Aus Gründen der Transparenz ist diese Seite für meine laufenden Irrtümer während der Pandemie und danach.
2020
Wahr: Schmierinfektion wurde überschätzt
Schmierinfektion wurde von Beginn an überschätzt – das gilt insbesondere auch für unsachgemäße Handhabung von Schutzmasken. Der Hauptübertragungsweg sind Aerosole, das heißt, winzige virusbeladene Tröpfchen, die eingeatmet werden. Schmierinfektion ist als Übertragungsweg bei respiratorischen Erregern sehr begrenzt nachgewiesen worden. (Mondelli et al. 2020, Port et al. 2020, Zhang et al. 2021, Rocha et al. 2021, Butot et al. 2022, Zhang et al. 2022, Pan et al. 2023, Matsui et al. 2024, Lin et al. 2024). Damit war und ist der exzessive Gebrauch von Seife und Desinfektionsmittel sowohl auf Oberflächen als auch der Hände übertrieben, um eine Infektion mit SARS-CoV2 zu verhindern.
Bei Magendarm-Viren wie dem Norovirus oder bestimmten Bakterien sieht es anders aus – da ist eine regelmäßige Handhygiene sinnvoll, ebenso wenn mit leicht verderblichen Lebensmitteln gearbeitet wird. Dann gilt die besondere Sorgfalt aber explizit anderen Krankheitseregern und nicht SARS-CoV2. Die Wahrscheinlichkeit, sich alleine dadurch anzustecken, dass man die Maske falsch angreift oder die Haltestange im Bus umklammert und sich anschließend mit dem Finger ins Aug fährt, ist sehr sehr gering.
Ich möchte ausgiebige Desinfektion damit nicht als unnötig bezeichnen. Es gibt Menschen mit schwachem Immunsystem, die anfälliger für virale und bakterielle Infekte sind als andere, und die das in der Regel wissen. Da mag es sehr wohl sinnvoll sein, häufiger als andere zu desinfizieren. Wegen SARS-CoV2 und vielen respiratorischen Viren wie Influenza, RSV, Rhinoviren, saisonale Coronaviren, etc. ist es aber nach nicht notwendig.
Die von ECDC und WHO bis heute empfohlene Husten-Nies-Etiquette („Hand vor den Mund“, „in die Armbeuge niesen“) hat keine Evidenz für Wirksamkeit, weil kleinste Tröpfchen in der Gesamtheit überwiegen und nicht blockiert werden (Zayas et al. 2013) – es mag aus Gründen der Höflichkeit sinnvoll sein, aber verhindern, dass sich das Gegenüber infiziert, tut man damit nicht.
Wahr: Sportliche Überlastung fördert Erkrankungen
“Wenn man jeden Tag 200 km am Limit Rad fährt, dann ist das Immunsystem schon ein bisschen geschwächt.”
„Weiß, dass Fahrer mit Covid fahren“ (11.07.24)
Ich kann mich noch an die Aussagen von Sportminister Werner Kogler (Grüne) zu Beginn des ersten Lockdowns erinnern, als es zwar keine expliziten Verbote, aber Empfehlungen gab, nicht zu lange und zu exzessiv Sport zu treiben. Damals tat ich diese Aussagen als absurd und irrelevant ab.
Tatsächlich ist der “Open Window Effect” für Profisportler und exzessiv trainierende Hobbysportler aber schon länger wissenschaftlich untersucht (D.C. Nieman 1995, Neil P. Walsh 2018, Simpson et al. 2020). Bis zu 8 Stunden nach dem Training ist die Aktivität von Lymphozyten, Killerzellen herabgesetzt (Kakanis et al. 2010) und das Immunsystem empfänglicher für Infektionen. Ein Mini-Review ergab keine klaren Empfehlungen für oder gegen Intensivtraining während der Anfangsphase der Pandemie (Ferreira-Júnior et al. 2020). Tourfahrer T. Pogacar bekommt regelmäßig während der langen Grand Tours Herpesbläschen, weil sein Immunsystem so geschwächt ist, dass Herpesbläschen reaktiviert werden. Gelegenheitssportler neigen dazu, zu intensiv zu trainieren und fallen dann besonders leicht ins Offene Zeitfenster, wo das Immunsystem beschäftigt ist, Zellschäden zu reparieren und die Stresshormone herunterzufahren.
Weitere Faktoren, die ein “Open Window” sein können:
- Kälte und zu dünne Bekleidung
- ausgekühlte Schleimhäute (Filtereigenschaft der Nasenschleimhaut herabgesetzt)
- nasse Haare, kalte Klimaanlage, Luftzug
- Schlafdefizit
- Stress
Wichtig ist aber: Ausgenommen von Herpesviren können Infektionskrankheiten (“ich hab mich verkühlt”) nur auftreten, wenn es einen Erreger von außen gibt! Wer nach einer intensiven Sporteinheit also nach Hause fährt, sollte große Menschenmengen oder symptomatische Personen (Öffentliche Verkehrsmittel, Einkaufen, Lokalbesuch) besser meiden bzw. eine Maske tragen. Nach moderaten Einheiten ist der Open Window Effect sicherlich kürzer als nach einer Tour de France Etappe.
Zum Zeitpunkt der Kogler-Aussagen gab es noch keine Empfehlungen für Masken. Damit war sein Hinweis richtig und wichtig, um erhöhte Empfänglichkeit für Infektionen zu verhindern. Umgekehrt schützt aber auch moderater Sport nicht vor einer Infektion oder Long Covid, sondern nur eine kürzliche, angepasste Impfung und Schutzmaßnahmen.
Wenn man an die Superspreading-Events in Ischgl denkt, war eine vollgestopfte Bar mit rotzenden und alkoholisierten Menschen nach dem Skisport ideal, damit sich Menschen gehäuft und leichter ansteckten.
