Fakten zu Corona

Daten, Fakten, Aufklärung

Wir beobachten dann mal …

Varianten-Entwicklung in Österreich seit Herbst 2021, Stand: 24. September 2024

Das Abwassermonitoring heißt nicht umsonst so – wir dokumentieren für die Nachwelt das Virus schön anonym im Abwasser, ohne es auf einzelne Bezirke oder gar Gemeinden zurückführen zu können. Für regionale Prävention taugt außerdem die mangelhafte Abdeckung wenig. Zumindest wissen wir jetzt, dass die Infektionszahlen seit Mitte September explodieren. Die Steilheit ist vergleichbar mit dem von JN.1 im Vorjahr oder von BA.5 im Sommer 2022. Die Absolutzahlen lassen sich wegen geänderter Methoden nicht wirklich vergleichen, aber der sprunghafte Anstieg von Krankenständen spricht ohnehin Bände. Schlichte Geister werden das exponentielle Wachstum auf das nasskalte Wetter schieben, auf die fünf Regentage im Großteil von Österreich Mitte September. Doch es war auch die zweite Schulwoche und der Großteil der Reiserückkehrer wieder anwesend.

Über 60% des aktuellen Abwassersignals stammt von der Untervariante KP.3 (Stand 24.09.24), der Anteil der Rekombinante XEC (KS.1.1 + KP.3.3) liegt bei 14% und zeigt ein relatives Wachstum (Quelle: Andreas Bergthaler, X).

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Variantenfriedhof

Abwasserwerte seit Herbst 2021 (Delta-Welle)

Die letzten Tage war ich zugegeben sehr durch das große Hochwasser in Ostösterreich abgelenkt. Ich hab Corona aber nie aus den Augen verloren und weiterhin Maske getragen. Der Anstieg geht mit Übernahme der KP.3.1.1-Variante (Q493E, S31del) weiter, XEC wird zwar international als Übernahmekandidat gehandelt, doch scheint sein Wachstum sehr begrenzt zu sein. Der Schulanfang half sicher nicht – es husten wieder sehr viele junge Menschen in den Öffis, und auch sonst gehen die vielen Krankenstände seit dem Sommer nahtlos weiter. Wie aussagekräftig das Abwassermonitoring für den Osten derzeit ist, sei dahingestellt – die starken Abflüsse durch das Hochwasser könnten die Daten verfälschen.

Die Anzahl der Hospitalisierungen wegen Covid nimmt kontinuierlich zu und liegt jetzt knapp unter 300 österreichweit (SARI-Dashboard)

KP.3.1.1 hat nach Ansicht von Virusjäger Ryan Hisner eine virologische Sackgasse erreicht. Zuletzt gab es kaum noch Änderungen in der rezeptorbindenden Domain, welches das Hauptziel von Antikörpern ist (von Impfung oder Infektion). Es sei eine relativ fade Zeit für die SARS-CoV2-Entwicklung – was eine gute Nachricht ist. Wir erinnern uns – Virologe Drosten sagte das im November 2022, bevor die Rekombinanten (XBB*) aufkreuzten – damals allerdings bei wesentlich weniger Durchseuchung und mehr Kombinationsspielraum für neue Varianten.

Derzeit ist unklar, ob und wann wieder ein großer evolutionärer Sprung kommt, und sich eine ganz neue Variante durchsetzt. Spätestens im Oktober sollten die Infektionszahlen also entgegen dem saisonalen Trend wieder zurückgehen.

Im CHMP-Meeting (EMA) diese Woche (16.-19.09.) gab es positive Stellungnahmen zum Spikevax JN.1-Impfstoff (Moderna) und zum KP.2-Impfstoff von Pfizer. Zu Novavax gibt es keine Neuigkeiten. Das nächste Meeting ist in einem Monat. Mit anderen Worten: Bisher steht dieses Jahr nur die aktualisierte mRNA-Impfung zur Verfügung. Wer kann und sie gut verträgt, dem rate ich unabhängig von Risikofaktoren zur Auffrischung. Wer sie nicht gut verträgt, hat nach jetzigem Stand Pech gehabt – ich weiß dazu keine Lösung, vielleicht gibt es eine Prophylaxe mit Antikörpertherapie wie bei Immunsupprimierten, das muss man mit Spezialisten abklären.

