Vorwort:

Es sind seit Pandemiebeginn eine Vielzeit von Studien darüber erschienen, wie SARS-CoV2 das Immunsystem beeinträchtigt. Sie beziehen sich meist auf die akute Infektion, die kurze Zeit danach, oder auf Betroffene, die Long Covid entwickeln. Als kurz nach Aufhebung der Schutzmaßnahmen Rekordwellen mit Influenza, RSV und Streptokokken über die Welt hinfegten, gingen die Meinungen über die Ursache auseinander: Jene, die sich für eine Beibehaltung der Covid-Maßnahmen aussprachen, sahen die Ursache in vorherigen Covid-Wellen und geschwächten Immunsystemen. Für viele Experten war hingegen klar, dass nach über zwei Jahren mit Schutzmaßnahmen nun wesentlich mehr empfängliche Menschen vorhanden waren, da die spezifische Immunität gegen bestimmte Erreger nachlässt. Die hohe Anzahl an Infektionen wurde irreführend mit sogenannten „Nachholeffekten“ erklärt, ein Begriff, der wie Immunschuld suggerierte, dass man sich nun infizieren müsste, um die verlorene Immunität wieder aufzubauen. Speziell beliebt in den Medien war und ist die Hygiene-Hypothese, wonach regelmäßiger Kontakt mit Viren und Bakterien notwendig sein würde, um das Immunsystem zu trainieren. Im Kontext der gestiegenen Infektionszahlen wurde eine Menge vermischt, insbesondere Hygiene-Hypothese und Immunitätslücken.

Ich hab einige Monate gebraucht, bis ich verstanden habe, wie sich das mit der Immunität verhält, nicht nur in Bezug auf SARS-CoV2, sondern generell aller Infektionserreger. Sollten Immunologen oder andere Experten dies hier lesen, freue ich mich über eine Rückmeldung.

Immune Debt und Immunity Gap

Mehrere Autoren haben davor gewarnt, dass durch die Zeit der Kontaktbeschränkungen Immunitätslücken enstehen (Hollingsworth et al. 2020, Baker et al., 2020; Oh et al. 2022). Der Begriff Immune Debt ist auch innerhalb der Experten umstritten. Er wurde von Cohen et al. (2021) geprägt, der aufgrund massiver Kritik klarstellte, dass nichtpharmazeutische Interventionen notwendig waren und die Immunsysteme nicht geschädigt haben Cohen et al. (2022). Immunitätslücken trifft es wahrscheinlich besser, bzw. Immun-Mangel (Zhang et al. 2024). Idealerweise werden diese Immunitätslücken durch regelmäßige Impfungen gefüllt, die das Immunsystem wieder auf den neuesten Stand bringen. Impfungen existieren für eine Vielzahl an Erregern: Influenza, RSV, Keuchhusten, Masern, Polio, Diphterie, etc.

Daneben existieren aber auch Erreger, gegen die es keine Impfung gibt: Saisonale Coronaviren, Parainfluenzaviren, Rhinoviren, humane Metapneumoviren, Noroviren, Streptokokken, Mycoplasmen, Ringelröteln, und leider lässt die Impfrate gegen impfbare Erreger nach, v.a. Masern und Keuchhusten, aber auch bei Influenza ist sie in Österreich und Deutschland traditionell schlecht. Bei RSV gibt es erst seit zwei Jahren eine Impfung, die aber von den Krankenkassen nicht übernommen wird, sie ist außerdem kaum bekannt. In Summe ist die Annahme, dass nach einer Phase mit länger andauernden Kontaktbeschränkungen, aber auch eingeschränkter Reisetätigkeit (insbesondere in der kalten Jahreszeit, wo mehr wintersaisonale Erreger zirkulieren) die Anzahl der empfänglichen Personen deutlich angestiegen ist, sehr plausibel. Das ist einfache Mathematik.

Hinzu kommt der Umstand, dass mutmaßlich rund 70% aller respiratorischen Virusinfektionen asymptomatisch verlaufen. Nur bei humanen Metapneumoviren und Influenza gibt es deutlich mehr symptomatische Verläufe (Galanti et al. 2019). Mit anderen Worten: Viele Infektionen bekommen wir gar nicht direkt mit, unser Immunsystem wird laufend schonend auf den neuesten Stand gebracht („stille Feiung“), vorausgesetzt das Immunsystem ist nicht durch Medikamente oder eine Erkrankung supprimiert.