Wahr: Clemens Arvay war keine glaubwürdige Quelle
Auf eine Empfehlung hin kaufte ich mir sein Buch über den Biophilia-Effekt, wonach der Aufenthalt im Wald die Zahl der Killerzellen im Blut steigern würde. Das Buch hatte ich im Februar 2020 begonnen, wiewohl ich über das Vorwort von Esoteriker Rüdiger Dahlke entsetzt war, dessen umstrittene Dokumentation über Lichtnahrung vom ORF gesendet wurde. Danach konnte ich das Buch nicht mehr ernstnehmen. Später fand ich einen Gastbeitrag von Arvay im Forum Sempervivum, das von Wolf-Dieter Storl gegründet wurde. Storl hat einen rechtsesoterischen Hintergrund. Arvay klärte zu der Beginn der Pandemie über seinen Youtube-Kanal auf, bis er einmal auf Bill Gates und die RNA-Impfstoffe zu sprechen kam und damals mehrmals betonte, dass er kein Verschwörungstheoretiker sei. Das hat mich als Naturwissenschaftler dann doch skeptisch gemacht und zum Glück hab ich mich rechtzeitig distanziert, bevor ich falsch abgebogen wäre. Sein 2023 begangener Suizid wurde insbesondere in rechtsesoterischen Kreisen als Märtyrertod instrumentalisiert.
Der Effekt des Waldbadens [Terpene in Nadelwäldern] war jedenfalls höchstens eine temporär gesteigerte Killerzellenaktivität. Viele zuvor gesunde LeistungssportlerInnen und BergsteigerInnen sind dennoch schwer oder chronisch an SARS-CoV2 erkrankt.
Wahr: Ein starkes Immunsystem schützt nicht vor schwerer Erkankung
Mitte März 2020 ging ich wie viele noch davon aus, dass vorwiegend ältere und chronisch kranke Menschen mit schwachem Immunsystem einen schweren Verlauf bekommen könnten. Es war aber ein Irrglaube, dass eine gesunde Lebensweise mit viel Sport zwangsläufig vor schweren Verläufen schützte. Zudem wusste ich damals noch nichts von den Spätfolgen, die auch nach milden Verläufen auftreten können. Ich denke, ich wollte dieser Behauptung Glauben schenken, um selbst in keine Panik vor einer Ansteckung zu verfallen.
Der Spin, das ein starkes Immunsystem vor Krankheit schützt, kommt nicht zufällig aus dem rechten Eck. An Krankheit und Schwäche sei man selbst Schuld. Nicht zufällig befanden sich im Firmenverzeichnis der Pandemieleugner zahlreiche alternativmedizinische Kleinunternehmer.
Wahr: Vitamin D ist kein Allheilmittel bei einer Infektion
Ich folgte anfangs dem britischen Krankenschwester-Ausbilder Dr. John Campbell, der schon früh Vitamin D als mögliche präventative und akute Therapie für Covid19 zum Hauptthema machte. Aus dieser Zeit stammen auch meine Literaturhinweise auf Vitamin D. Meine Twitter-Timeline, darunter auch viele Ärzte, waren von Beginn an skeptisch bezüglich Nutzen von Vitamin D. Zugegeben, und das war meine Achillesferse in den ersten Monaten, hing ich da selbst Wunschdenken nach und sehnte mich wie so viele Menschen nach einer einfachen, praktikablen Lösung – als ob hochdosierte Vitamine und andere rezeptfreie Hausmittel das individuelle Risiko senken könnten. Doch ist dem nicht so. Ich hätte auf die Ärzte hören sollen, die genervt sofort abgewunken haben, sobald man Vitamin D erwähnt hat.
Denn ein Nutzen ist nie belegt worden. Hochdosiertes Vitamin D bringt also bei einem milden Verlauf zuhause keinen zusätzlichen Nutzen. Unbelegt ist auch der Nutzen von Vitamin C noch Zink. Bei Vitamin D ist er unklar. Der empfohlene Einsatz kommt aus der orthomolekularen Medizin, einer alternativmedizinischen Behandlungsmethode, für die es allerdings keinen wissenschaftlichen Nachweis gibt.
Nobelpreisträger Linus Pauling war überzeugt, dass hochdosiertes Vitamin C nicht nur vor Erkältungen, sondern auch vor Krebs schützt. Nguyen-Kim klärt auf: Vitamin C verringert das Erkältungsrisiko im Schnitt um 3%, verkürzt die Erkrankungsdauer bei Erwachsenen um 8%, bei Kindern um 14%. Ob das bei Covid19 den schlagenden Erfolg hatte, sei dahingestellt. Von der dauerhaften Einnahme von hochdosierten VitC/D-Präparaten ist jedenfalls abzuraten, weil man damit u.a. die Bildung von Nierensteinen fördert. Deswegen bin ich auch eher grantig, wenn unsere Gewerkschaft am Ende vom Winter hochdosierte VitC-Tabletten an ihre Mitglieder ausgibt, sich aber sonst Null für Prävention einsetzt.
Wahr: Herdenimmunität war nie über Durchseuchung erreichbar
Bis zu den ersten Berichten über Longcovid dachte ich wie viele, dass jeder die Infektion durchmachen muss, um die Pandemie durch Herdenimmunität zu beenden. „Flatten the Curve“ war die Devise, bis die Impfstoffe da waren. Tatsächlich war diese Herdenimmunität unrealistisch (Yewdell 2021).
Saisonale Coronaviren zirkulieren jedoch dauerhaft in der Bevölkerung, nur wenig mutierende Viren wie Masern oder Polio wären durch die Impfung ausrottbar. Die mRNA- und Protein-Impfstoffe erzeugen keinen dauerhaften Schutz gegen erneute Infektion.
Wahr: Kein bewiesener Schutz vor Infektion durch Nasensprays
Seit dem Sommer 2020 hatte ich auch das Coldamaris-Nasenspray beworben, dessen Rotalgenextrakt Carragelose (Carrageenan) das Virus angeblich neutralisiert und die Zellen vor einer Infektion schützen soll (siehe Aussendung von Hersteller Marinomed).
Generell sollen Gurgellösungen, Nasensprays und Lutschtabletten helfen, die Schleimhäute feucht zu halten, damit Viren schlechter anhaften können (Quelle). Zumindest für die Rotalgen-Nasensprays wie das oft beworbene Coldamaris Plus ist ein Nutzen aber nicht belegt (Quelle: medizin-transparent).
Die öfter angesprochene klinische Studie zu Coldamaris fand unter Leitung von Christoph Wenisch im SMZ-Süd beim Spitalspersonal statt. Davon hat man allerdings seit dem Jahreswechsel 2020/2021 nichts mehr gehört, und mit der Durchimpfung des Spitalspersonals hätte die Studie enden oder angepasst werden müssen.