Viel mehr kann ich derzeit nicht sagen – außer Maske tragen, Luftreiniger benutzen und Abstand zu Menschen mit Symptomen halten.

Inkompetenz verursacht viel Leid

Nationales Abwassermonitoring für Wien, 07.09.24

Der eigentliche Witz daran ist, dass das bei „Journalisten“ unüberprüft durchgehen darf. Offenbar haben der Bürgermeister, seine Berater und der zammschreibende Journalist in den letzten vier Jahren unter einem Stein gelebt und nicht mitbekommen, dass SARS-CoV2 gar nicht saisonal ist. Oder sie haben ihre eigenen Narrative geglaubt, die immer vom Herbst sprachen, und der Impfung im Herbst, wie bei Influenza, weil nur in der kalten Jahreszeit Infektionen auftreten würden. Vielleicht haben sie auch das Ö1-Journal am 14. August gehört, wo es u.a. hieß, dass Grippe auf dem Vormarsch sei. Dabei gab es kaum Grippefälle und SARS-CoV2 dominierte in den Sentineldaten.

In jedem Fall kann man es nur mit Inkompetenz erklären. Zwar ist sein Vorhaben löblich, dass die Stadt Wien die Impfung wieder selbst in die Hand nehmen will – nur kommt das für zehntausende Menschen seit Ende Juli bereits zu spät, und die Schule ist bereits gestartet, ohne, dass man irgendetwas für die Kinder tun will. Die Sorge wegen der Hitze scheint größer als die Zusammenhänge von schlechter Luft mit erhöhter Infektionsanfälligkeit und erschwertem Konzentrationsvermögen.

Sicherlich ist ein roter Bürgermeister besser als ein Schwarzer oder Blauer, aber in Sachen Pandemiepolitik hat sich die Stadtregierung mit der verfrühten Aufhebung der Maskenpflicht im Februar 2023 entlarvt mit ihrem Projekt „Intensivstationen schützen„. Um solidarischen Schutz für den/die Nächsten ist es nie gegangen, und entsprechend schnell verschwunden sind sämtliche Masken damals in den Öffis von einem Tag auf den anderen, als die Maskenpflicht aufgehoben wurde.

Die seit dem Frühling laufende Infektionswelle wird jedenfalls von den FLiRT-, dann FLuQE– (Kaku et al. 2024, Feng et al. 2024 preprint) und gegenwärtig S31del-Varianten (Li et al. 2024 preprint) getrieben. Insbesondere mit letzteren gab es einen kräftigen Schub, und wie wir wissen, herrschte die letzten Wochen beständig Sommer, vor allem in Wien. Das trocken-heiße Wetter geht erst in der Nacht auf Montag zu Ende.

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Die Herbstwelle begann im Frühling

@zeitfernes Visualisierung der Abwasserwerte von Österreich seit 2021

Bitte, lasst euch nichts einreden. Es hat nichts mit der Jahreszeit zu tun, ob sich bei SARS-CoV2 Wellen ausbilden. Die Höhe einer bereits vorhandenen Welle wird sich im Winterhalbjahr eher zu Rekordhöhen schwingen als im Sommer, aber deswegen herrscht in der warmen Jahreszeit noch lange keine Entspannung.

Die Abwasserwerte sind seit April im Steigen. Der Sommer 2024 war bisher in Österreich ein Rekordsommer. In zahlreichen Landeshauptstädten wurden Rekorde bei der Anzahl der Tropennächte, der Dauer von Hitzewellen, der Anzahl der Hitzetage gebrochen. In Wien sind es die wenigsten Regentage seit 120 Jahren. Und die Serie ist noch nicht zu Ende. Der mittelfristige Ausblick zeigt eine Fortsetzung von Sommer- und Hitzetagen in Wien und in ganz Österreich bleibt es im Schnitt warm mit eher sommerlicher Gewitterneigung.

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Virus-Update: Was erwartet uns die nächste Zeit?

Sentineldaten des Zentrums für Virologie an der MedUni Wien, Quelle: Judith Aberle (X)

Langsam wird’s unübersichtlich: Mögliche, neue Virusvarianten von SARS-CoV2, viele Influenza-beladene Reiserückkehrer, Westnilfieber-Fälle in Ungarn und im Osten von Österreich, die als Affenpocken bekannten Mpox kürzlich zur Internationalen Gesundheitsnotlage deklariert und die Vogelgrippe in den USA befällt inzwischen Hauskatzen. Man könnte es auch insgesamt als weltweite Gesundheitsnotlage titulieren, egal, was davon schon Pandemie war oder ist oder noch nicht ist.

