Risikogruppen müssen besonders geschützt werden“.“ (15.10.20, Kleine Zeitung)

Ein zweiter Lockdown wurde notwendig. Risikogruppen leben nicht auf dem Mond, sondern sind Teil der Gesellschaft.

Ältere Menschen haben zwei Motive: Selbstschutz und Solidarität. Bei
Jugendlichen fällt Ersteres weg, da diese Altersgruppe so gut wie nie schwer
erkrankt
.“

SARI-Diagnosen, hier Covid19, nach Alter und Geschlecht, 19. KW 2023 bis 21. KW 2025

Aus der akuten Pandemiephase habe ich gerade keine Daten, in den letzten 2 Jahren wurden zumindest über 530 15-29jährige, über 240 5-14jährige und über 1700 0-4jährige im Spital behandelt. Selten, ja, aber „so gut wie nie“? Nein.

Werden im Herbst die Schulen öffnen?
„Alles andere wäre ein Wahnsinn. Lehrer, Großeltern etc. können ja nun durch die
Impfung geschützt werden. Unter den unter 12-Jährigen wird das Virus immer
zirkulieren, da sie nicht geimpft werden können. Ich bin auch dafür, das Testen und die Maskenpflicht in den Schulen abzuschaffen. Der Irrsinn muss ja einmal ein Ende haben.“ (Krone, 28.07.21)

Die Zulassung der Impfung für unter 12-jährige erfolgte im November 2021. Bis dahin hätte man die Masken- und Testpflicht noch lassen können. Wie gesagt, klassische Great-Barrington-Argumentation. Vulnerable Kinder gibt es anscheinend nicht.

ÖVP-Landeshauptmann Schützenhofer kritisierte im Pressegespräch die Absicht der Maßnahmen-Voraussetzungen:

Der Stufenplan ist nämlich ein Reaktionsplan, man braucht aber einen
Aktionsplan. Wir wollen verschärfen, damit es nicht schlechter wird
.“ (27. Oktober 2021)

Während der Omicron-Welle Anfang 2022 kritisierte Vander erneut die Test-Strategie:

Wir erzeugen mit diesem manischen Testen ein Scheinbedrohungsszenario,
denn wir testen asymptomatische Kranke
.“
60 Prozent sind nicht geimpft. 40 Prozent sind geimpft, aber von diesen 40
Prozent ist der Großteil auf der Intensivstation wegen Begleiterkrankungen.

Zumindest bis dahin spielte die präsymptomatische Übertragung noch eine wesentliche Rolle in der Entwicklung größerer Infektionswellen. Beim Testen weiß man noch nicht, ob die Person asymptomatisch bleibt oder später Symptome entwickelt. Und wieder wird differenziert aufgrund von Begleiterkrankungen.

Bogner-Strauss deutete in einem Interview an, dass Vorerkrankungen an den Todesfällen schuld seien und nicht die (ursächliche!) Covid-Infektion. Zudem wäre es ihr recht, wenn in Schulen und anderen Bereichen bald nicht mehr getestet und Maske getragen würde (13. März 2022, Kleine Zeitung). Wir erinnern uns, dass mit den Omicron-Wellen 2022 ähnlich viele Menschen starben wie mit dem Wildtyp 2020.

Im Oktober 2022 verwies Vander auf die Eigenverantwortung, dass vulnerable Personen selbst eine Maske tragen sollten.

Oberösterreich

Schwarz-blau regiert. Doch auch die SPÖ machte keinen guten Eindruck, als zwei SPÖ-Politiker geschasst wurden, nachdem sie mit Kindern als Plakatsujet für die Impfung werben wollten.

Ähnlich wie in Salzburg lud auch die SPÖ in Oberösterreich PH-Mediziner Sprenger zur Covid-„Aufklärung“ ein.

Sprenger gab u.a. dem rechtsextremen Sender AUF1 ein Interview. Oberösterreich ist auch berüchtigt wegen seiner vielen Pseudoexperten – etwa die Labor-Tsunami-Pressekonferenz am 18. September 2020 mit Apfalter, Sprenger, Allerberger, Weiss, Niedermoser und Gattringer.

