Die Infektionszahlen steigen weltweit und auch die Anzahl der Krankenhauseinweisungen steigt gleichzeitig in vielen Ländern, was zumindest eines bedeutet: Die neuen Varianten sind nicht harmloser geworden! Gleichzeitig bleibt die hohe Zahl an bereits betroffenen LongCOVID/MECFS-Patienten und die Gefahr von Verschlechterungen durch Reinfektionen weiterhin ein Thema. In Österreich geht bezüglich MECFS-Awareness immerhin etwas weiter. Nach dem Konsensus-Statement im DACH-Raum (Hoffmann et al. 05/2024) gibt es nun auch einen neuen Praxisleitfaden für Betroffene (Hainzl et al. 06/2024). Für die Psychosomatikfetischisten sei zudem nochmal auf die klaren, anerkannten Diagnosekriterien für MECFS nach IOM und Kanada verwiesen. LongCOVID und MECFS sind KEINE Einbildung – siehe dazu die kürzlich erschienene Veröffentlichung zu LongCOVID-Definitionen.
WeiterlesenMonat: Juni 2024
Weltweit steigen seit Mai und Juni die Abwasserkonzentrationen und – falls verfügbar – auch die Zahl der positiven Tests wieder an. Hawai und San Francisco meldeten sogar Rekordwerte seit Pandemiebeginn. In vielen europäischen Ländern werden zugleich auch Anstiege bei Spitalsaufnahmen verzeichnet. In allen Fällen finden die Wiederanstiege gleichzeitig mit der Dominanz gewinnenden KP.3-Variante statt, welche die Fluchtmutation F456L und die auf Basis von F456L und L455S ACE2-Binding erhöhende Mutation Q493E enthält. F456L war bereits bei EG.5 (XBB.+F456L) enthalten, dann kam BA.2.86 und JN.1 (+L455S) und jetzt ist F456L erneut mit von der Partie.
Für Politik und Gesundheitsbehörden ebenso wie für die Gesellschaft ist die Pandemie dennoch vorbei, obwohl die WHO die Pandemie nie für beendet erklärt hat. Wie passt das zusammen? Läuft die Pandemie noch? Wann wird die WHO das Ende erklären? Kann sie das überhaupt? Selbst wenn wir auf Social Media oder hier auf meinem Blog zum Schluss kommen, dass die Pandemie weiterhin andauert, ändert das leider nichts an der öffentlichen Wahrnehmung und dem Umgang der Staaten mit wiederkehrenden Infektionswellen. Die Frage, ob wir uns weiterhin in einer Pandemie befinden, ist weitaus differenzierter zu eruieren als es mit dem Blick auf das weltweite Infektionsgeschehen beantwortet werden dürfte.
WeiterlesenNach dem massiven Rechtsruck bei der EU-Wahl in Deutschland und Österreich stellt sich für mich die Frage, wie intensiv ich noch dranbleiben kann an der Aufklärung, an ehrenamtlichen Engagement, an der minimalen Hoffnung auf Besserung in naher und ferner Zukunft. Die beiden Presseaussendungen der Bundes-SPÖ zu Luftreinigern in Schulen wuchsen jeweils auf den Mist von Babler, der aber von der Wien-SPÖ dafür keinen Rückhalt hat und vom rechten Flügel um Doskozil erst recht nicht. Sobald Babler im Herbst nicht Platz 1 mit der SPÖ erreicht oder sogar das Hindernis für eine Große Koalition ist, wird Doskozil seinen Platz einnehmen. Zu den anderen Parteien muss man sowieso kein Wort verlieren.