Die aktuellen Virusnachweise aus den Sentinelpraxen zeigen eine Positivrate von 24% für SARS-CoV2 und 13% für Rhinoviren, die das Infektionsgeschehen im August seit Wochen gemeinsam dominieren. Die in der Vergangenheit von den üblichen Journalisten zitierten Enteroviren, die die hierzulande als „Sommergrippe“ bekannte Erkrankung verursachen, werden kaum nachgewiesen. Journalisten wie Köksal Baltaci von der Presse, der schon am 1. Jänner 2023 behauptet hat, dass SARS-CoV2 saisonal sein würde (überwiegend in der kalten Jahreszeit), wollen hier offenbar krampfhaft das Narrativ verteidigen, SARS-CoV2 würde kaum im Sommer auftreten und erst im Herbst zu einer Welle werden. Das ist falsch, wie auch die neuen Daten zeigen. Auch Influenza wird in den ausgewählten Hausarztpraxen kaum beobachtet. Irreführende Sendungstitel wie „Grippe und Covid auf dem Vormarsch“ könnten daher resultieren, dass man „influenza-like illness“ wie Grippe und grippale Infekte hier unter Grippe zusammengefasst hat.

Um die aktuellen Infektionswellen ranken sich viele Mythen.

Es gibt keine Immunschuld! Die Lockdowns in den ersten zwei Pandemiejahren sind schon lange vorbei. Das Sozialverhalten (Anzahl der Kontakte) hat sich seit 2022 rasch wieder normalisiert, auch zwischen den Kontaktbeschränkungen hat es viel Austausch gegeben und nicht mal während der Lockdowns haben sich alle daran gehalten. Kinder gehen schon seit 2021 wieder in die Schule, die Notbetreuung während der Lockdowns wurde rege genutzt. Viele bakterielle und virale Erkrankungen erzeugen keine langlebige Immunität. Da wird nichts nachgeholt und dann ist lange wieder gut!

Es ist nicht die Klimaanlage oder Zugluft! Wenige virale Erkrankungen werden als Autoimmunerkrankung verursacht, darunter Epstein-Barr-Viren bzw. Herpesviren. Bei Leistungssport (Stichwort: Open-Window-Effect) kann das zu vorübergehender Aktivierung der Viren führen, aber ein Coronavirus oder eine Parainfluenza schläft nicht im Körper* und wartet darauf, dass die böse Zugluft das Immunsystem schwächt! Es wird von außen eingetragen, also von Mensch zu Mensch übertragen, und dagegen kann man was tun!

* das ist zu unterscheiden von Longcovid als chronische Infektion und/oder Virus-Reste im Körper.

Starke Hitze, Leistungssport, kalte, trockene Luft aus Klimaanlagen oder ein kalter Luftzug bei nassen Haaren lösen keine Infektionen aus. Sie begünstigen die Schwächung der Immunabwehr durch trockene Schleimhäute, oder wie jetzt in der Hitzewelle die Belastung des Organismus, kein erholsamer Schlaf, etc. – aber ohne einen Erreger von außen ist man einfach nur belastet und erschöpft, aber wird nicht automatisch krank. Meine Konsequenz daraus: Ich trage jetzt erst Recht Maske, weil ich weiß, dass die Wetterlage gerade sehr belastend ist.

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Olympische Spiele: Am Gipfel der Verleugnung?

“I’m not toying with the life of a 23-year-old boy. I don’t want that on my conscience.” (Patrick Lefevere, Manager von Quickstep, Giro d’Italia, 17. Mai 2023)

Während sich die Berichterstattung in Österreich erwartungsgemäß vornehm zurückhält, was den Einfluss der aktuellen Sommer-Coronawelle auf die Olympischen Spiele betrifft*, redet man anderswo bereits Klartext.