Die Infektiologin Petra Apfalter, zudem Mitglied der Ärztekammer Oberösterreich, hatte ein eigenes Labor, wo sie selbst Gurgel-PCR-Tests durchführte. Trotzdem behauptete sie im Herbst 2020 im ORF-Report, dass „Gurgeltests absolut abzulehnen wären“. Eine gemeinsame Pressekonferenz mit dem damaligen Bildungsminister Heinz Faßmann, wo sie als Beraterin fungierte, unterzog ich damals schon einem ausgiebigen Faktencheck (Teil 1 und Teil 2). Grundtenor: Kinder möglichst gar nicht testen, weil sie würden eh keine Rolle spielen. Der Hausarzt soll testen (und damit sich selbst und andere Patienten gefährden), am besten nur bei Symptomen.

Im November 2020 lag die 7-Tages-Inzidenz im Bezirk Rohrbach (Mühlviertel) vorübergehend bei über 1400, der österreichweite Schnitt war bei 527, im Februar 2022 stieg sie sogar auf jenseits der 3600. Eine Studie der Umwelt-Medizin ließ eine mögliche Ursache erkennen: In ländlichen Regionen hielt sich die Bevölkerung weniger an die Schutzmaßnahmen als im städtischen Bereich. Und was der blauen Koalition gar nicht gefallen haben dürfte: Je höher der Ausländeranteil, desto niedriger die Infektionszahlen (DerStandard, 12. Februar 2021).

Am 2. März 2022 lud der oberösterreichische Landtag u.a. folgende Auskunftspersonen ein: Petra Apfalter, Martin Haditsch und Martin Sprenger.

Die Haus- und Impfärztin Lisa-Maria Kellermayr, die in Oberösterreich praktizierte, wurde Opfer einer rechtsextremen Hass- und Hetzkampagne gegen sie und nahm sich im Juli 2022 das Leben. Einer der mutmaßlichen Täter wurde im April 2025 freigesprochen. Die Reaktion der Bundes- und Landesregierung fiel verhalten aus. Kellermayr hatte zuvor schon beklagt, dass die Politiker wegschauen würden. In weiterer Folge des Jahres 2022 und 2023 ging man weiter auf die Impfgegner und Coronaverharmloser zu, statt deren Narrative zu entkräften – aus Angst vor der MFG und FPÖ.

Niederösterreich

Wirklich auffallend war, wie oft Epidemiologe Gartlehner von der Donau-Uni Krems in der ZiB2 interviewt wurde. Dazu muss man wissen, dass die ÖVP-Landeshauptfrau bis 2023 Vorsitzende von NÖGUS (Niederösterreichischen Gesundheits- und Sozialfonds) war. NÖGUS und das Cochrane Institut von Gartlehner richten gemeinsam jährlich das EUFEP (Europäische Forum für evidenzbasierte Gesundheitsförderung und Prävention) aus. Wolfgang Sobotka (ÖVP), der Vorgänger von Mikl-Leitner, war Vorsitzender NÖGUS, als Gartlehner 2007-2008 eine Stiftungsprofessur erhielt. Ob man daraus einen Interessenskonflikt mit der Landesregierung ableiten kann oder darf, überlasse ich dem Leser. G

Von Gartlehner habe ich sehr viele Zitate gesammelt, wo er im wesentlichen Great-Barrington-Ideologie vertritt. Er hielt nichts davon, gesunde Kinder zu impfen, äußerte sich wiederholt kritisch zur Maskenpflicht. Er wirkte auch beim Impfgegnerfilm “Im Stich gelassen” von Impfgegner und AIDS-Leugner Bert Ehgartner mit, und diskutierte auf offener Bühne mit dem Coronaverharmloser Martin Haditisch (False Balance).