Die Pandemie wurde gesellschaftlich und politisch Anfang 2023 beendet, mit dem Ende des Internationalen Gesundheitsnotstands durch die WHO Mitte Mai 2023 wurde sie auch medizinisch offiziell beendet. Ob die Pandemie epidemiologisch noch existiert, als endemischer Zustand mit zwei bis drei großen Wellen im Jahr dauerhaft sein Unwesen treiben wird, oder ob wir im fünften Pandemiejahr sind, ist eine akademische Diskussion, die in der Öffentlichkeit nicht geführt wird. Mit Juli 2023 wurden alle COVID-Regeln einschließlich Meldepflicht aufgehoben. Im Dezember 2023 folgte eine „Aufarbeitung“ inmitten der hohen JN.1-Welle mit dem Titel „Nach Corona.“ Der Titel sorgte allenfalls für Belustigung unter den Kommentatoren, aber es war natürlich kein Skandal und hatte auch keine weitreichenden Konsequenzen. Der Alltag, Berufs- und Freizeitleben, Massentourismus und Großveranstaltungen – all das hat sich normalisiert. Im Gesundheitswesen wird Infektionsschutz generell ignoriert und die Situation ist schlechter als vor der Pandemie. Corona spielte als Denkzettelmotiv im EU-Wahlkampf eine Rolle, davon profitierte vor allem die FPÖ und die rechtsextreme Liste DNA, im Herbst wird auch die Liste Petrovic profitieren und den Grünen Stimmen kosten. Die Wienerlinien solidarisieren sich zwar mit der Regenbogenparade und zeigten „Ride with pride“ auf ihren Anzeigetafeln am Bahnsteig an, aber Solidarität mit vulnerablen Fahrgästen ist seit der Aufhebung der Maskenpflicht im März 2023 Fehlanzeige – auf Empfehlungen kann man lange Warten. Subjektiv ist es mindestens so schlimm wie vor der Pandemie, eher schlimmer, bezüglich arbeitende Bevölkerung, die trotz Symptomen in in die Arbeit fährt. Die wiederkehrenden Krankheitswellen, die mit Covid, Influenza und RSV nun von Herbst bis Frühling Probleme machen und im Sommer alleine durch Covid, erzeugen keinerlei Bewusstsein für ein Umdenken. Schulungen finden wie selbstverständlich in fensterlosen Räumen statt oder werden in den November geplant, wenn mehrere Infektionserreger zusammenkommen. Luftreiniger stören oder werden gar als Ursache für Erkältungen ausgemacht. Überhaupt völlig weg von der Bildoberfläche sind die Kinder, mittlerweile zigfach infiziert und dauerhustend. Das gehört zur Entwicklung eben dazu, sagt man. Deswegen bleiben Kinder noch lange nicht zuhause, nur weil sie krank sind. Sie könnten ja wichtigen Unterricht oder Schularbeiten verpassen.
Die Bevölkerung hat mittlerweile weder das Interesse noch den Zugang zu öffentlichen Informationen, die sie über die aktuelle Gefahrenlage aufklären. Derzeitige Abwasserwerte sind so niedrig im Verhältnis zu den letzten Peaks, dass man glauben könnte, dass kaum noch Virus zirkuliert, aber es sind immer mehrere tausend Infektionen pro Tag. Was weltweit passiert und dass es immer wieder zu hohen Wellen kommt, kriegt niemand mit, der nicht auf Twitter oder Bluesky mitliest. Ebenso wenig wird die Bevölkerung über die weitreichenden Auswirkungen von LongCOVID informiert, sowohl volkswirtschaftlich, fürs Gesundheitswesen als auch die Lebensqualität der Betroffenen selbst. Und dass man mit regelmäßigen Auffrischimpfungen dieses Risiko deutlich minimieren könnte, wenn man schon keinen Wert auf Maske oder Lufthygiene legt.
Quo vadis? Ich weiß es nicht. Ohne jeglichen Rückhalt ist es als Einzelkämpfer schwer, für Verbesserungen zu werben.