Das, was wir derzeit erleben, ist nicht normal und sollte nicht mehr beschönigt werden. Noah Lyles wird kurz vor seinem Lauf positiv getestet und gewinnt die Bronze-Medaille. Die Quittung für seinen Einsatz: Er musste nach dem Rennen im Rollstuhl hinausgefahren werden. Malaika Mihambo holt im Weitsprungfinale Silber, muss aber ebenfalls mit Atemnot im Rollstuhl aus dem Stadion gebracht werden. Alessia Zarbo kollabiert in der letzten Runde des 10km-Finales und bleibt auf der Bahn liegen. Sind das noch sportliche Wettkämpfe oder handelt es sich um Gladiatorenkämpfe des alten Roms?

*So ist im Kommentar des Wochenend-Standards zum finalen Wochenende der Olympischen Spiele kein einziges Wort zu den zahlreichen Coronafällen und -ausfällen unter den Athleten zu lesen. Zu Lyles heißt es in einer kurzen Meldung lapidar „reiste mit Corona ab.“

Arthur L. Caplan: Noah Lyles’ collapse with Covid: How not to manage health at the Olympics (09.08.24)

Troy Farah: Noah Lyles‘ collapse underscores our collective COVID denial (10.08.24)

Corona-Folgen: Mihambo trifft schwere Entscheidung (27.08.24)

Update 2: Länder, die Covid stärker eingedämmt haben, gewannen mehr Goldmedaillen als erwartet und umgekehrt bei den Olympischen Spielen (Orchard et al. 2024 preprint)

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ZiB2: Themenverfehlung mit meiner ORF-Haushaltsabgabe

Übernahme des Wordings der Pandemieleugner: „Leak der RKI-Files“ in der Ankündigung auf die Zib2 auf X

Der ORF hat einen Bildungsauftrag. Der besteht während (!) einer Coronawelle nicht darin, das Interesse von Verschwörungserzählern zu befriedigen, sondern die Bevölkerung über das zu informieren, was gerade ist und wie man sich schützen kann – über die neuesten Impf-Empfehlungen, dass wir bereits eine deutliche Welle haben ebenso wie über Infektions-Langzeitfolgen.

Problematisch am ZiB2-Beitrag vom 23. Juli 2024 war vor allem der Beitrag vor dem Interview mit Ex-Gesundheitsminister Anschober, aber auch die Fragen von Armin Wolf selbst. Nichts gelernt aus den letzten vier Jahren. Der ORF thematisiert hier anstelle der akuten Infektionswelle die wichtigste Wahlkampfmotivation der Rechtsextremen und kleinerer Parteien, die den kommenden Herbst immer noch als „Denkzettelwahl“ betrachten, und leisten ihnen damit einen Bärendienst.

Zudem warnt inzwischen sogar die Bundesstelle für Sektenfragen in einem Bericht von April 2024 vor der Szene vor extremen Pandemieverschwörungsgruppen.

Warum gibt es überhaupt die ständigen Diskussion wegen „Impfung würde nicht vor Ansteckung schützen“? Weil die öffentliche Kommunikation von Beginn an auf ein Lehrbuchvirus ausgelegt war. Die Bevölkerung würde sich infizieren und dadurch Herdenimmunität erreichen. Die Impfung würde die Pandemie beenden. Doch SARS-CoV2 ist kein Lehrbuchvirus. Es war nur im ersten Jahr relativ stabil und mutierte kaum. Es war Glück, dass zwei Impfdosen noch gegen die Alpha-Variante wirksam waren und Ansteckungen in hohem Maß verhinderten. Mit Delta reichten 2 Impfdosen nicht mehr. Israel setzte bereits im Juli 2021 auf 3 Impfdosen. Die STIKO und das NIG zogen zu spät nach. Die Bundesregierung hatte plötzlich ein Kommunikationsproblem, denn das Narrativ „Für Geimpfte ist die Pandemie vorbei“ geriet in Konflikt mit einer notwendigen dritten Impfdosis. Die Kampagne für die dritte Impfung kam zu spät, der vierte Lockdown war unvermeidlich. Statt die Fehler in der Strategie einzugestehen, kam der populistische „Lockdown für Ungeimpfte“, gefolgt vom Lockdown für alle. Die Regierung hielte am Narrativ „Die Impfung beendet die Pandemie“ fest, weshalb die Impfpflicht beschlossen wurde. In der Delta-Welle, als in den Spitälern mehrheitlich Ungeimpfte lagen. Mit einer Impfpflicht hoffte man, künftige Lockdowns zu verhindern. Mit Omicron ab Dezember 2021 brachten auch 3 Impfdosen keinen ausreichenden Schutz mehr vor Ansteckungen. Auch Geimpfte konnten das Virus übertragen. Aus Sicht der Verhinderung schwerere Verläufe hätte es weiterhin Gründe für die Impfpflicht gegeben, aber nicht mehr als kollektiver Übertragungsschutz.