Sonst kann ich von Niederösterreich wenig berichten, außer dem ein oder anderen haarsträubenden Sager der damaligen Gesundheitslandesrätin Königsberger-Ludwig (SPÖ), die jetzt Staatssekretärin für Gesundheit in der schwarzpinkroten Koalition ist. Allerdings hab ich die Zitate offenbar nicht in meinen Sammlungen dokumentiert. Im April 2021 wollte Mikl-Leitner erst den Ost-Lockdown verweigern, nach Gesprächen mit Ex-Gesundheitsminister Anschober lenkte sie aber doch noch ein.

In Niederösterreich hat die FPÖ in einigen Gemeinden bei der letzten Wahl weitere Zugewinne erhalten. Aus eigener Erfahrung und Anekdoten kann ich berichten, dass entlang der Thermenlinie, speziell von Baden bis zum südlichen Steinfeld mehr Blau- und MFG-Wähler aktiv sind als etwa im nördlichen Weinviertel, bemerkbar durch einschlägige Aufkleber an diversen Wegweisern oder Autoaufklebern, öfter auch noch mit Coronabezug, aber auch klar rechtsextreme Inhalte.

Der Rechnungshof hat heuer erst den Rückzahlungsfonds für Coronastrafen in Niederösterreich durch die schwarzblaue Landesregierung kritisiert.

(man merkt, mir geht aufgrund der Länge und des Aufwands des Beitrags langsam die Luft aus)

Burgenland

Was Landeshauptmann Doskozil (SPÖ) gut machte: Er steigerte die Impfquote mit einer Impflotterie.

SPÖ-Landesgeschäftsführer im Burgenland, Roland Fürst, verwies im Herbst 2020 ebenfalls auf Martin Sprenger. Am 6. Dezember 2022 tweetete er außerdem das Allerberger-Interview im Profil und bezeichnete es als “spannend” und: “Wenn Herr Allerberger als “umstritten” gilt, dann wohl auch jeder und jede andere Covid-Expertin.”

Wien

Was fällt mir zu Wien ein? Die Stadtregierung ließ die Stadtparks offen, während die ÖVP-Landwirtschaftsministerin die Bundesgärten geschlossen hielt. Das hat mich als Anrainer negativ geprägt. Ich fühlte mich als autoloser Bewohner, der die Öffis nur für die Arbeit nutzen durfte, wirklich eingesperrt.

Gesundheitsstadtrat Hacker (bei den Stadt- und Landesräten für die Bewältigung der Pandemie kommt kein Bundesland gut weg) machte sich gleich einmal bei den Ärzten unbeliebt, als er im Falter-Interview meinte, sie würden teils ängstlich und hysterisch reagieren, weil unklar war, wie viel Schutzmaterial vorhanden sei.

Grafikquelle: @zeitferne (Twitter), Blogtext vom 22. April 2022

Nach dem Ende des ersten Lockdowns verteilte die rote Stadtregierung für alle Einwohner Lokalgutscheine, um die Gastronomen zu unterstützen. In Großbritannien gab es eine ähnliche Aktion, die Wissenschaftler später als fatal kritisierten – dadurch seien 45000 Personen gestorben. Das Programm hätte die Öffentlichkeit dazu angeleitet, ein epidemiologisches Risiko einzugehen. Besser wäre es gewesen, man hätte der Branche einfach das Geld überwiesen. Die nachgemeldeten Toten in Wien zeigen, dass die Infektionszahlen im Sommer deutlich höher waren als lange Zeit angenommen.

Vor der Wien-Wahl im Herbst 2020 schloss Bürgermeister Ludwig einen Lockdown dezidiert aus. Die einzige Befürworterin der damaligen Elefantenrunde, Vizebürgermeisterin Birgit Hebein (Grüne), wurde nach der Wahl abgsaglt, weil Ludwig lieber mit den Neos koalieren wollte. Das war wohl nicht der einzige Grund, aber einen schlanken Fuß machte es nicht. In der zweiten Welle gab es auch in Altenheimen und in sensiblen Spitalsbereichen in Wien Cluster. Anekdotisch hielt man es mit der Maskenpflicht nicht so genau.

