Die Prävalenz gibt Aufschluss über bestehende Fälle, die Inzidenz über neu auftretende Fälle.

„An enduring lesson from studying the epidemiology of long Covid is that time itself is a major confounder in risk prediction. PASC is not just an array of symptoms but spans a continuum after SARS-CoV-2 infection. As such, a patient’s long-term clinical course not only depends on the initial response to the virus and the resetting of the immune system due to chronic inflammation but also relates to points in time. These multiple variables must be considered when trying to understand the clinical picture of long Covid, including the time in the hospital, the time of or between vaccinations, the length of time since the first infection or between reinfection, the timing of treatment, the point in time of exposure to a particular viral strain, and the timing of the appearance of symptoms. These many variables confound both risk estimates and prognostic indicators.“

Clifford J. Rosen (2024)

Die grundsätzliche Qualität der Studien und genannten Prozentangaben hängt stark von der jeweiligen Definition und Datenbasis in den erhobenen Regionen ab. Entsprechend gibt es eine große Varianz bei den meisten Studien.

Geographische Prävalenzunterschiede

Die globale Prävalenz betrug bis Anfang 2022 etwa 0,43% (Chen et al. 2022), in arabischen und nordafrikanischen Ethnien lag sie höher als im Durchschnitt (Hermans et al. 2025). In Afrika wirkt sich vor allem die geringe Impfquote auf die höhere Prävalenz aus. In den USA betrug die Prävalenz Anfang 2024 rund 6,4-6,8% (Ford et al. 2024), ein Viertel der Betroffenen berichtete von erheblichen Alltagseinschränkungen (Alice Burns 2024). In Kanada hat jede neunte infizierte Person LC-Symptome, beinahe die Hälfte zeigt keine Verbesserung der Symptomatik mit der Zeit (Kuang et al. 2023). In Brasilien sind verstärkt betroffen: Frauen, niedriges Bildungsniveau, Begleiterkrankungen, unvollständige Grundimmunisierung, Atemnot bei der akuten Infektion (Azambuja et al. 2024). . In Europa waren bis 2024 insgesamt rund 36-39 Millionen Menschen betroffen (OECD-Studie).

In UK hatten 5% der Befragten im Jahr 2023 Long Covid, 9% waren sich unsicher (Woodrow et al. 2025). Die Zahl der Betroffenen ist laut ONS seit 2022 kontinuierlich zurückgegangen. In den Niederlanden sind 5% der jungen Menschen zwischen 12 und 25 Jahren betroffen, davon fühlt sich ein Fünftel in ihrem Alltag stark eingeschränkt (PEM? MECFS?), bei 9% bestehen die Beschwerden bereits seit 2-3 Jahren, bei einem Drittel begannen sie vor 1-2 Jahren (mit Omicron-Varianten). In 44% der Fälle wurde die Krankheit nicht offiziell diagnostiziert. In Schweden sollen von jungen Erwachsenen 16,5% betroffen sein (Morgensen et al. 2023), die Zahl für Kinder ist ähnlich, Mädchen sind stärker betroffen (Jiang et al. 2023), Frauen sind stärker von neurologischen Symptomen durch Covid-bedingte Autoimmunerkrankungen betroffen als Männer (Gu et al. 2023). In Deutschland auf Anfrage gab die Bundesregierung 2023 folgende Zahlen heraus: 6-15% bei allen Infizierten, 1-4% bei Kinder und Jugendlichen.

Für Österreich ist von einer deutlichen Untererfassung auszugehen, da im niedergelassenen Bereich nicht kodiert wird.

aus Winkler et al., April 2022 – im Auftrag der GÖG

In UK hat man die Long Covid-Daten auch branchenspezifisch untersucht, dort waren bis 2023 am häufigsten Sozial- und Gesundheitsarbeiter betroffen, gefolgt vom Erziehungsbereich. Tendenziell sind Menschen, die „mitten im Leben stehen“ (18-59) deutlich häufiger betroffen als jüngere und ältere Altersgruppen (FAIR White Paper 2022, Carlile et al. 2024, MDR-Bericht 2024).

In UK haben bestimmte chronische Erkrankungen auch 2024 weiterzugenommen, wie eine umfangreiche NHS-Publikation zeigt (Hoher Blutdruck, Schlaganfälle, neurologische und psychische Erkrankung).

Inzidenz

Folgende Zahlen beziehen sich auf Long COVID, womit alle Schäden gemeint sind, die SARS-CoV2 länger als vier Wochen lang im menschlichen Körper anrichtet, z.B., wenn Menschen aufgefordert werden, alle Symptome aufzuzählen. Etwa 10-20% aller SARS-CoV2-Infektionen gehen mit LongCovid weiter. Davon entwickeln 2-4% PAIS (Post Covid). Von diesen entwickeln rund 30-50% MECFS, eine schwere neuroimmunologische Erkrankung.

Die kumulative globale Inzidenz beträgt in Fällen ausgedrückt rund 400 Millionen Individuen, was einen wirtschaftlichen Schaden von etwa einer Trillion Dollar verursacht, das entspricht rund 1% der Weltwirtschaft (Al-Aly et al. 2024).