Diese ganzen Grautöne der Virusentwicklung, insbesondere der Variantenbildung wurde 2021 lange Zeit verharmlosend wiedergegeben und zu spät darauf reagiert. Omicron wurde daraufhin fälschlicherweise als mild geframed, aber das ist eine andere Geschichte und soll ein anderes Mal erzählt werden.

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Präventionsversagen in Österreich: Wen juckt’s?

Der Standard, 10. März 2022

Gesundheitsminister Rauch (Grüne), der eigentlich mit den Nationalratswahlen im Herbst angekündigt hatte, in Pension gehen zu wollen und kürzlich andeutete, vielleicht doch zu verlängern, versagt weiterhin auf ganzer Linie, wenn es um den Schutz der Bevölkerung vor Infektionswellen geht. Längst nicht nur bei SARS-CoV2, sondern auch anderen Infektionskrankheiten mit potentiell tödlichem Ausgang. Über seine Rolle als Verharmloser und Blockierer von sinnvollen Maßnahmen in der Akutphase der Pandemie schrieb ich letztes Jahr schon.

Jetzt hat Rauch neben der verschleppten Einigung über die Gratis-Covidtests bei den niedergelassenen Ärzten, der fehlenden Impfkampagnen und der verzögerten Ausschreibung eines Referenzzentrums für MECFS auch die Beschaffung eines wichtigen RSV-Medikaments (Nirsevimab, monoklonaler Antikörper) für Säuglinge verschlafen.

„Die vergangenen Erkältungssaisonen haben gezeigt, dass RSV auf dem Vormarsch ist und vor allem für Säuglinge schwere gesundheitliche Folgen mit sich bringen kann, die lebensbedrohlich sein können. Mit der RSV-Prophylaxe für Säuglinge stünde uns in Österreich während der Erkältungssaison eine wirksame und sichere Möglichkeiten zur Verfügung, unsere Jüngsten bestmöglich zu schützen. Der Gesundheitsminister hat aus dem Fiasko des vergangenen Winters beim Corona-Medikament Paxlovid leider überhaupt nichts gelernt und die Bestellung verschlafen. Wir Ärztinnen und Ärzte haben eindringlich davor gewarnt, dass Österreich auf den Herbst wieder nicht ausreichend vorbereitet ist.“

Johannes Steinhart, Präsident der österreichischen und Wiener Ärztekammer, 19. Juli 2024 (Presseaussendung)

Die RSV-Impfung für Schwangere ist weiterhin Privatleistung und sehr teuer, die Tests bei Symptomen sind ebenfalls selbst zu zahlen. Das wird in der kommenden RSV-Saison wieder Kleinkindern das Leben kosten und bei überlebenden Säuglingen ihr Risiko für Asthma und Allergien im Erwachsenenalter deutlich erhöhen, und ihre Lebenserwartung verringern (Allinson et al. 2023).

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Die Sommerwelle ist da: 10 Fakten zu SARS-CoV2

Die Virusevolution seit Pandemiebeginn verläuft nicht linear, sondern mit Sprüngen, die Impfstoff-Anpassungen erforderlich machen. Sie ist in Wahrheit auch komplizierter als hier (von mir) skizziert: Etwas Immun Escape hatte bereits Delta, während die Omicron-Varianten zeitweise auch etwas ansteckender geworden sind. Mit fortschreitender Immunisierung der Bevölkerung und Verbreiterung der Immunantwort ist der dominante Mechanismus aber die Immunflucht, um der bestehenden Immunität auszuweichen.