Auch zu Gurgellösungen wie Listerine gab es kritische Beiträge von CORRECTIV und Tagesschau. Viren, die bereits in Zellen eingedrungen sind, kann eine antivirale Lösung nicht mehr erreichen. Eine Milderung der Symptome ist damit unwahrscheinlich. Gurgeln erreicht auch nur den Rachen, nicht die Nasenschleimhaut.
Bleiben VirX, Bioblock, etc: Studien zu innovativen, bahnbrechenden Nasensprays sind oft vom Hersteller finanziert, die natürlich Interesse daran haben, ihr Produkt zu verkaufen (Interessenskonflikte). Ich muss leider eingestehen, dass ich hier mehr auf den Gruppendruck als die Werbung selbst hereingefallen bin und wahrscheinlich über Jahre hinweg viel zu viel Geld ausgegeben habe. Lieber investiere ich das Geld jetzt in hochwertige Schutzmasken und Luftreiniger.
Wahr: Die Witterung hat zumindest einen indirekten Einfluss auf die Fallzahlenentwicklung
Bei gemäßigten Temperaturen herrschte der geringste Einfluss, während bei Hitze und Kälte in Innenräumen häufig Klimaanlage oder Heizung laufen. Die Luft ist dann besonders trocken. Die Atemwege werden aber durch die Selbstreinigung frei gehalten („mucociliary clearance„) – dabei werden Partikel in der Atemluft durch den Schleim aus der Lunge befördert. Trockene Luft beeinträchtigt diesen Vorgang und erhöht das Risiko, dass ein Viruspartikel auf eine Körperzelle trifft und sie infiziert.
Selbst in diesem Fall gibt es noch die zelleigene Immunantwort mit Interferon als Hauptakteur. Bei 37°C Körpertemperatur ist diese biochemische Reaktion optimiert. Im Winter ist die Oberfläche der Atemwege aber der kühleren Atemluft ausgesetzt. Bei 28°C ist die Interferonaktivierung deutlich verzögert. Die Verzögerung der Abwehrmechanismen kann die entscheidende Rolle spielen, dass sich Viren schneller vermehren.
In beiden Fällen gilt aber: Viruspartikel müssen überhaupt erst anwesend sein, um sich zu infizieren. Kalte Klimaanlagenluft reicht ebenso wenig wie trockene Heizungsluft noch der berühmte „kalte Luftzug“. Wenn ich mich vorher nicht infiziert haben, friert man einfach oder hat einen trockenen Hustenreiz, aber wird deswegen nicht krank.
Vom Wetter selbst sind viele Superspreader-Gelegenheiten unbeeinflusst: Schule findet ganzjährig überwiegend drinnen statt, auch im Hochsommer gibt es keine Sitzplätze auf den Flugzeugtragflächen und für den Öffentlichen Verkehr gilt das Gleiche. Im Winter wird aber seltener gelüftet „weil es zieht“, während das Lüften im Sommer meist weniger effektiv ist durch den geringen Unterschied zur Außentemperatur.
Die Jahre mit Corona zeigen, dass neue Wellen durch abnehmende Immunität und neue Varianten getrieben werden. SARS-CoV2 erzeugte von Beginn an die höchsten Wellen im Winterhalbjahr, sowie ein sekundäres Maximum in der warmen Jahreszeit. Wenn sich signifikant veränderte Varianten durchsetzen können, kann es auch große Sommer- und kleinere Winterwellen geben (siehe 2022 in Österreich oder 2024 in den USA).
2021
Wahr: Dr. John Campbell ist falsch abgebogen
In den ersten Wochen der Pandemie habe ich parallel zum NDR-Podcast mit Virologe Drosten täglich die Youtube-Erklärungen von Dr. Campbell, einem Krankenpfleger-Lehrer in Pension, verfolgt. Er informierte über die Situation in UK, weltweit und stellte meist ein oder mehrere Paper vor. Durch ihn hatte ich frühzeitig die Info, dass etwa Übergewicht (BMI) ein bedeutender Risikofaktor für einen schweren Verlauf ist.
Im Laufe des Sommers 2020 wurden mir die Podcasts zunehmend zu langwierig, denn ich hatte mittlerweile eine schlagkräftige, kompetente Timeline aus Expertinnen und Experten zusammengestellt. Zudem sah ich meinen Irrtum mit Vitamin D zunehmend ein und konnte die Fixierung darauf nicht mehr mitgehen. Seitdem hab ich nichts mehr verfolgt.
Dr. Rohin Francis (Kardiologe, @MedCrisis) stellte am 24.01.22 wegen eines Youtube-Beitrags von Campbell nüchtern fest:
“John Campbell has completed his inexorable and predictable journey from sensible health educator to full-on crank.”
In dem verlinkten Beitrag behauptet Campbell, dass nur 17371 der 137133 Toten bis September 2021 ohne Vorerkrankungen, also durch Covid selbst bedingt waren. Die Mehrheit wäre “mit” und nicht “an” Covid gestorben, was kompletter Bullshit ist. Insbesondere weil “Vorerkrankungen” suggeriert, dass sie ohne Covid19 an was anderem gestorben wären – dabei hätten viele noch Jahrzehnte zu leben gehabt. Auf Youtube nahmen Ärzte Campbells Aussagen auseinander (hier in textlicher Form).
Crisis ergänzt, dass Campbell inzwischen 2,14 Millionen Zuseher hätte, 427 Millionen Klicks auf beinahe 2000 Videos. Durch Youtube-Werbeschaltung würde er monatlich zehntausende Pfund einnehmen. Eine Userin bezeichnet es so:
“Audience capture is a worse disease than covid.”
Diese Erkrankung haben so einige followerstarke Twitterer bekommen, und ich möchte nicht ausschließen, dass ich dafür selbst anfällig wurde.
