(Update, 18.02.24)

Die Entwicklung und Zulassung der Impfstoffe gegen Covid19 haben neue Maßstäbe in der Geschichte der Impfstoffe gesetzt, Quelle: Eric Topol (2023)

In den ersten Wochen nach Ausbruch der Pandemie war schnell klar: Wir brauchen einen Impfstoff gegen das Virus, um das Sterben zu beenden. Als die ersten genetischen Sequenzen des Virus Anfang Jänner 2020 veröffentlicht wurden, ging es schnell: Bereits im März begann eine Phase-I-Versuchsstudie und bis September 2020 gab es über 180 Impfstoffe in verschiedenen Entwicklungsstadien. Virologen machten Hoffnung auf eine funktionierende Impfung, etwa Peter Kolchinsky (31.03.20), wenn auch die Mutationseffizienz von SARS-CoV2 unterschätzt wurde:

„What we don’t have to worry about is the virus rapidly mutating away from our vaccines as fast as flu can, because owing to its simplicity, it can’t pull off the flu’s face-swapping tricks.“

Ex-Public-Health-Leiter Franz Allerberger von der AGES am 25. Oktober 2020:

Ich glaube auch nicht, dass morgen Impfstoff kommt. Und ich wette mein letztes Hemd, dass auch kein Medikament kommt, weil Medikamente gegen Viren, die kann ich an einer Hand abzählen, die wirken. Und bei Impfstoffen ist es nicht viel besser.“ (Ö3-Frühstück bei mir)

Am 21. Dezember 2020 wurde der erste mRNA-Impfstoff Corminaty von Pfizer zugelassen, am, am 28. Jänner 2022 folgte die Zulassung für das erste antivirale Arzneimittel Paxlovid. Allerberger selbst hatte sich schon mindestens sechs Mal impfen lassen.

Impfgegnern und -skeptikern ging die Zulassung viel zu schnell, daher lohnt es sich die Hintergründe zu betrachten:

Bis zur Pandemie wurden keine Impfstoffe gegen humane Coronaviren entwickelt, weil diese gewöhnlich für milde Verläufe sorgen. Zudem müsste es gegen vier Coronaviren wirksam sein (NL63, 229E, HKU1 und OC43), aber würde damit nur ein Bruchteil grippaler Infekte verhindern, weil die Mehrheit durch andere Viren verursacht wird. Nach dem Ausbruch von SARS 2002-2004 wurden präklinisch Impfstoffe entwickelt und zwei in Phase-I-Studien getestet. Im Gegensatz zu SARS-CoV2 hat man es jedoch geschafft, das Virus auszulöschen und es ist seit 2004 auch nicht mehr zurückgekommen, weshalb die Impfstoffentwicklung gestoppt wurde. Die meisten Coronaviren kodieren nur ein einziges großes Oberflächenprotein, das Spike-Protein, das für Rezeptorbindung und Membranfusion verantwortlich ist. Bei SARS-CoV2 bindet das Spike-Protein über den ACE2-Rezeptor an die Wirtszellen und gelangen so ins Zellinnere. Dieser Schritt wird gefolgt von der Verschmelzung der viralen und endosomalen Membran und Freisetzung von viralem Genom in das Zellplasma. Antikörper, die an das Spike-Protein binden, speziell an die rezeptorbindende Domain (RBD) verhindern dessen Anhaftung an die Wirtszelle und neutralisieren das Virus. Auf Basis dieses Wissens und Informationen aus den präklinischen Studien zu SARS und MERS-CoV wurde das Spike-Protein frühzeitig als antigenisches Ziel für die Impfstoffentwicklung identifiziert.

Traditionelle und beschleunigte Impfstoffentwicklung, aus Florian Krammer (2020) – normalerweise kann es 15 Jahre und länger dauern, bis ein Impfstoff steht. Bei SARS-CoV2 nutzte man die Erkenntnisse aus der früheren Impfstoffentwicklung gegen SARS und MERS und die Phase I,II und III-Stadien liefen teilweise parallel. Die großskalige Produktion von Impfstoffen wurde unter Risiko (der erfolgreichen Zulassung) begonnen.

Wie Krammer im September 2020 dediziert betont hat, erzeugt eine Infektion sowohl Schleimhaut-Antikörper (IgA) als auch systemische Antikörper (IgG). Die oberen Atemwege (= Schutz vor Ansteckung) werden vor allem durch IgA geschützt, die unteren Atemwege durch IgG. Impfstoffe, die über den Muskel (Oberarm) injiziert werden, erzeugen vor allem IgG, aber kaum IgA. Es wurde daher von Beginn an erwartet, dass die zugelassenen Impfstoffe zwar schwere Verläufe und Tod verhindern, aber keine sterile Immunität (Schutz vor Ansteckung und Weitergabe) erzeugen können.