Viele Infektionserreger zirkulieren zudem in wiederkehrenden Epidemien, mit wechselnden Subtypen, und teilweise vorhandener Kreuzimmunität, teilweise auch nicht. Noroviren wurden etwa in der Pandemie durch das fälschlicherweise propagierte Händewaschen deutlich dezimiert (Händewaschen ist gegen eine airborne virus wie SARS-CoV2, aber auch gegen zahlreiche andere respiratorische Viren nahezu nutzlos), kehren aber mit bestimmten Subtypen wieder zurück.

In der Pandemie wurde ein Rückgang spezifischer Antikörper gegenüber Viren und Bakterien tatsächlich beobachtet (Lorenz et al. 2024).

Einfluss der Kontaktbeschränkungen und weiterer NPIs auf die Zirkulation von Infektionserregern

Die Pandemie hat ein unglaublich komplexes und dynamisches System gestört – warum sollte es nach wenigen Jahren bereits zur Baseline zurückkehren?

SARS-CoV2 ist nicht die Ursache: Neuseeland ist der Beweis

Perhaps one of the most compelling arguments against a SARS-CoV-2-mediated immune suppression can be drawn from the experience of New Zealand. Indeed, the lifting of the strict border closure policy in April 2021 in this country was followed by a massive increase in RSV hospitalizations and ICU admissions in children younger than four years. However, at the time this happened while the country had been still largely free of COVID-19 (the authors report one hospitalization and no ICU admissions due to COVID-19 before this period). The Australian experience of a large off-season resurgence of RSV cases at the end of 2020—beginning of 2021, before SARS-CoV-2 had significantly spread among children also argues against an immune dysregulation.“ (Abu-Raya et al. 2023)

Ich habe Neuseeland selbst immer wieder als Vorzeigeland in der Pandemie bezeichnet mit dem ZeroCovid-Ansatz. Hohe Infektionswellen gab es erst nach Durchimpfung aller Altersgruppen mit den Omicron-Varianten. In einer semi-idealen Welt, wo es uns nicht gelungen ist, SARS-CoV2 wie SARS-CoV1 (2002/2003) auszurotten, war das die zweitbeste Lösung: Keine Infektionen zulassen, bis ein Impfstoff vorhanden ist und die Bevölkerung ausreichend grundimmunisiert wurde. Mit der Hypothese, dass geschwächte Immunsysteme durch SARS-CoV2 (HGIS) zu einer höheren Infektanfälligkeit führen, hätte es in Neuseeland normale oder sogar nur geringere RSV-, Influenza oder Streptokokken-Zirkulation geben müssen.

Tatsächlich wurden in Australien, Neuseeland und Japan nach Ende der Schutzmaßnahmen starke RSV-, Influenza und Streptokokken-Wellen beobachtet, bevor es zu signifikanten Covid-Wellen kam (Lorenz et al. 2024). Am Beispiel RSV sehen mehrere Autoren Immunitätslücken als Ursache Koltai et al. 2022, Den Hartog et al. 2023, Ang et al. 2023, Jiang et al. 2024, Munro and House 2024). RSV-Infektionen erleben 90% der Kinder in den ersten zwei Lebensjahren, die Hälfte davon zwei Mal. In Regionen mit schweren RSV-Wellen waren vor allem Säuglinge unter 6 Monate betroffen, die nie mit Covid infiziert waren.

Mir ist lediglich eine Studie bekannt, wonach die Durchseuchung der Kinder mit Covid zur starken RSV-Welle 2021/2022 beigetragen haben soll (Wang et al. 2023), sie hat allerdings mehrere Limitationen (Selection Bias? Unentdeckte Infektionen?). Zudem hat sich auch das Testverhalten mit/nach der Pandemie geändert und es wurden vermehrt RSV-Fälle detektiert (Petros et al. 2024). HGIS-Vertreter ließen die Daten aus Japan und Neuseeland allerdings gerne unter den Tisch fallen, und zogen dafür vor allem Schweden heran, wo im ersten Pandemiejahr die Schulen offen blieben, und auch dort starke RSV- und andere Viruswellen auftraten. Tatsächlich war auch Schweden von der Viruszirkulation im Rest der Welt abgekapselt, weil es sonst ja verbreitet Maßnahmen gab. In Schweden gab es ebenso Maßnahmen, aber nicht in den Schulen. In Summe wirkte sich die gesunkene Viruszirkulation abseits des hochansteckenden SARS-CoV2 weltweit aus.