2022
Wahr: Die Impfpflicht hätte wahrscheinlich nicht funktioniert
Ich hab die Impfpflicht lange Zeit verteidigt und auch die Abschaffung der in Österreich nie exekutierten Impfpflicht für falsch gehalten, denn es gab mit dem Übergang zu Omicron keine Hinweise darauf, dass von nun an alle Infektionen deutlich milder verlaufen würden. Zumindest im Gesundheits- und Erziehungsbereich hätte man sie durchsetzen müssen. Das völlig falsche Signal war und ist in meinen Augen gewesen, Kinder, Jugendliche und Schwangere von der Impfpflicht auszunehmen. Wie man heute sieht, hat diese Bevölkerungsgruppe nach der Pandemie keinerlei Infektionsschutz (mehr), nicht einmal zwingend auf Frühgeburtenstationen in Spitälern.
Die Impfpflicht war aber in einem konservativ-braun-esoterisch geprägten Land wie Österreich von Beginn an Wasser auf die Mühlen der lautstarken Gegner und hat mehr Widerstand als Verständnis erzeugt. Statt aufklären und überzeugen mit sachlichen Argumenten, wollte die Regierung wieder einmal über Strafen gehen.
Mit Omicron ist dann auch ein wesentlicher Grund weggefallen, nämlich der Schutz vor Infektion durch die Impfung. Bei Delta hätte das mit drei Impfdosen als Grundimmunisierung noch funktioniert. Bei Omicron hätte es einen bevölkerungsweiten Effekt gegeben, also eine deutliche Inzidenzreduktion, weil der Impfstoff zumindest kurzzeitig einen Ansteckungsschutz bot, aber durch die Ausnahme der Kinder und Jugendlichen und der Durchseuchung in den Schulen hätten sich viele trotzdem infiziert, und das hätte das Impfargument erneut geschwächt. Bis heute verstehen ja viele Impfgegner nicht, dass die Impfung ursprünglich nur vor schweren Verläufen und Tod schützen sollte, nicht vor Ansteckung und Symptomen.
Wahr: Der Ton macht die Musik
Ende Februar 2022 überfiel Russland die Ukraine und begann einen grausamen Vernichtungskrieg, der bis heute andauert. Die Regierung nutzte die Gunst der Stunde durch die Verschiebung der Aufmerksamkeit, um die lästigen Schutzmaßnahmen weitgehend abzuschaffen. Die Hoffnung war, dass das milde Omicron die Bevölkerung durchseuchen und Herdenimmunität erzeugen würde. In Zeiten hoher Infektionszahlen (BA.2-Welle) fanden im März zwei Benefizkonzerte in Wien statt, bei dem man vor allem Maskenträger vermisst hat, In Wien waren gab es einen geringen Effekt auf die Fallzahlenentwicklung. Ich hab die Organisatoren dafür heftig kritisiert, angestachelt durch eine empörte Minderheit, die zudem ein Grundmisstrauen gegenüber diesen hatte. Das hat viel – auch persönliches Porzellan – zerschlagen.
Hätte ich das anders lösen können? Ja. Statt öffentlichem Bashing hätte ich es zuerst mit einem persönlichen Gespräch versuchen können. Auch in Zeiten von Kontaktbeschränkungen stehen Mittel wie WhatsApp oder DMs offen. Heute bereue ich es, dass ich mich damals vor den Karren spannen ließ und auch Freunde frontal angriff.
Wahr: ZeroCovid nicht in jedem Land umsetzbar
Hier möchte ich unterscheiden zwischen wissenschaftlich realisierbar und politische Realitäten. Aus wissenschaftlicher Sicht hätte ZeroCovid funktioniert und mit einer pro-aktiv informierten Bevölkerung, die empathisch über die Vorteile aufgeklärt wird, hätte man die Fallzahlen so lange auf nahe Null senken können, bis der Großteil geimpft ist. In Neuseeland hat das funktioniert.
Österreich hat ein enormes Stadt-Land-Gefälle und eine stockkonservative Bevölkerung. „Das Virus gibts nur in der Stadt“, dachte die Landbevölkerung lange Zeit. Mit der ÖVP war eine populistische Partei und mit den Grünen eine esoterisch angehauchte Umweltpartei an der Macht, als die Pandemie sie völlig unvorbereitet traf. Wissenschaft hatte noch nie den höchsten Stellenwert im Land, was historische Gründe hat – etwa Antisemitismus und Intellektuellenfeindlichkeit. Es hätte einfach nicht funktioniert, noch dazu durch den Förderalismus und die Landeshoheit bei Gesundheitsthemen, selbst in einer Pandemie. Da war ich wohl zu naiv, mit den falschen Personen an den Schlüsselstellen, etwa Allerberger in der AGES, Apfalter in der ÄK in OÖ, Kerbl in der ÖGKJ, Reinhild Strauss im Gesundheitsministerium, und auch etlichen GBD-Sympathisanten in den Bundesländern konnte das nicht funktionieren. Dazu der angesprochene Populismus das zu tun, was die lautstarke Mehrheit einfordert, so stupide es ist.
2023
Wahr: Social Media emotionalisiert und kann auf die falsche Fährte locken.
Der Jahreswechsel 2022/2023 war eine schwierige Zeit für mich. An Weihnachten steckte ich mich mit dem humanen Coronavirus OC43 an und hatte einen fürchterlichen Reizhusten. Das berüchtigte Interview mit Virologe Drosten verkündete das Ende der Pandemie, was Drosten später relativierte – aber da war es schon zu spät. Journalisten, Politiker, aber auch Gesundheitsbeauftragte in den Firmen jubelten und schafften mit Jahresbeginn alle Schutzmaßnahmen ab – inmitten der Winterwelle mit Corona und Influenza. Ich fühlte mich ohnmächtig, denn wer hört schon einem Meteorologen zu, wenn er versucht, über Viren aufzuklären. Epistemic Trespassing könnte man attestieren, und das traf teilweise auch zu. Bis heute seh ich aber keine gravierenden Fehltritte bei Übertragung, Impfschutz, Diagnostik, Spätfolgen und co.