Die aktuelle Infektionswelle scheint viele Fragen aufzuwerfen bei jenen, die sich weiterhin schützen wollen oder bereits infiziert sind. Wissenschaft verändert sich stetig und neue wissenschaftliche Erkenntnisse erfordern geistige Mobilität und Anpassungen. Wir leben nicht mehr im Jahr 2020, wo die Übertragungswege und Präventionsmaßnahmen unzureichend erforscht waren. Es dominieren heute ganz andere Virusvarianten als in der ersten Welle und das erfordert wiederholte Anpassungen des Impfstoffs. Wir sollten auch schon viel weiter sein, was den Umgang mit Infektionskrankheiten an sich betrifft. Stattdessen erleben wir ein öffentliches Verkehrsdesaster in Wien durch mehrere Großbaustellen und zahlreiche Menschen, von Pendlern bis Touristen, die trotz Symptomen in überfüllten Verkehrsmitteln keine Maske tragen. Getestet wird nicht mehr und die bisherige Berichterstattung trägt zur weiteren Verharmlosung bei, während die Krankenstände mitten im Hochsommer in die Höhe schnellen. Muss das noch sein, nach allem, was die Wissenschaft uns die letzten Jahre geliefert hat?

Zu sagen, dass 2024 auch bedeutet, dass wir weniger Todesfälle und schwere Akutverläufe als zu Beginn der Pandemie durch SARS-CoV2 erleben, ist nur ein Teil der Wahrheit. Denn die Aussage übersieht die wachsende Zahl aller anderen Infektionskrankheiten, die das „weniger“ an Krankheit durch SARS-CoV2 mühelos kompensieren. SARS-CoV2 ist zusätzlich da, zur ohnehin schon schweren Infektionskrankheit Influenza, und den zunehmenden Fällen an Keuchhusten, Masern und Streptokokken (u.v.a.). Warum keine Lösung, die Infektionskrankheiten generell reduziert. Warum versuchen wir nicht einmal das und versauen uns schon wieder den ruhigen Sommer, früher auch die ruhigere Zeit in den Arztpraxen und Spitälern, die Zeit der Urlaube statt mit Fieber im Bett zu liegen?

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Faktencheck zum 02.07.24 – Fokussierte Inkompetenz und Desinformation

Abwärtsspirale aus ständigen Neuinfektionen, mehr Mutationen, mehr Infektionen, Krankenständen, Exposition und LongCOVID, Grafik von Prof. Pagel und adaptiert von Prof. Hoffmann

Ich bin mir vollkommen bewusst, dass in diesem Stadium der kollektiven Verdrängung Faktenchecks nichts mehr bringen. Dennoch kann man nach so einem Interview, wie Armin Wolf am 2. Juli 2024 in der ZiB2 mit Virologin Dorothee von Laer, nicht einfach zur Tagesordnung übergehen. Wir reden hier über Dammbrüche, über die Macht der Worte, über Entmenschlichung und über schwerwiegende Konsequenzen.

Die Realitätsverzerrung hat schon in der Vorwoche mit einem STANDARD-Artikel begonnen, wo die Autorin herumlaviert hat, ob es sich schon um eine Welle handelt oder nicht. Eine genaue Definition dafür gibt es epidemologisch offenbar nicht – sie kennzeichnet sich durch einen Anstieg der Neuinfektionen in der Grafik.

Von einer neuen Covid-Welle kann man dabei in Österreich noch nicht sprechen, zuletzt sind die Werte im Abwasser aber wieder leicht gestiegen,“ und zwei Sätze weiter „Es könnte sein, dass sich die Welle, die sich gerade beginnt aufzubauen, durch die beginnenden Ferien einbremst„.

Der Wendepunkt laut Abwassermonitoring war um den 7. April herum. Seitdem steigen die Abwasserwerte beständig an, ab etwa 5. Mai mit exponentiellem Wachstum. In Inzidenzen ausgedrückt waren das gemäß Kalibrierung mit Sentisurv RLP, CIS, AMELAG, etc. rund 4000 Neuinfektionen pro Tag Mitte April und rund 8000 Neuinfektionen pro Tag Mitte Mai. Seitdem haben sich die Abwasserwerte vervierfacht – die Zahl der Neuinfektionen ist also klar fünfstellig und das hört man auch, wenn man sich im öffentlichen Raum bewegt und sich ein bisschen umhorcht im Bekannten- und Kollegenkreis. Zum Vergleich: In der zweiten Welle (sic!) im Herbst 2020 gab es zu diesem Zeitpunkt bereits einen Lockdown. Fazit: Wir sind bereits in einer Welle!

