Vier Jahre sind schnell vergangen und während viele Menschen vergessen haben, wie die Pandemie begann, wird sie für die von Spätfolgen der Infektion Betroffenen wahrscheinlich nie enden. Der Großteil der Bevölkerung will von Corona nichts mehr wissen, aber eine Minderheit, die schon früh gegen die Schutzmaßnahmen gestänkert hat, kann nicht loslassen und möchte amtlich verbrieft von ihrer schweren Schuld reingewaschen werden. Worin besteht diese Schuld? Im Kern aus den folgenden Fragen:

  • Wie viele Infektionen hätte ich vermeiden können, wenn ich X anders gemacht hätte oder Y nicht gemacht hätte? Inwiefern sollte ich mir hier selbst Vorwürfe machen?
  • Gibt es nahestehende Menschen, die diese Langzeitfolgen haben, weil ICH sie infiziert habe? Machen sie MIR Vorwürfe? Mache ich MIR Vorwürfe?
  • Werden meine Kinder ein kürzeres Leben haben oder ständig mit großen gesundheitlichen Herausforderungen konfrontiert sein, wegen der Entscheidungen, die wir für sie getroffen haben, als sie dafür noch zu jung waren? Werden sie als Erwachsene mir die Schuld geben für all die Entscheidungen, die ich getroffen habe? Werde ich MIR Vorwürfe machen?

Sich diesen Fragen zu stellen, würde dazu zwingen, sich mit der Realität der Pandemie auseinanderzusetzen, was viele lautstarke Kritiker und Leugner vermeiden wollen. Die Antworten wären nicht ertragbar. (mehr zum Thema Realitätsverleugnung und Trauma). Daher werden lieber die Schutzmaßnahmen selbst in Frage gestellt, um das eigene Fehlverhalten bzw. die widerwillig befolgten Regeln im Nachhinein zu entschuldigen. Durchschaubares Verhalten, sollte man meinen, doch der Umgang der Medien und der Politik mit diesen Ablenkungsmanövern trägt nicht zur Verbesserung der Stimmungslage insgesamt bei, und schon gar nicht zu Lehren aus der Pandemie, es künftig besser zu machen.

In der Gegenwart mangelt es an den richtigen Lehren aus der Pandemie:

  • Im Gesundheitswesen gibt es seit Mai 2023 keine Maskenpflicht mehr in Österreich, auch keine routinemäßigen Tests und Isolation mehr auf den Stationen: Die Maskenpflicht hätte niemals abgeschafft werden dürfen. Tests hätten bleiben und weiterhin Patienten isoliert werden müssen. Im niedergelassenen Bereich hätten Luftreiniger für jede Praxis neuer Standard werden müssen.
  • Im Bildungswesen gibt es keinerlei Berücksichtigung von SARS-CoV2 mehr. Auch hier gilt: Niederschwelliger Testzugang bei Symptomen auch bei Kindern (im Winter: Triple-Tests für Influenza, RSV und Covid), Luftreiniger und standardmäßig CO2-Messgeräte in Klassenräumen. Es hätte breite Impfkampagnen gegen ALLE impfbaren Erreger geben müssen, ebenso mehr Aufklärung und ggf. Sanktionen, wenn Kinder mit Symptomen in Kindergarten/Schulen geschickt werden.
  • Natürlich sollte man sich vorbehalten, Klassen/Schulen zu schließen, wenn Cluster überhand nehmen. Das gab es bei Influenza auch schon. Hätte man auf mehr digitale Kompetenz und Ausrüstung gesetzt, könnte man jetzt leichter ins Distance Learning wechseln. Derzeit verlieren Schüler mehr Unterrichtszeit durch krankheitsbedingt eigene und Lehrer-Fehlzeiten als vor der Pandemie. Über Letzteres wird in der Öffentlichkeit aber nicht berichtet.
  • Die telefonische Krankmeldung hätte ebenso bleiben können wie Hybrid/Online-Veranstaltungen statt Präsenzzwang.
  • Der Umgang mit LongCOVID/MECFS-Betroffenen ist weiterhin menschenunwürdig.
  • In Österreich sind Schnelltests beim Arzt ab Mitte April wahrscheinlich nurmehr für Risikopatienten gratis. Die Impfung dürfte ähnlich wie in Deutschland wahrscheinlich ebenso eingeschränkt werden im kommenden Herbst (mehr zum Segen der Impfung hier). Mit sehr niedrigen Impfraten laufen künftige Wellen wahrscheinlich ähnlich hoch durch wie JN.1 im Herbst 2023. Paxlovid gibt es ohnehin nurmehr für einen besonders eng gefassten Kreis an Risikogruppen.

Für einen langen Text fehlt mir derzeit die Muße. Ich bin mehrfach auf die Lehren und Fehler in der Pandemiebewältigung mit Schwerpunkt Österreich eingegangen, z.B.

und als „extended raw version“ die Chronologie insgesamt seit Pandemiebeginn, die ein ganzes Buch füllen könnte.

Als einer der wenigen Menschen in Österreich habe ich ein fast durchgängiges Tagebuch vom ersten Lockdown und auch noch jahrelang danach viel dokumentiert, nicht nur Fachartikel, sondern auch Zitate von Politikern, Wissenschaftlern, Medizinern und Journalisten. Auch meine eigenen Aussagen habe ich immer wieder reflektiert.

In Summe, und das wird aus den hunderten verlinkten Fachartikeln und eigenen Texten hoffentlich deutlich, zweifle ich nicht an den wichtigsten Maßnahmen:

  • FFP2-Maske
  • Lüften und Luftreiniger
  • Testen, Nachverfolgen, Isolation, Quarantäne
  • Impfung (mit angepassten Impfstoffen)
  • antivirale Medikamente (Paxlovid, Metformin, …)

Es gibt keine wissenschaftliche “Basis” zu Beginn einer Pandemie, sondern einen aktuellen Wissensstand, der laufend aktualisiert wird und Verhalten/Intervention entsprechend angepasst werden müssen.

“Better safe than sorry!” war einmal die Grundlage von Public Health.

Wie wichtig es wäre, die richtigen Lehren zu ziehen, zeigen die aktuellen Vogelgrippefälle bei Nutztieren in den USA und mit engem Kontakt auch bei Menschen. Auch Katzen können sich infizieren, was aber schon seit längerem bekannt ist. Es würde sogar 2 Impfstoffe gegen Vogelgrippe geben, aber bei rund 7% Impfrate gegen SARS-CoV2, unter 20% gegen Influenza und offenbar deutlich unter 90% gegen Masern stellt sich die Frage, wie realistisch eine Eindämmung/Abmilderung einer weiteren Pandemie mit Impfstoffen alleine sein würde, sollte das Vogelgrippevirus weiter mutieren und auch eine Mensch-zu-Mensch-Übertragung ermöglichen.