In der Phase des emotionalen Vakuums fiel ich auf die falschen, meist anonymen User auf Twitter herein, die fearmongering betrieben, und vor neuen großen Wellen warnten, die nie eintrafen. Gelehrig klingender Schwachsinn – für den Laien kaum zu unterscheiden. Ich warnte vor XBB.1.16, unglücklicherweise wurde meine Reichweite dadurch amplifiziert, dass ein beliebter User Teile meines Beitrags 1:1 auf Twitter kopierte. So konnte ich Fehler nicht mehr korrigieren. Die XBB.1.16-Welle ist ausgeblieben. Die Variante unterschied sich, anders als behauptet, nicht wesentlich von XBB.1.5 und der Variantensuppe im Frühwinter – sodass die Bevölkerungsimmunität ausreichte, keine weitere Welle entstehen zu lassen. Ich begann daraufhin, all jene falsche Fuffziger loszuwerden, die konstant Ängste vor neuen Varianten schürten, aber ohne wissenschaftliche Substanz.
Speziell hellhörig wurde ich auch dadurch, dass „Team Vorsicht“ wiederholt seriöse Expertinnen angriff, teilweise ad hominem, etwa mit dem Vorwurf das Virus zu verharmlosen oder von „nach der Pandemie“ zu reden.
Von Februar bis April 2023 war ich arbeitsunfähig, habe aber hier weiter gebloggt, weil ich damals der Überzeugung war, dass es die einzige Form der Bewältigung war. Von außen hat es so ausgesehen, als ob ich bloß einen verlängerten Urlaub genommen hätte. Ich fühlte mich damals ohnmächtig, viele Infektionen, keine realistische Möglichkeit für eine Kur oder Reha, gleichzeitig kaum Sozialkontakte möglich. Daher blieb nur die Teilhabe über Social Media. Aus damaliger Sicht erschien mir das alternativlos. Heute weiß ich, dass ich schon damals mehr Risiko im Alltag hätte wagen können, vielleicht sogar eine (erst im Sommer bewilligte) Reha. Aus meiner Sicht wollte die Welt um mich herum nicht wahrhaben, dass die Pandemie noch nicht zu Ende war, aus Sicht der Welt war die Pandemie vorbei, ob sozial oder medizinisch sei dahingestellt, und ich war derjenige, der das nicht wahrhaben wollte („Anpassungsstörung“). Ich sah meine Auszeit (nicht nur deswegen) gerechtfertigt, weil die Anpassung nicht mehr schaffbar war mit soviel Gegenwehr, aber von außen betrachtet existierten diese Gründe nicht, denn die Pandemie war vorbei, jeder kehrte zu seinem Leben zurück – nun, fast jeder, außer jenen, die chronisch erkrankten, aber die zählten nicht für meine Begutachtung. Vielleicht war das letztendlich kein legitimer Grund, dann hätte ich noch einen autistischen Burnout anführen können. Die Ohnmacht durch die Abschaffung der Schutzmaßnahmen war für Außenstehende jedenfalls nicht greifbar und nie erklärbar, wo ich immer der Sonderling bleiben sollte. Für Außenstehende sah es so aus, als ob ich nahtlos weitermachen würde im Netz, vom inneren Gefühlschaos war nichts zu sehen. Nachzufragen statt anzunehmen wäre halt toll gewesen.
Ich betrachte mich, Stand Beginn 2025, von dieser Ohnmacht als geheilt und sehe mich nicht mehr inmitten einer Pandemie, die niemand anerkennen will. Verdrängung ja, unreifer Zugang zur Gesundheitsprävention definitiv, aber die Gesellschaft tikt so und ich kann daraus nicht aussscheren und dafür mit Verständnis rechnen, und andere dafür anzuklagen oder gar zu beleidigen. Das ist möglicherweise in meinen Beiträgen in diesem sensiblen Zeitraum so rübergekommen. Theory of mind – Perspektivwechsel sind schwierig, und meine Perspektive war für die Mehrheitsbevölkerung unzugänglich. Das war mir in der damaligen Situation nicht genügend bewusst.
Wahr: Die Pandemie ist vorbei. Über den Zeitpunkt lässt sich streiten.
Ich möchte in diesem Punkt sehr korrekt sein. Behauptungen, die WHO hätte die Pandemie beendet, sind und bleiben falsch. Die WHO hat am 5. Mai 2023 den Internationalen Gesundheitsnotstand (PHEIC) beendet, aber nicht die Pandemie.
Die WHO lag bei einer Reihe von zentralen Aspekten der Pandemie daneben. Sie hat die PHEIC zu spät ausgerufen, sie hat sich in der Pressekonferenz mit Tedros und Ryan im Februar 2020 vom Begriff „airborne transmission“ verabschiedet, sie haben die Krankheit Covid19 benannt, obwohl es selbst von chinesischen Ärzten und Wissenschaftlern SARS genannt wurde – in Anlehnung an SARS-1 von 2002/2003. Um keine Panik in China auszulösen, nannte man das Virus kurzerhand um, und vertuschte das Ausmaß, bis es zu spät war. Von der WHO übernahm man den Meter Abstand ebenso wie das Händewaschen. Die WHO hat viele Monate gebraucht, um Long Covid auf die Agenda zu setzen, während erste Warnungen aus China schon mit Pandemiebeginn kamen. Sie hat noch länger gebraucht, um Aerosol-Übertragung anzuerkennen. Sie hat quälend lange gebraucht, den Nutzen von FFP2-Masken zu propagieren. Die WHO ist wirklich nicht die beste Instanz in dieser Pandemie gewesen. Von daher würde ich davon abraten, „aber laut WHO ist es noch eine Pandemie“ unkritisch 1:1 zu übernehmen – das ist cherrypicking, nur das herauszugreifen, was ins eigene Weltbild passt. Ausführlicher bin ich bereits in einem Kommentar darauf eingegangen. Rückblickend halte ich es für einen Fehler, dass ich so oft auf „Pandemie ist vorbei“ eingestiegen bin. Ob Endemie oder Pandemie, ist für die weitere Vorgehensweise egal, Prävention sollte unabhängig davon einen höheren Stellenwert einnehmen. Was machen wir, wenn die WHO einen neuen Chef bekommt und der die Pandemie offiziell beendet? Fällt dann unser Forderungskatalog wie ein Kartenhaus in sich zusammen?