In eigener Sache:
Ich bin nach wie vor auf Ex-Twitter aktiv, auch wenn der Gegenwind von ehemaligen Twitterusern, die jetzt nurmehr auf Bluesky oder Mastodon tätig sind, immer schärfer wird. Man würde den Faschisten Musk damit unterstützen, warum man nicht endlich wechselt. Ich habe dieses Dilemma von Beginn an, als Musk übernommen hat, befürchtet – nämlich, dass die breit auf Twitter vertretene Covid-Community auf verschiedene Plattformen zerstreut wird. Wer seine Stammfollower und Stammfollowende behalten will, muss mehrere Plattformen gleichzeitig bespielen. Nach wie vor ist es so, dass rund 80% der internationalen Wissenschaftler-Community auf Twitter aktiv ist. Über einen Zeitraum von 11 Jahren habe ich mir so Freundschaften und Bekanntschaften aufgebaut, seit Pandemiebeginn zahlreiche wertvolle Inputs von Expertinnen und Experten erarbeitet, auf die ich angewiesen bin, wenn ich weiter seriöse Blogtexte schreiben will. in den ersten drei Pandemiejahren hatte ich aber wesentlich mehr Zeit für Recherchen und Beiträge, weil der Alltag deutlich eingebremst wurde. Jetzt hat sich das Leben wieder normalisiert und damit sind die freien Tage, an denen ich die Muße habe, stundenlang zu recherchieren und Texte zu schreiben, deutlich seltener geworden. Müsste ich meine Recherche jetzt noch von verschiedenen Plattformen holen, würde ich gar nicht mehr dazu kommen, Texte zu verfassen. Ich bleibe daher auf Twitter und unterstütze Musk NICHT durch ein Bezahlabo! Nach wie vor erreichen meine Beiträge eine gewisse Reichweite, die ich mir auf Bluesky erst über Jahre hinweg wieder erarbeiten müsste. Im Gegensatz zu vielen Usern, die es auf Twitter nicht mehr ausgehalten habe, blocke ich offenbar konsequenter Trolle und demokratiefeindliche Antworten weg, und verwende dafür verstärkt Listen, um auch nur das zu lesen, wofür ich mich interessiere.
Derzeit bewegt sich die Anzahl der Neuinfektionen pro Tag geschätzt bei rund 8000. Hoppala, das klingt viel. Im April waren es rund 4000. Wie kommen diese Inzidenzen zustande, wo es schon seit letztem Jahr keine repräsentativen PCR-Tests mehr gibt? Sie basieren auf den repräsentativen Kohorten der ONS/UKHSA (Winter CIS) und der Uni Mainz (SentiSurv RLP), die auch für die Schweiz herangezogen werden. Die Abwasserwerte könnten die realen Inzidenzen ein wenig unterschätzen, was an bestimmten Mutationen seit der BA.5-Welle liegen könnte (Endo et al. 2024). Da SARS-CoV2 in Österreich nicht mehr meldepflichtig ist und Krankenhausdaten stark zeitverzögert aufschlagen, fällt der Wiederanstieg womöglich erst nicht auf – außer, dass die Krankheitswellen wieder zunehmen und Genesungsphasen länger dauern als bei anderen zirkulierenden Viren.
Verantwortlich für die möglicherweise beginnende Sommerwelle sind nicht mehr die bis dato gewachsenen JN.1+FLiRT-Varianten mit den beiden kennzeichnenden Spike-Mutationen F456L und R346T, sondern KP.2 (zusätzlich V1104L) und KP.3 (ohne R346T, mit Q493, deutlich erhöhte ACE2-Bindung). Damit ist aber noch das Ende der Mutationsfahnenstange für dieses Jahr erreicht. Einen Wachstumsvorteil gegenüber KP.3/KP.2 weisen nun Varianten wie LB.1 auf, die neben FLiRT durch eine Deletion gekennzeichnet sind (hier: S:∆S31). LB.1 dürfte ab Mitte Juni in den USA dominant werden. Ihr Anteil steigt weltweit sehr schnell. Auch Rekombinanten von LB.1 mit KP.3/KP.2 wurden schon beobachtet.
Mein uneducated guess ist mit dem jetzigen Stand, dass die Infektionszahlen weiterhin langsam steigen werden, wobei unklar bleibt, wie groß der Einfluss der vermehrten Reisetätigkeit durch die Fußball-EM Mitte Juni bis Mitte Juli sein wird. Richtung August dürfte sich dann wieder die Reiserückkehrer-Aktivität bemerkbar machen. Wie hoch die Sommerwelle ausfällt, traue ich mir aber nicht zu sagen. Molekularmediziner Emanuel Wyler ist sich da auch nicht sicher.
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