Vor der Ankunft der Impfungen war der Begriff Herdenimmunität noch in aller Munde. Zu Zeiten des Wildtyps rechnete man mit 60-70% Durchseuchung, bevor ein Zustand der Herdenimmunität herrschen würde. Kluge Regierungschefs setzten auf ZeroCovid bis zur Ankunft der Impfungen, um die Zahl der Todesfälle und schweren Erkrankungsverläufe so lange gering zu halten, bis ausreichend viele in der Bevölkerung geimpft waren. Als die Impfung endlich kam, breiteten sich zeitgleich die ersten Varianten aus, die ansteckender waren und schwerere Verläufe brachten. Während der B.1.1.7 (ALPHA)-Welle wurde mathematisch modelliert, dass Herdenimmunität durch die Impfung alleine nicht mehr erreichbar war. Selbst bei optimistischer Annahme hoher Durchimpfungsraten bei gleichzeitig hoher Impfwirksamkeit gegen symptomatische Verläufe reichte die zweifache Impfung („Grundimmunisierung“) alleine nicht mehr aus, um Ausbrüche einzudämmen. Nichtpharmazeutische Maßnahmen (Homeoffice, Social Distancing, Maske, Luftreiniger) waren weiterhin notwendig (Moore et al. 2021).
In Österreich ignorierte man das Aufkommen der Virusvarianten weitgehend und ihre Folgen für den weiteren Pandemieverlauf. In die einfältigen Politikerhirne war die Erkenntnis nicht zu knüppeln, dass der Traum vom Pandemieende durch Impfung Geschichte war, bevor die Impfkampagne überhaupt zu Ende war.
Labormediziner Oswald Wagner, der den Bundeskanzler beriet:
„Derzeit gebe es genug Impfstoff für alle Impfwilligen – gemeinsam mit den
Genesenen könne am Ende eine Herdenimmunität entstehen.“ (Pressekonferenz, 17.06.21)
Epidemiologin Schernhammer, die bei den Arbeitsgruppen von GECKO mitarbeitete und bei einer Pressekonferenz gemeinsam mit LH Platter (ÖVP) auftrat:
„Ich glaube, dass wir schon mit Ende dieses Jahres Herdenimmunität erreichen
werden und die Pandemie zur Endemie mit bewältigbaren Infektionswellen wird
wie bei der Grippe“ (DiePresse, 14.08.21)
Virologin Redlberger-Fritz:
„Früher oder später wird es eine ganz normale Zirkulation eines respiratorischen
Virus werden, das wir auch von anderen Viren kennen. Wann das sein wird? Wenn genügend Leute eine Impfung erhalten haben oder natürliche Immunität
erlangen.“ (PROFIL, 01.10.21)
Epidemiologe Gartlehner:
„Ich glaube, mit Beginn der wärmeren Jahreszeit haben wir es dann wirklich
hinter uns. Im März oder April wird es genug Immunität in der Bevölkerung geben.“ („Wien Heute“, 15.10.21)
Doch DELTA unterlief die sogenannte Grundimmunisierung, zwei Impfungen reichten nicht mehr aus. Es gab vermehrt symptomatische Durchbruchsinfektionen.
Die allgemein bekannte Interpretation von Herdenimmunität ist der solidarische Schutz einer immunen Mehrheit für eine ungeimpfte Minderheit, wobei dafür nicht nur Impfunwillige, sondern auch nicht impfbare Menschen stehen. Das Virus kann sich demnach nicht mehr verbreiten, sondern läuft in der Bevölkerung tot (R0 < 1). Diesen Zustand erreichen wir nur noch für wenige Monate als befristete Immunität gegen die vorherrschende Variante und ähnliche Nachfolger-Varianten. Dauerhafte Herdenimmunität ist dreieinhalb Jahre nach Ausbruch der Pandemie nicht mehr erreichbar, da …
- der Impfschutz der Weltbevölkerung unvollständig ist
- der Schutz vor (erneuter) Infektion nach Impfung und Infektion mit der Zeit schwindet (waning)
- das Virus weiterhin mutiert und den bestehenden Immunschutz unterläuft (Immun Escape)
- keinerlei Maßnahmen für hohe Zirkulation und Mutationsspielraum sorgen
- das Virus längst in der Tierwelt zirkuliert und von dort auf den Menschen zurückspringen kann
Doch es gibt noch Hoffnung, denn die Impfungen wirken besser als gedacht gegen Infektion und da sollten wir ansetzen:
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