Die Pandemie ist auch epidemiologisch zu Ende. Die Bevölkerungsimmunität ist weltweit so stark diversifiziert, dass man von der Entwicklung in einem Land/Kontinent nicht mehr auf den anderen schließen kann. Es gibt zeitlich verschobene Wellen unterschiedlicher Höhen mit unterschiedlichen Varianten, man könnte auch von lokalen Epidemien sprechen, sofern sie überhaupt noch mit Abwassermonitoring erfassbar bleiben. Die letzte weltweit synchrone Welle geschah durch JN.1, doch der Impact auf die schweren Akutverläufe geht gleichzeitig weiter zurück. Das ist ein gutes Zeichen und gleichzeitig kann und muss man über wachsende Long Covid-Zahlen besorgt sein.
Wohl wahr: Infektionsschutz darf nicht über allem stehen
Ein Twitter-User, der mir anfangs folgte, und mich später in die Nähe der „ZeroCovid-Sekte“ rückte, schrieb einmal sinngemäß, dass er therapeutische Hilfe brauchte, um wieder ins Gasthaus gehen zu können, weil ihm das lange von uns indoktriniert wurde, wie gefährlich das sei. Natürlich war meine erste Reaktion eine reflexhafte Abwehr, nicht zuletzt aufgrund des unfreundlichen Tonfalls.
Aber die Aussage ist in meinem Gedächtnis hängengeblieben und hat mich seit letztem Jahr ziemlich nachdenklich gemacht. Ich schrieb einmal über Graustufen beim Schutz der Kinder – dass man es nicht dem Kind anlasten darf, dass Erwachsene hier versagt haben – indem man sie etwa auf keinen Kindergeburtstag mehr lässt, der drinnen stattfindet, dass sie immer Maske tragen müssen, selbst wenn es sie zu Außenseitern macht – weil es auch ein gewisses Selbstbewusstsein braucht, um das durchzuziehen.
Seit letztem Jahr habe ich mir schrittweise immer mehr Freiheitsgrade erlaubt – bisher ohne Ansteckung mit SARS-CoV2, und die ausdrückliche Wohltat dieser Entwicklung bemerkt, wieder Socialising zu betreiben, ohne ständig Furcht vor Ansteckung zu haben. Gleichwohl es mich immer noch aufregt bis empört, wenn Erwachsene krank, mit Symptomen, scheinbar selbstverständlich, unter Leute gehen, sehe ich es als notwendigen Teil des Lebens, diese Risiken einzugehen, weil man sonst vereinsamt, verschrobener wird, abzudriften droht.
Natürlich könnte man auch hier über den Zeitpunkt diskutieren – 2022 hätte ich mir noch nicht soviel zugetraut, und ich denke, angesichts der damals nicht angepassten Impfstoffe und noch fehlender antiviraler Medikamente war die Vorsicht noch berechtigt. Spätestens 2023 war aber weit mehr möglich als man zugelassen hat. Da war ich im wahrsten Sinne des Wortes abgehängt und musste erst wieder zu einem vernünftigen Mittelmaß zurückfinden.
Insofern tut es mir leid, wenn ich manchen FollowerInnen zu viel Angst über eine Infektion beim Socialising eingejagt habe. Es ist natürlich alles sehr individuell, doch schon 2022 konnte ich beobachten, wie immunsupprimierte Menschen nach einer schweren Erkrankung wieder unter Leute gingen, auf Parties, in die Disco. Wer war ich, mir anzumaßen, wie man sich als vulnerabler Mensch zu verhalten hätte? Es war lediglich entscheidend, das Risiko zu kennen, um eine rationale Kosten-Nutzen-Abwägung machen zu können. Aber das oblag nicht mir, diese zu übernehmen. Wie in der Wettervorhersage und bei der Beratung von Piloten: „Decision aid, not made.“
2024
Wahr: SARS-CoV2 löst keine Massenmanipulation der Bevölkerung aus.
Eine weitere klare Distanzierung ist notwendig: Vor allem linke Accounts behaupten wiederholt, die Massendurchseuchung würde erklären, weshalb jetzt immer mehr Menschen rechts wählen oder die Frauenmorde deutlich zunehmen. Begründet wird das mit dem Hinweis auf Studien, die kognitive und behavoriale Beeinträchtigungen nach Infektionen nahelegen. Doch ist so eine lineare Schlussfolgerung nicht sehr vereinfacht und macht zahllose Historiker und Extremismusexperten weltweit arbeitslos?
Ich übersetzte im Februar den X-Thread einer Behindertenaktivistin über das mutmaßliche Trauma der Bevölkerung, die die Folgen von Corona herunterspielen würden, um sich selbst vor Schuldgefühlen zu schützen. Das ist vielleicht nicht so falsch, aber im Alltag nimmt Corona nicht mehr den Stellenwert ein, den es in der Akutphase der Pandemie hatte. Ist es wirklich das Trauma der Mehrheitsbevölkerung oder nicht vielmehr unser eigenes, weil es vorbei ist und wir es nicht geschafft haben, unser Umfeld überzeugen zu können, mehr Prävention zu betreiben? Die Wahrheit liegt wohl irgendwo dazwischen. CoV2 zirkuliert mit kleineren und größeren Wellen ganzjährig, bringt v.a. Kleinkinder und alte Menschen weiterhin ins Spital, ein kleiner Teil hat auch jetzt noch Spätfolgen. Das alte Normal ist das nicht. Mit der aktuellen Welle an MECFS-Berichterstattung (Stand 10.12.24) bringt man den Menschen hoffentlich wieder mehr ins Bewusstsein, das auch LC-Betroffene mitten unter uns sind und an der Gesellschaft teilhaben wollen, und die Ursachen für ihre schwerwiegende Erkrankungen das verdrängte Covid ist.