Immunitätslücke bezieht sich ursprünglich auf Säuglinge und Kleinkinder

„Immunlücke beschreibt das erhöhte Infektionsrisiko in der Zeit, wo die mütterlichen Antikörper gering sind und das Immunsystem des Babys noch nicht stark genug ist. Mutierende Erreger gewährleisten, dass wir uns jährlich neu infizieren. Bei Kindern ist die anfängliche antivirale Antwort erhöht, dadurch sind sie weniger empfänglich, aber sie entwickeln auch weniger Gedächtniszellen (Reinfektionsrisiko). Die jüngsten haben keine jährlichen Infektionen mitgemacht und infizieren sich jetzt vermehrt. Bei älteren Kindern können Infektionen zu stärkeren Symptomen führen, auch bei unzureichendem Immungedächtnis oder nachlassender Immunität können mehr symptomatische Fälle auftreten. Bei Erwachsenen sind die Auswirkungen wahrscheinlich weniger spürbar. Wir infizieren uns öfter, weil unsere Antikörper schon länger zurückgegangen sind, aber die Pathogene zirkulierten seltener und der selektive Druck auf Mutationen war geringer. Die meisten Infektionen werden zurück zu ihrem jährlichen Muster gehen. Zeitpunkte und Amplituden unterschieden sich aber von Jahr zu Jahr. Bakterielle Infektionen sind langsamer und das erhöhte Infektionsniveau dauert mitunter länger an. Zudem sind neue Varianten und Antibiotika-Resistenzen ein Problem.“ (Marc Veldhoen, Bluesky)

Es ist auch mit Polio passiert, als man Hygienemaßnahmen verbessert hatte und die Infektionen auf einen Zeitraum verzögert wurden, wo die Menschen keine mütterlichen Antikörper mehr zum Schutz hatten – die schweren Fälle haben dann dramatisch zugenommen. (Edward Nirenberg, Bluesky)

Ich hab gesagt, dass wir aus dieser Pandemie herauswachsen – ähnlich wie Babys aus ihren riskanten Altersgruppen herauswachsen. Weil sich das Immunsystem durch Impfungen und Infektionen entwickelt, sind 5-10jährige nicht annähernd mehr so gefährdet wie 0-4jährige. Leider machen wir diese Entwicklung in allen Altersgruppen durch. Auch die Häufigkeit/Schwere von LongCovid wird langfristig abnehmen. Bei jenen, die bereits Long Covid haben, wird es aber länger dauern.“ (Immunologe Michael Mina, Bluesky)

„Müssen“ wir uns infizieren?

Eine persönliche Anekdote:

Da ich seit vielen Jahren regelmäßige Bergtouren mache, hab ich ein gewisses Archiv, wann ich zuletzt so respiratorisch krank war, das ich keine Touren machen konnte oder absagen musste. Vor 2015 hatte ich regelmäßige respiratorische Infekte, dann im März 2016 noch einmal, und dann bis Ende 2022 nicht mehr. Seitdem sind es drei Infekte trotz oder wegen regelmäßigem Maske tragen, schlicht, weil die Exposition im direkten Kontakt ohne Maske stattfand. Die Virusart weiß ich, weil ich sie durch meine Sentinelärztin erfahre. Alle drei Infektionen führten zu 7-10 Tagen Krankenstand und jeweils gut 3-4 Wochen, bis ich wieder vollständig genesen war. Ich hatte nie eine symptomatische SARS-CoV2-Infektion, sehr wahrscheinlich aber unbemerkt eine asymptomatische Infektion (Nkolola et al. 2024). Die Tage mit respiratorischen Symptomen kann ich an einer Hand abzählen. Mein Immunsystem wurde also nicht geschrottet, trotzdem war ich in allen Fällen gut bedient mit der Erkrankung.