Der vorläufige Höhepunkt war wohl die Wortmeldung vom PVA-Verwaltungsratsmitglied für die Dienstgeber, Rolf Gleißner, in mehreren Zeitungen:

„Wir hoffen sehr, wenn die Immunabwehr gegen Covid oder Grippe wiederhergestellt ist, dass wir dann wieder zu niedrigen Krankenständen zurückkehren,“

Rolf Gleißner im KURIER, 02.07.24

„Das könnte daran liegen, dass die Immunabwehr der Menschen durch ebendiese Hygienemaßnahmen nachhaltig geschwächt worden sei,“

derselbige im STANDARD

Gleißner entgegnete auf massive Kritik, dass damit die „Nachholeffekte“ gemeint seien, doch welcher Logik folgt das? Für SARS-CoV2 und auch für Influenza gibt es keine anhaltende Immunität, da jährlich ein anderer Virusstrang dominiert und die Immunität durch Impfung und Infektion unterläuft. Ärzte hätten ihm das „unisono“ gesagt, freilich nennt er keine Namen.

„Auch wenn die Krankenstände 2022 und 2023 … gestiegen sind, ist das Niveau langfristig gesehen vergleichsweise niedrig …“

ÖGK-Obmann für die arbeitnehmer, Andreas huss, Fehlzeitenreport 2024

Niedrig? Nicht wirklich. Ein für österreichische Transparenz umfangreiches Dashboard zu Krankenständen, unterteilt in Altersgruppen, Branchen und Art der Erkrankung gibt es seit kurzem.

„Seit der Pandemie sei das Bewusstsein dafür, erkrankt nicht in die Arbeit zu gehen, um niemanden anzustecken, gestiegen. Das sei wiederum für die Betriebe eine große Belastung.“

Gleißner im ORF, 02. Juli 2024

Kompletter Schwachsinn. Das Bewusstsein ist überhaupt nicht gestiegen, im Gegenteil. Im besten Fall machen jetzt kranke Menschen mehr Homeoffice (schonen sich dadurch aber auch nicht), aber es ist sonst fast schlimmer als vor der Pandemie, es gehen mehr Menschen krank arbeiten und sie müssen das auch, weil es keinen Kündigungsschutz im Krankheitsfall gibt. Es bleiben jedenfalls nicht mehr zuhause, sondern es sind einfach mehr krank. Diese stecken dann ihre Kollegen an und so leidet dann die Wirtschaft unter den steigenden Krankenständen. Würden alle zuhause bleiben mit Symptomen, gäbe es weniger Angesteckte in den Betrieben, also in Summe weniger Krankenstände.

Update, Drosten-Interview mit NTV, 07.07.24:

Ja, es ist vorbei als Pandemie. Wir erwarten im Moment eine Sommerwelle in ganz Europa und auch in anderen Teilen der Welt. Noch gelingt es bestimmten Varianten besonders gut, der Immunität zu entkommen. Daher sind wie zurzeit eben Sommerwellen noch möglich. Später wird das für das Virus wohl nur noch im Winter funktionieren. Dennoch: Die Krankheit ist in ihrer Spitze begrenzt durch die breite Immunität in der Bevölkerung. Wir wissen nicht ganz genau, wie häufig ein Erwachsener eine Infektion haben muss, um diese dann gar nicht mehr zu bemerken. Im Moment scheint das noch nicht zu reichen. Viele Leute haben jetzt so zwei, drei oder sogar vier Infektionen hinter sich. Und trotzdem werden sie immer noch krank, wenn sie so eine Variante bekommen. Viele haben noch ein bisschen Fieber und fühlen sich allgemein sehr krank. […] Wir sind jetzt da, wo viele das Virus am Anfang der Pandemie gerne gehabt hätten: bei einer normalen Influenza ungefähr. […]

Siehe restlichen Blogtext. Der Influenza-Vergleich passt nicht. Die Anmerkung, dass man sich noch nicht oft genug reinfiziert hat, damit das Virus milde genug ist, erscheint zynisch angesichts der vielen Betroffenen, deren Leben schon nach einer milden Infektion von der Qualität her vorbei ist. Saisonalität? Warum sind Rhinoviren ganzjährig effektiv? Ich verstehe einiges nicht, was ich ihn gerne fragen würde. Sein Buch hab ich mir übrigens bestellt, weil ich ihn als Wissenschaftler schätze.

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