Es gibt aber noch weitere Erklärungen als andauerndes Trauma, weshalb Covid gerade verdrängt wird:
- Survivorship Bias („bei mir war es harmlos, kann daher nicht so schlimm sein“)
- Egoismus
- sozialer Druck
- gezielte Desinformation (rechtsextreme Parteien, Verschwörungserzählungen, gefördert von Russland, um die westlichen Demokratien zu destabilisieren)
- grundlegend falsches journalistisches Verständnis: Wenn aus „audiatur et altera pars“ zum „False Balance“ führt – und Aussagen nebeneinander stehen bleiben statt nach der Wahrheit, den Fakten zu suchen. Wenn einer sagt, es regnet gerade, und der andere, nein, es ist trocken, dann gibt es nur eine Wahrheit. Und wenn es Graustufen gibt, muss man die überzeugendere Studienlage finden, und nicht die unplausiblere übernehmen, weil sie besser in persönliche Befindlichkeiten passt
- Message Control: Wenn Regierungen ihren falschen Pandemiekurs absichern wollen, indem sie relevante Informationen vorenthalten (z.B. bezirksgenaue Abwasserdaten, Sterblichkeitsraten, akkurate Longcovid-Codierung) oder pandemische Wellen tabuisieren, bestimmte Begriffe einfach nicht mehr nennen, oder Falschaussagen treffen. Wenn man Lügen oft genug wiederholt, werden sie zur Wahrheit, etwa, dass Kinder wiederholte Infektionen für Immunsystem brauchen würden, dass Schulschließungen ein Fehler gewesen sein würden, dass nur der erste Lockdown notwendig war, oder dass die Impfung nie vor Ansteckung geschützt hätte.
Die Ursache für die Verdrängung ist multikausal und hat viel mit der Sozialisierung zu tun, mit dem Umfeld, in dem man sich bewegt, mit den Medien, die man liest, und mit der Verhaberung von Politik und Medien gerade in Österreich.
Der Rechtsruck in Deutschland ist weder plötzlich noch die zugehörige Gewalt. . Ein paar Stichworte, die mir als Exildeutscher einfallen:
- Historischer Verlauf der DDR als Diktatur, wenig Ausländer
- „Blühende Landschaften“ nach der Wiedervereinigung als leeres Versprechen
- Hohe Arbeitslosigkeit im Osten
- Hartz4 (größtes Verbrechen einer linken Regierung in der Geschichte der Bundesrepublik) und damit Welle an Armutsbetroffenen
- Social Media seit jeher von Rechten besser bespielt als von Linken, die sich lieber untereinander spalten
- seit jeher höherer rechtsextremer Anteil im Osten mit Jugendangeboten und gesellschaftlich entsprechend gut vernetzt
- Flüchtlingswelle
- Pegida
- Afd-Gründung
- in der Pandemie blieben die Jugendangebote der rechtsextremen Parteien offen (gegen die geltenden Regeln)
- Radikalisierung durch das Internet und Messenger-Gruppen (Tiktok, Instagram, Telegram), auch in den Zeiten der Kontaktbeschränkungen
- Rechtsextreme Parteien instrumentalisieren Verschwörungserzählungen wie über die Pandemie, um Wähler/Mitglieder zu gewinnen
- (einen hohen Anteil an Rechtswählern gab es in Österreich bereits vor der Pandemie)
- russischer Einfluss (Propaganda, um westliche Demokratien zu destabilisieren) und mutmaßlich hoher Geldfluss zu rechtsextremen Parteien
Diese vereinfachten Thesen von strukturellen Gehirnschäden für erhöhte Vulnerabilität für Rechtspopulismus (warum nicht Linkspopulismus?) sind nicht nur sehr weit hergeholt und blenden maßgebliche politische, historische und soziale Faktoren aus, sondern sind in meinen Augen gefährlich – denn sie sind nicht mehr weit entfernt von den „kriminellen Genen“. Wir stempeln dadurch Menschen ab als potentiell gefährlich, weil sie vielleicht in einem entsprechenden Umfeld sozialisiert wurden, und ab der wievielten Infektion sollen wir sie besser in Sicherheitsverwahrung nehmen?
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Wahr: Es gibt Immunitätslücken und Nachholeffekte durch das Ende der Maßnahmen
Mal sehen, ob ich etliche meiner früheren Beiträge noch einmal Korrektur lesen sollte, was diesen Punkt betrifft. Was ich weiterhin ablehne: Immunschuld („immune debt“) und Nachholeffekte sind keine Aufforderung, sich jetzt absichtlich zu infizieren. Wir können bis zu einem gewissen Grad steuern, ob wir uns infizieren wollen. Eltern und Kindern können das kaum steuern, alle anderen aber weitestgehend schon. Daneben gibt es noch die stille Feiung durch asymptomatische Verläufe, wo man also gar nicht mitbekommt, dass man gerade etwas „ausbrütet“, das einen wieder eine Weile immunisiert.
Die Begrifflichkeiten sind hier wichtig. Das Immunsystem wurde durch die Schutzmaßnahmen nicht geschwächt, die spezifische Immunität gegen zahlreiche Erreger hat aber abgenommen. Auch asymptomatische Verläufe sind aufgrund der jahrelang unterdrückten Erreger nicht vorgekommen. Die vorübergehende Herdenimmunität konnte sich nicht aufbauen. Nach der Aufhebung sämtlicher Maßnahmen zirkulierten die Erreger wieder weltweit, und die spezifische Immunität muss sich erneut aufbauen, ehe die Viren und Bakterien wieder in Zyklen zirkulieren können. Bei RSV und Influenza gab es 2021/2022 (RSV) und 2022/2023 (Influenza) jeweils starke Wellen. 2023/2024 war die Influenzawelle zwar hoch, aber vom Zeitpunkt her wieder genretypisch und 2024/2025 findet der Peak voraussichtlich ebenfalls wie vor der Pandemie im Jänner statt. Auch andere Erreger wie Keuchhusten (pertussis) oder Mycoplasmen zirkulieren in Wellen durch die Bevölkerung. Durch die Schutzmaßnahmen hat man eine Welle ausgelassen, diese wird nach Ende der Schutzmaßnahmen „nachgeholt“. Das ist weder ein Schaden durch die Schutzmaßnahmen noch durch geschwächte Immunsysteme nach einer SARS-CoV2-Infektion. Würde es gelingen, SARS-CoV2 alleine zu reduzieren, etwa durch eine sterile Impfung, müssten sich der Hypothese von Immunschaden-Anhängern nach die Zahl vieler Pathogene ebenfalls verringern. Umgekehrt müssten sich all jene, die eine SARS-coV2-Infektion weiterhin vermeiden, seltener mit anderen Viren und Bakterien infizieren. Doch wer Sars-CoV2 vermeidet, vermeidet andere Viren und Bakterien mit, also lässt sich das ebenfalls nicht zweifelsfrei belegen.