Ich kann zu diesem Zeitpunkt nur spekulieren: Wahrscheinlich hatte ich ab 2016 bis 2020 Kontakt mit Erregern, aber keinen Krankheitsausbruch („stille Feiung“ durch symptomlose Infektion). Von 2020 bis 2022 hatte ich keine Kontakte mehr und dadurch einen Verlust an spezifischer Immunität. Deshalb ich mich angesteckt, als ich wieder Kontakte hatte. Ich hätte alle drei Virusinfektionen vermeiden können, indem ich auf Weihnachtsurlaub und Wirtshausbesuche verzichtet hätte. Es besteht keine Verpflichtung, sich zu infizieren, damit ist nichts gewonnen. Die Frage besteht vielmehr darin, was brauche ich für mein Sozialleben, um zufrieden zu sein? Und dann nimmt man dieses Risiko in Kauf oder nicht.

Das Immunsystem ist kein Muskel und kann nicht trainiert werden. Es ist daher nicht geschwächt, weil wir 2020-2022 weniger Infektionen durchgemacht haben. Es ist täglich zig Millionen Mikroben ausgesetzt, durch das es aktiv bleibt. Manche Krankheitserreger bleiben lebenslang bestehen, wie Herpesviren und halten das Immunsystem auf Trab. Eher führt der jahrzehntelang Kampf mit dem Herpesvirus Zytomegalovirus zur Erlahmung des Immunsystems mit zunehmenden Alter. Gegen zahlreiche Erreger gibt es nur eine kurzlebige Immunität und man kann sich mehrmals pro Jahr anstecken.

Doch das bedeutet nicht, dass wir uns infizieren „müssen“. Alle Experten, einschließlich der bei HGIS-Vertretern umstrittenen Munro und Veldhoen, betonen, dass Infektionen niemals gut sind. Und Virologin Isabella Eckerle twitterte im November 2022:

„Es gibt kein ‚Infektions-Konto‘, das man abarbeiten muss, damit man am Ende des Jahres bei null ist.“

Mit anderen Worten: Wir können Infektionen auch auslassen, aber dafür müssen wir uns aktiv entscheiden, oder wir entscheiden für andere mit, ob sie es wollen oder nicht.

Niemand hat z.B. Kinder in der Pandemie gefragt, ob sie in den Schulen durchseucht werden wollen, bevor es eine Impfung gibt, oder ob sie überhaupt zum häufigen Kranksein wie vor der Pandemie zurückkehren wollen. Niemand fragt heute Patienten beim Hausarzt oder im Spital, ob sie zu ihrer Erkrankung oder wöchentlichen Infusion eine Virusinfektion „gratis“ dazu haben wollen. Niemand fragt hochvulnerable Personen, ob man besondere Schutzmaßnahmen treffen soll, im Gegenteil werden heute Menschen, die aus präventiven Gründen weiterhin Maske tragen, dafür mitunter in der Öffentlichkeit beschimpft, bedroht oder sogar tätlich angegriffen. Es geht aber nicht nur ums Maske tragen, sondern auch um Situationen, wo man sich drinnen trifft und keine tragen kann, beim Essen und Trinken, oder aus sozialem Druck heraus keine tragen will, etwa bei beruflichen Zusammenkünften. Ich kann dann entscheiden, ob ich mich mehrfach im Jahr diesem „indoor crowding“ aussetzen will oder nur wenige Male, und damit reduziere ich zwar mein Risiko, gerate beim Socialising aber mitunter ins Hintertreffen. Messenger und Zoom ersetzen persönliche Kontakte nun einmal nicht.

Wir mussten da durch, weil das Virus neu für unser Immunsystem war. Normalerweise geschieht das bei Kindern, nicht bei Erwachsenen. Bei SARS-CoV2 gab es das in allen Altersgruppen, mit den bekannten negativen Folgen. Heute leiden weiterhin vor allem sehr junge und alte Menschen unter akuten Infektionen, daran können wir arbeiten – doch das ist auch typisch für viele Pathogene.“ (Marc Veldhoen)

Was hätten wir tun sollen vor Aufhebung der Schutzmaßnahmen?

Wenn man über mehrere Monate oder Jahre die Verbreitung von Pathogenen über Schutzmaßnahmen einschränkt oder verhindert, muss man mit einem „Rebound“ an Infektionen rechnen, sobald diese aufgehoben werden. Wir erinnern uns an den Mangel von wichtigen Medikamenten, darunter Antibiotika, im ersten Winter 2022/2023. Entsprechend hätte man verstärkt über Impfungen aufklären sollen, um zumindest die Zirkulation impfbarer Infektionserreger zu reduzieren. Die unten angesprochenen gelinden Schutzmaßnahmen wie Luftreiniger hätten generell die Viruslast reduziert, damit Ansteckungsgefahr und Schwere der Erkrankung, damit Krankenstände insgesamt und wirtschaftliche Kosten.