Im Februar 2021 gab Ludwig gemeinsam mit Kurz eine Pressekonferenz: „Wir gehen ins Risiko“.

„Mit den heutigen Entscheidungen nehmen wir Risiko: wir haben uns die Einschätzungen der ExpertInnen angehört -und sind gleichzeitig sehr nah an den Bedürfnissen der Bevölkerung.Zwischen diesen beiden Polen haben wir ein gutes Mittelmaß gefunden.“ (Quelle: Facebook-Account, 01.02.21)

Noch im März 2021 wollte Hacker die Schanigärten öffnen, als längst absehbar war, dass die Alpha-Variante zum Problem werden wird. Junge Erwachsene säumten den Donaukanal, was zum Aktionismus veranlasste, dort eine FFP2-Maskenpflicht einzuführen, wo das geringste Infektionsrisiko bestand – relativ gesehen nämlich zu den ganzen Garagen- und Indoorpartys und zur Schule sowieso. Zugleich machte die Stadt Wien etwas richtig und stellte ein PCR-Gurgelsystem auf die Beine, zuerst in den Schulen, später für die gesamte Stadtbevölkerung. Dadurch hatte Wien eine extrem gute Testabdeckung.

Doch in einem Punkt blieb Wien nachlässig, denn die Durchimpfungsrate der 75jährigen und älter blieb vor der Alpha-Welle zu gering.

ICU-Belegung in Wien zwischen 24.01.2021 und 21.12.2022, dunkelblau: Covid-Patienten, hellblau: Nicht-Covid-Patienten, weiß: freie Betten, gelb: 10% der Gesamtkapazität (Regelversorgung eingeschränkt), rot: 33% (Triage)

Die Hospitalisierungszahlen stiegen schnell und kamen in den vollen (harten) Triage-Bereich – mit Ankündigung. So wies Intensivmediziner Klaus Markstaller am 8. März darauf hin, dass auch ohne Covid alle Intensivbetten belegt seien und die Prognosen dramatisch wären. Der Ost-Lockdown war die Folge. Von Ludwig wurden zwei Erklärungen genannt:

Dass sich die britische Mutation in allen Altersklassen viel aggressiver auswirkt und Schulen zu Orten der Ansteckung werden, das war da noch nicht klar.“ (Krone, 27.03.21)

Dass die Ostregion derzeit stärker von Infektionen betroffen ist, liege an der Nähe zu Ländern wie Tschechien oder Slowakei, wo die britische Mutation besonders stark verbreitet ist.“ (Kurier, 24.03.21)

Schulen waren vorher schon Orte der Ansteckung, das haben zahlreiche Studien und Beobachtungsdaten aus anderen Ländern schon bewiesen, u.a. auch ein Policybrief der AGES zur Wirksamkeit von Schulpräventionsmaßnahmen vom 20. Jänner 2021. Die gestiegene Infektiösität bei jüngeren Menschen wurde erst kurz vor der Ausrufung des Lockdowns wissenschaftlich veröffentlicht (Volz et al. 2021, Rasmussen 2021), doch Medienberichte gab es davor schon aus dem Ausland. Wo war better safe than sorry? Für die starke Welle muss man dann auch nicht die Ausländerkarte ziehen – die Öffnung der Schulen hat dafür völlig ausgereicht. Engmaschige Tests verhindern nun mal nur mit Absonderung Folgeinfektionen, aber keine Index-Infektionen.

Ludwig wenig selbstkritisch im Rückblick: „Ich habe Corona nie unterschätzt, da ich gesehen habe wie es den Menschen geht, die im Spital liegen. Wir wissen auch noch immer nicht, wie sich LongCovid genau auswirkt. (16.07.22, Twitter)

Es ist diese Unehrlichkeit, die mich solche langen Blogtexte schreiben lässt. Gib doch einfach zu, dass Du Dich geirrt hast und vor der Wirtschaftslobby eingeknickt bist, die immer nur einen Horizont von zwei Wochen hatten. Jetzt ging es schief und dafür sollte man geradestehen. Die Risikovariante hat mehr Leben gekostet als die Alpha-Variante.