Was wahrscheinlich schon so ist: Es zirkulieren jetzt neben den vergleichsweise harmloseren Rhinoviren ganzjährlich auch SARS-CoV2-Wellen. Wenn gerade eine Mycoplasmen-Epidemie vorherrscht, hilft es ganz sicher nicht, wenn man gerade SARS-CoV2 gehabt hat und das Immunsystem anfällig für bakterielle Zweitinfektionen ist. Diese Anfälligkeit ist ganzjährig möglich, nicht nur bevorzugt im Winter oder wenn man sich gerade im Ausland mit Dengue infiziert hat. Es ist also keine Spezialität, nach CoV besonders häufig nochmal was aufzuschnappen, sondern die Spezalität von CoV ist es, sich ganzjährig was aufschnappen zu können, nicht nur im Hochwinter.
In vielen Beiträgen wurde auch von mir kritisiert, wenn von „breiter Immunisierung“ die Rede war. Nach wie vor kritikwürdig ist in meinen Augen, die Kollateralschäden dieser Immunisierung auszublenden, also die vielen fraglosen Fälle von Longcovid, schweren Verläufe zu ignorieren. Die Immunisierung selbst hat allerdings zweifellos stattgefunden. Solange kein weiterer Variantensprung wie mit JN.1 stattfindet, werden die Abstände zwischen den Coronawellen immer länger und nähert sich einem wintersaisonalen Verlauf an, zumindest aber zwei Peaks im Jahr statt vier wie letztes Jahr noch vermutet. Das heißt aber auch übers Jahr gesehen weniger Reinfektionen und damit sinkende LC-Inzidenz.
Es wird nicht gelingen, alle Pathogene für immer und ewig zu beseitigen, aber natürlich ist und bleibt es sinnvoll, Pathogene in der Luft zu reduzieren, so wie man Schadstoffemissionen in der Umwelt reduzieren will. Die Infektionswellen werden dadurch flacher und gefährden vulnerable Alters- und Risikogruppen in geringerem Ausmaß. Luftreinigungsmaßnahmen reduzieren außerdem die Viruslast und können die Krankheitsschwere damit abmildern. Idealerweise gibt es Impfstoffe, um die spezifische Immunität zu aktualisieren, statt über Infektionen, und antivirale Medikamente.
Aber der Gaul, dass man jede Epidemie an Infektionskrankheiten nun auf eine rezente oder wiederholte SARS-CoV2-Infektion zurückführt, wurde bereits totgeritten, nur sind viele noch nicht abgestiegen.
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Diese Aufzählung ist wohl nicht komplett, und die Absicht für diesen Beitrag war nicht, Seelenstriptease zu betreiben, sondern hoffentlich aus Irrtümern lernen und zum Nachdenken anzuregen, kritisch zu bleiben, selbst wenn man das Gefühl hat, im Recht zu sein und dafür zahlreich Bestätigung zu bekommen. Das demokratiezerfressende Problem unser Zeit, Social Media, Echokammern und Manipulation durch konkurrende Weltmächte, betrifft nicht immer nur die anderen.
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Marc Veldhoen kritisiert auch das World Health Network (WHN) für unwissenschaftliche Behauptungen wiederholt heftig, u.a.
- SARS-CoV2 hat sich nicht verändert, um anhaltende Schäden zu verursachen
- Menschen sterben weiterhin und landen im Hospital, wie bei vielen anderen Erregern, wie RSV und Influenza
- SARS-CoV2 frisst das Gehirn nicht auf oder ist neurotrophic
- Man infiziert sich nicht alle paar Monate mit einer neuen Variante
- Die Datenlage bzgl. kumuliertem LC-Risiko durch Reinfektionen ist unklar – Immunität schützt
- Wir haben nicht den Punkt erreicht, wo Reinfektionen in kürzeren Intervallen auftreten, sondern das Gegenteil!
- Impfungen verhindern Übertragungen nicht, haben sie niemals, aber sie verringern sie
- Es gibt keine Daten, dass das Immungedächtnisschutz gegen LongCovid sinkt
- Impfungen passen weiterhin gut, viele Epitope sind unverändert
- Menschen werden durch wiederholte Infektionen nicht geschädigt, ebenso wenig mit RSV oder Influenza
- Es gibt keine Gehirnverletzungen oder schlimmer, allgemeine Entzündungseffekt
- Keine Zunahme an Autounfällen in UK
- Wie Impfgegner bei Autismus behauptet WHN dasselbe mit ADHS. Diagnose ist besser, Kriterien haben sich geändert, aber das liegt nicht an CoV2 (Danielson et al. 2024), vor kurzem behauptete das übrigens auch die Neurologin Danielle Beckman, der viele ZeroCovid-Anhänger folgen, über CoV2 und Autismus.
- Die beobachteten Schäden bei LC sind nicht auf jeden übertragbar.
Rot markiert das, wo ich ad hoc zustimme aufgrund eigener Daten und Beobachtungen.
Veldhoen streitet nicht ab, dass SARS-CoV2 ein gefährliches Virus ist, nun mit Immungedächtnis, gefährlich für bestimmte Gruppen (sehr jung und alt) wie bei Influenza oder RSV. SARS-CoV2 schädigt das Immunsystem nicht. Long-Influenza existiert. Es gibt keine Belege, dass Narkolepsie in Australien zunimmt (eher fallen sie bei der Behandlung zurück).
Stand 26.12.24 ist die WHN-Webseite nicht am neuesten Stand, sondern die Texte großteils von 2022, auch nicht unbedingt vertrauenserweckend, etwas von BA.2 und BA.1 zu lesen.
Stand 26.12.24 wurde ich von Veldhoen geblockt, weil ich nicht innerhalb von 5 Minuten „beweisen“ konnte, dass CoV2 dauerhaft im Körper persistieren kann und möglicherweise durch einen Calcium-Überschuss die PEM-Symptome bei Langzeitkranken auslöst. Ich find einen frischen Blick auf Studien grundsätzlich wichtig, um mich nicht zu verrennen, aber wenn man jedem gleich ein Ultimatum setzt, weil er als Laie nicht gleich die richtigen Worte findet oder etwas zu forsch formuliert, ist das oasch und schadet der Sache.