Die Inzidenz ist abhängig u.a. von …

  • Schwere der Anfangsinfektion (asymptomatisch, mild, schwer)
  • Anzahl der Reinfektionen
  • jeweiligen Virusvariante
  • Altersgruppe (Kinder, Jugendliche, Erwerbsfähige, alte Menschen)
  • Vorerkrankungen (Immunsystem)
  • Geschlecht
  • der Anzahl der Impfungen (Reduktion des LC-Risikos)

Ein systematischer Review aus 50 Studien und mit über 14 Mio. Personen hat folgende Risk Ratios ergeben:

  • Verlust des Geruchssinns 4,31
  • Verlust des Geschmacksinns 3,71
  • Konzentrationsmangel 2,68
  • Gedächtnisprobleme 2,53
  • Haarausfall 2,38
O’Mahoney et al. (2025)

Einfluss der Virusvarianten

Untersuchungen zu Wildtyp, Alpha, Delta und Omicron Varianten (bis BA.5) haben ergeben, dass bei allen Varianten ähnliche Symptom-Muster und Schweregrade von LC aufgetreten sind. Mehr als 50% der Patienten zeigten auch nach 1,5 Jahren keine wesentliche Verbesserung. Patienten, die sich mit Omicron-Varianten ansteckten, erfuhren tendenziell mehr schwere Langzeitverläufe ohne Verbesserung (Agergaard et al. 10/2023). In Brasilien sorgte die Gamma-Variante für stärkere kognitive Einschränkungen bei älteren Menschen (Peixoto et al. 2024).

Mit dem Auftreten der ersten Omicron-Subvarianten stellte man ein ähnlich hohes LC-Risiko bei 3fach Geimpften zwischen Delta und BA.1 fest (8%), bei BA.2 war es mit 8-11% etwas höher (Ayoubkhani et al. 2022). Bei BA.1 und BA.2 wurde nach der Impfung weniger LC beobachtet als ohne Impfung (Nehme et al. 2022). Ein individuell verringertes Risiko wird bei BA.1 gezeigt (Brannock et al. 2023), sowie bei BA.2 – Wer nach der ersten Infektion kein LC bekam, hatte ein geringeres Risiko für erstmaliges LongCOVID bei weiteren Infektionen. (Diexer et al. 2023).

Wenn man den Impfstatus berücksichtigt, verursachen Omicron-Varianten nicht weniger Longcovid (Gottlieb et al. 2023, Ballouz et al. 2023) – sprich, wer ungeimpft ist oder längere Zeit nicht auffrischt, profitiert nicht von sinkendem LC-Risiko mit den derzeit herrschenden Omicron-Varianten. Eine andere Interpretation ist, dass zwar das individuelle Risiko mit Omicron gesunken sei, nicht aber auf Bevölkerungsebene, weil Omicron deutlich ansteckender ist (Khanh et al. 11/2023). Zudem gibt es mit Omicron eine Tendenz zu schwereren Verläufen (Hendrix et al. 2023 preprint – Qualität unklar).

Eine große Befragung/Gesundheitsdaten von Veteranen in den USA zeigt, dass die kumulative Inzidenz von LC ein Jahr nach der Infektion bei Ungeimpften von 10,4 pro 100 Erwachsene vor Delta auf 7,7 in der BA.1-Ära gesunken ist. Bei Geimpften von 5,3 in der Delta-Ära auf 3,5 in der BA.1-Ära. Rund 70% des Rückgangs sind auf die Impfung zurückzuführen und rund 30% auf Variantenevolution. Mit BA.1 gab es anteilmäßig mehr Magendarm- und Stoffwechselerkrankungen. Jede Variante hat ihren eigenen LongCOVID-Fingerprint. Das verbleibende Risiko von 3,5% unter den Geimpften ist weiterhin beträchtlich – gesamtgesellschaftlich gesehen (Xie et al. 2024; wichtige Einschränkungen: ältere, überwiegend männliche Teilnehmer, Untersuchungszeitraum: Wildtyp bis BA.1! Steigende Grundimmunität).

Da weltweit der Anteil der Genomsequenzierungen bei Patienten weiter abnimmt, wird es immer schwieriger, den Einfluss von Varianten auf die Schwere einer akuten und Langzeiterkrankung zu bestimmen.

Alpha und Delta hatten höhere Immunflucht des angeborenen Immunsystems verglichen mit Wildtyp, während sie bei BA.1 und BA.2 viel schwächer ausgeprägt war verglichen mit BA.5

Reinfektionen

Grundhypothese:

Mit wiederholten Infektionen wird die Grundimmunität (T-Zellen-Immunität) gegen neue Virusvarianten verbreitert. Wie bei den humanen Coronaviren (NK-63, OC43, etc.) ist die Antikörper-Immunität kurzlebig (1-2 Jahre), man steckt sich regelmäßig an, erkrankt aber immer seltener schwer, weil das Immunsystem immer früher den Erreger erkennt und die Immunabwehr hochfährt.

Gegenhypothese:

Je häufiger man sich mit SARS-CoV2 infiziert, desto höher das Long Covid Risiko – das kumulative Risiko würde nach drei Infektionen schon über 30% betragen.

LC-Forscher Al-Aly hielt unmissverständlich fest, dass wiederholte Infektionen ein zusätzliches LC-Risiko darstellen (Statnews, 20.09.23).