Im Juni 2021 antwortete Hacker auf die Frage, ob die Wiener Regierung die Vorbereitung auf die zweite Welle verschlafen habe:

Wir haben vorher nicht gewusst, was auf uns zukommt. Es gab noch nie zuvor
eine Covid 19-Pandemie
.“ (19.06.21, DerStandard)

Mit Greil, Krammer, Drosten, Burgmann, Wagner, Klimek haben zahlreiche Experten schon ab April 2020 vor einer schweren Winterwelle gewarnt.

STANDARD: In der zweiten Welle hatte Österreich mehr Tote als viele andere EU- Staaten zu beklagen – gerade in Alten- und Pflegeheimen. Ist da eine Erfolgsbilanz wirklich angebracht?

Hacker:Das waren aber nicht nur Menschen, die an Covid, sondern auch mit Covid
gestorben sind. Das ist das ungelöste Problem an dieser Statistik. Unterm Strich
sehen wir nur geringe Ausschläge bei der Übersterblichkeit. Es hätte definitiv
schlimmer kommen können.

Ausgesprochen zynisch und zudem ein typisches Narrativ der Coronaverharmloser. Tatsächlich wurden über 80% der Todesfälle direkt auf Covid zurück geführt (Stillfried et al. 2022, Stellungnahme Gesundheitsministerium 2022, Trauner et al. 2023).

Am 9. September 2021 fragte DiePresse: „Da es im Kindergarten kein so dichtes Testsystem, dafür jedoch viel engen Kontakt gibt: Könnte man da von einer „kontrollierten Durchseuchung“ bei den Kindern reden?“ Hacker: „Ja, aber das ist schon die ganze Zeit so.“

Realistisch betrachtet hätte es im Kindergärten kaum Möglichkeiten gegeben, Infektionen zu verhindern, außer viel im Freien zu unternehmen, häufig Lüften, Luftreiniger und Maskenpflicht zumindest für ErzieherInnen, auch aus Selbstschutz. Privatinitiativen, CO2-Messgeräte oder Luftfilter in Kindergärten oder Schulen einzubringen, wurden abgeschmettert. Offenbar war die Sorge zu groß, dass man danach Geld in die Hand hätte nehmen müssen, um die Missstände mit “dreckiger Luft” zu beseitigen.

Im Herbst 2021 während der schweren Delta-Welle ließ Wien die Impfung für unter 12-jährige bereits offlabel zu, ehe sie im November offiziell zugänglich war. Das bewies Herz und Verstand. Schade, dass man danach nicht mehr getan hat, die Impfraten bei den Kindern weiter zu erhöhen.

Am 5. März 2022 fand der „Freedom-Day“ statt – später die beiden Benefizkonzerte für die Ukraine am Heldenplatz bzw. im Ernst-Happel-Stadium – just am Höhepunkt der BA.2-Welle und mit Überlastung der Normalstationen bei gleichzeitiger Krankheitswelle beim damals noch Maske tragenden Personal, das sich wahrscheinlich großteils bei den eigenen Schulkindern angesteckt hat. Man hätte eine Maskenpflicht verlangen können, die Personenanzahl beschränken und gleichzeitig einen Livestream anbieten.

Am 30. März 2022 duellierten sich Hacker und Gesundheitsminister Rauch in Ö1-Klartext. Hacker erläuterte den “flatten the curve”-Ansatz der Stadtregierung: “Die entscheidende Frage in der Strategie ist daher nicht, wird es zu Ansteckungen kommen, die entscheidende Frage ist, wie viele gleichzeitig? So viele gleichzeitig, dass es systembelastend wird oder schaffen wir es, nach unten zu bringen? Das ist eine der wichtigsten Benchmarks.“

Das war also der Hauptgrund für den strengen Weg. Nicht besondere Vorsicht über mögliche Spätfolgen oder Risikogruppen, die Teil der Gesellschaft sind, sondern es ging vor allem um die großen Wiener Spitäler, die in einer Millionenstadt gefährdet waren, und teilweise Patienten aus dem Umland aufnahmen.