Was ist passiert?

Die meisten Viren und Bakterien haben erst die Immunitätslücke ausgeglichen und kehrten teilweise auf die Baseline zurück (z.B. Influenza und RSV) – mit dem Unterschied, dass mit SARS-CoV2 nun neben den anderen Pathogenen dauerhaft ko-zirkuliert. SARS-CoV2 erzeugt neben Influenza und RSV durch die Akutinfektion eine Delle in der Immunabwehr, bei manchen in Form von Long COVID dauerhaft, bei anderen für mehrere Wochen oder wenige Monate nach der Akutinfektion. In diesem Zeitraum ist die Immunabwehr anfällig für weitere Erreger. Durch die Zirkulation anderer Pathogene stehen ganzjährige Folgeinfektionen zur Verfügung, etwa Rhinoviren, Enteroviren (Sommergrippe), aber auch bakterielle Infektionen (Strep, Mycoplasmen). Vor der Pandemie hätte man im Sommer Ruhe gehabt, weil die ganzjährig zirkulierenden Erreger weniger krankmachend sind als Influenza und RSV im Winter. Nun ist SARS-CoV2 aber dazu gekommen, und damit gibt es die Folgeinfektionen im ganzen Jahr. Baseline + SARS-CoV2 + Folgeinfektionen machen dann die gestiegene Krankheitslast insgesamt aus, die sich auch auf die globale Wirtschaft negativ auswirkt. Diese Argumentation braucht keine dauerhafte und mehrheitliche Immunschwäche mit jeder Covid-Infektion, zumal die Baseline von Covid im Abwasser kontinuierlich sinkt.

In einem Blogartikel hab ich schon einmal darüber geschrieben, was wahrscheinlich passiert ist.

Wissenschaftsjournalist Lars Fischer hat es einmal mit Würfeln erklärt. Seit Aufhebung aller Maßnahmen und Reisefreiheit würfeln die Menschen unterschiedlich häufig. Manche würfeln ständig, fliegen jede Woche wohin, lassen keine Party, keine Hochzeitsfeier, keine sonstigen Anlässe aus. Andere würfeln unfreiwillig, weil sie schulpflichtige Kinder haben oder ihr Kind in den Kindergarten schicken (Kinder werden regelrecht in Viren gebadet, wie eine Studie mit Luftproben gezeigt hat, Temte et al. 2023).

Es wäre nun interessant zu wissen, ob jene, die seltener würfeln, dennoch häufiger erkranken, weil sie bereits mehrfach Covid hatten, oder genauso oft erkranken wie vor der Pandemie. Manches wird wohl immer eine Hypothese bleiben.

Was können wir künftig tun, um die Krankheitslast zu reduzieren?

Die weltweite Zunahme an Krankenständen ist allgemein belegt, ebenso die Zunahme an Arbeitslosigkeit, Arbeitskräftemangel und Langzeitkrankenständen sowie Erwerbsminderungsrente aufgrund von Long Covid und MECFS (Sozialverband VdK Nord, 16.01.25).

Die Werkzeuge sind nun seit Jahren bekannt, ihre Wirkung ist belegt. Masken, Lüften und mobile Luftreiniger sind das individuelle Mittel der Wahl. Mechanische Lüftungsanlagen (öffentliche Räume) und Maskenpflicht in sensiblen Bereichen (Gesundheitswesen) wären Aufgabe der Behörden, aber auch der Fachgesellschaften, auch für Bildungseinrichtungen. Wenn der Präsident der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin, Wolfram Windisch, allerdings behauptet, dass Virusinfekte wichtig für unser Immunsystem sein würden, weil es trainiert werden müsse, um Tumore abzuwehren (Riffreporter, 14.01.25)

It was recently estimated that a virus infection is the central cause of more than 1,400,000 cancer cases annually, representing approximated 10% of the worldwide cancer burden“ (Plummer et al. 2016)

dann ist das aus Health Literacy-Sicht kontraproduktiv, weil so Infektionsschutz statt Infektionen verteufelt wird.