Im Mai 2022 behielt Wien immerhin die Maskenpflicht in den Öffis bei, während sie in den anderen Bundesländern abgeschafft wurde. Viele Bürger verhielten sich sehr obrigkeitshörig: Ab der Stadtgrenze stadtauswärts wurde die Maske abgesetzt, als wäre das Virus plötzlich aufgrund der stärkeren Schwerkraft in Niederösterreich zu Boden gefallen. Natürlich gab es das auch umgekehrt.

Im Februar 2023 entschied die Wiener Stadtregierung, die Maskenpflicht mit März aufzuheben. Das sollte am Höhepunkt der XBB.1.5-Welle geschehen, übrigens auch während andere airborne Viren wieder verstärkt zirkulierten. Begründet wurde die Aufhebung nun damit, dass die Intensivstationen nicht mehr gefährdet seien. Hacker „hing die Maske schon zum Hals heraus„. Das war keine gute Public-Health-Kommunikation.

Von einem Tag auf den anderen trug kaum noch ein Fahrgast eine Maske. Von wegen, die Wiener wären vernünftiger und aufgeklärter gewesen. Sie haben die Maske wegen Ludwig getragen, nicht, weil sie eine Ansteckung und Übertragung verhindern wollten.

Man hätte in den Wiener Öffis (und außerhalb) Durchsagen machen können, die an gegenseitige Rücksichtnahme, Respekt mit Schwächeren und den Schutz jener zu appellieren, die keine Maske tragen können (Säuglinge und Kleinkinder oder Menschen mit schweren Behinderungen). Stattdessen gab es auch in Wien kaum Kontrollen, geschweige denn Strafen, und eben keine Erläuterung, warum Maske tragen sinnvoll ist, unabhängig vom „Belag“ in den Spitälern.

Die österreichische Schriftstellerin und Kolumnistin Julya Rabinowich titelte es treffend mit „Frage mich, wann aus schau auf mich, schau auf dich ein scheiss auf dich geworden ist…“ (08.02.23, Tweet)

Argumentiert wurde die Aufhebung der Maßnahmen auch mit der Omicron-Familie. Diese würde auf eine bereits durchimmunisierte Bevölkerung (vorherige Infektionen, Impfungen) treffen, wobei man geflissentlich wegließ, dass es erst seit 21. Oktober 2022 eine Impfung für 0,5-4jährige gab.

Hacker am 9. Februar 2023 im ZiB2-Interview:

Wir können aber mit unseren Maßnahmen aufhören, weil wir wissen,
dass diese Infektionswelle, die vor uns steht, zwar infektiös ist, aber nicht
kränker macht.

Relative und absolute Risiken. Natürlich gab es noch bis weit in 2023 hinein Tote, Schwerkranke und Long Covid-Betroffene durch die Infektionswellen (XBB.1.5, EG.5.1 und JN.1). Für den Einzelnen war das Risiko einer schweren Erkrankung je nach Impfstatus zwar geringer, aber für die Gesamtbevölkerung ergaben sich immer noch nennenswerte Fallzahlen.

In der schweren Winterwelle 2023 mit JN.1, als es in Österreich nochmals zu erheblicher Übersterblichkeit kam, gab es nicht einmal Empfehlungen, in den Wiener Öffis eine Maske zu tragen. Da hätten die Wiener Linien mit gutem Beispiel vorangehen können.

Ein entsprechender Antrag der FPÖ (!) auf “Flächendeckende Luftfilter und Belüftungsanlagen in Kindergärten und Schulen” wurde vom Wiener Gemeinderat am 24. Jänner 2024 abgelehnt. Die FPÖ hat ironischerweise schon viel früher Luftfilter gefordert, weil sie die Masken und Tests damit früher abschaffen wollten.

im Sommer 2023 wurden zahlreiche Long Covid-Ambulanzen geschlossen, laut Wiener Gesundheitsverbund (WIGEV)

“… sei der Bedarf gesunken – das berichtet “orf.at”. Das liege auch daran, dass niedergelassene Neurologinnen und Neurologen etwaige Symptome  mittlerweile ebenfalls gut behandeln können.”

Eine klare Lüge, wie Betroffene bei der Selbsthilfegruppe/Verein Long Covid Austria richtig stellten:

Wien könnte ab 2027 (!) Modellregion für MECFS Betroffene werden. Eine Entwicklung, sicher besser spät als nie, die für viele Betroffene leider zu spät kommen wird – darunter auch für viele, die unter Long Covid mit PEM leiden, bei denen also körperliche und geistige Anstrengung zu einer nachhaltigen Verschlechterung führen kann.

Insbesondere bei der Unterstützung von Langzeitbetroffenen besteht in Wien noch viel Luft nach oben, wie auch in anderen Bundesländern. Zumindest hat das Nationale Referenzzentrum für postvirale Syndrome, geleitet von Primary Care -Medizinerin Kathryn Hoffmann und Immunologin Eva Untersmayr-Elsenhuber, seine Arbeit aufgenommen und bietet Wissensaufbereitung, internationale Zusammenarbeit, Anlaufpunkt für Studien und Weiterbildung.

Was als Fazit bleibt: Die Schulen waren Infektionsradar (engmaschige Tests), aber damit wurden die Infektionen zwar gut dokumentiert, aber Indexfälle nicht verhindert. Für saubere Luft hätte man mehr tun und Privatintiativen wohlwollender aufnehmen können. In einer Großstadt wie Wien wäre es auch nach Ende Februar 2023 angebracht gewesen, eine Maskenempfehlung auszusprechen – zu Infektionswellen auch in den Apotheken und generell im Gesundheitswesen, wenigstens bei Symptomen. Teilweise ist das geschehen, etwa bei Arztpraxen oder auf Spitalsstationen, aber es ist ein Flickenteppich.

Die engmaschigen Gratis-Testangebote für die Wiener haben vor allem jene genutzt, die ohnehin mehr aufpassten, während es die Coronaverharmloser oder bestimmte Bevölkerungs- und Berufsgruppen gar nicht erreicht hat. Das hat der Gesundheitsökonom Thomas Czypionka kritisiert, und später der Rechnungshof über die allgemeine Teststrategie.

Gesamtfazit:

Todesfälle nach Geschlecht und Alter in den Bundesländern und Gesamtösterreich, jeweils pro 100 000 Einwohner, bis 30. Juni 2023

Hat Wien mit seinem strengen Weg besser abgeschnitten? Nein. Das lag aber nicht daran, dass die Maßnahmen wirkungslos waren, sondern Maßnahmen nur dann wirken, wenn sie a) befolgt werden und b) dort gelten, wo das Infektionsrisiko hoch ist. Die meisten Infektionen fanden in der Gastronomie, im Schulbereich, am schlecht belüfteten Arbeitsplatz und ab etwa 2023, 2024 vermehrt auch im Gesundheitswesen statt. Die Zahl der Todesfälle übersieht zudem, dass auch hinter schweren Verläufe mit Spitalsaufnahme menschliche Schicksale stecken. Sie haben zudem ein deutlich höheres Risiko für bleibende Spätfolgen, durch längere Beatmung oder den Intensivaufenthalt selbst, als auch für Long Covid, und nicht zuletzt übersieht die Fixierung auf Todesfälle die große Gruppe an Betroffenen postviraler Syndrome, die durch die Pandemie noch viel größer geworden ist. Sie wird mit abnehmender Inzidenz zwar langsamer wachsen, aber auch andere Infektionskrankheiten können PAIS (post-akute Infektionssyndrome) erzeugen. Die Betroffenen verschwinden nicht, weil SARS-CoV2 nun endemisch ist und dauerhaft unter uns zirkuliert.