Es war folgerichtig eine Überraschung, als man festgestellt hat, dass beständige IgG-Antikörper auch auf der Schleimhaut gefunden wurden, wo Weitergabe verhindert wird (Mades et al. 2021, Nahass et al. 2021, Sheikh-Mohamed et al. 2022). Laut einem Vortrag von Krammer am 13. Dezember 2021 auf der AGES gab es nach 2-3 Impfdosen vorübergehend IgA-Antiköper, wenn auch in geringerer Konzentration als nach einer Infektion. mRNA-Impfstoffe reichen allerdings nicht für langlebigen Schutz vor Infektion aus (Sano et al. 2022).

Die ersten klinischen Daten zu den mRNA-Impfstoffen ließen beinahe euphorisch werden. Sie verhinderten in hohem Maß auch die Übertragung (Baden et al. 2020, Chodick et al. 2021, Lipsitch and Kahn 2021, Pritchard et al. 2021), auch bei Astra Zeneca (03/2021, Shotri et al. 2021) bzw. reduzierten die Viruslast (Levine-Tiefenbrun et al. 2021). Selbst für Omicron-Varianten galt das noch (Tan et al. 2023).

Zulassung der ersten Impfstoffe in Österreich

Jedenfalls wurde die Impfung Ende Dezember 2020 bzw. Anfang Jänner 2021 auch in Österreich ausgerollt. Der erhobene Impfarm von Infektiologe Wenisch ging um die Welt.

Zu den restriktiven Maßnahmen und Lockdowns sagt Wenisch: „Diese müssen wir ja rasch loswerden. Das ist ja für uns alle unerträglich. Ich denke, das ist schon ein recht motivierender Grund, sich diesen einen Stich geben zu lassen, der dann in der Folge dominoartig alles in die Situation setzt, wie wir es vor der Pandemie hatten.“ (Quelle: KURIER, 28.12.20)

Die Kommunikation unerfüllbarer Hoffnungen sind einer der Hauptgründe für das Pandemieversagen in Österreich. Nichts wurde mehr wie vorher. Die Impfung ersetzte die Maßnahmen noch lange nicht und mit den Varianten wurde die Wirksamkeit der Impfung unterlaufen.

Mit der Zulassung von Corminaty (Pfizer), SpikeVax (Moderna) und Vaxzevria (Astra Zeneca) begann im ausklingenden Winter und Frühling die große Impfaktion. Zuerst kamen Gesundheitspersonal und Hochrisikogruppen, dann Risikogruppen und ErzieherInnen und zum Schluss die Normalbevölkerung an die Reihe. Kinder unter 12 Jahren blieben zunächst außen vor. Es war erwartbar, dass bei einer millionenfachen Verimpfung auch seltene Nebenwirkungen vergleichsweise häufig gemeldet würden. Frauen waren wahrscheinlich hormonell bedingt wesentlich häufiger betroffen als Männer, etwa von Zyklusveränderungen, Menstruationsbeschwerden, und jene mit Vaxzevria hatten generell stärkere Impfreaktionen als jene mit der ersten mRNA-Impfstoffe. In der Folge wuchsen die Vorbehalte gegen den Astra-Zeneca-Impfstoff an, obwohl gefährliche Nebenwirkungen extrem selten blieben – viel seltener als nach einer Covid19-Infektion.

7-Tages-Inzidenz nach Altersgruppe, mit Durchschnitt (strichliert), 0-4jährige und 5-14jährige, Daten: 21.12.20 Erste Zulassung von mRNA, 25.11.21: Zulassung für 5-11jährige, 01.09.22: Zulassung des BA.1-Boosters, 12.09.22: Zulassung des BA.5-Boosters, 21.10.22: Zulassung für 0-4jährige

Trotz der ausgerollten Impfung gab es im Frühling 2021 noch einmal eine große Infektionswelle dank der ersten Virusvariante Alpha, die deutlich ansteckender als der Wildtyp war. Der Ost-Lockdown (Niederösterreich, Wien, Burgenland) senkte die Infektionszahlen. Im Anschluss machte sich erstmals die steigende Impfquote bemerkbar und beschleunigte den Rückgang der Fallzahlen Richtung Frühsommer.

Mit Alpha und Delta gab es dann erste Berichte von Abschwächung der Impfwirksamkeit (Wilfredo et al. 2021) bzw. vermehrten Durchbruchsinfektionen (Kustin et al. 2021). Insbesondere Astra Zeneca verringerte bei Alpha die Weitergabe nur um 29%, schwere Verläufe wurden um 70% verhindert (Emary et al. 2021).

Für Geimpfte ist die Pandemie vorbei“ titelte Ex-Kanzler Sebastian Kurz großspurig und voreilig am 30. Juni 2021 und zahlreiche sogenannte Expertinnen und Experten pflichteten ihm bei: Sobald die Risikogruppen geimpft wären, würde man zu einem normalen Leben wie vor der Pandemie zurückkehren können. Die Impfkampagne geriet ins Stocken und wurde im Sommer 2021 vom Bundeskanzleramt abgegeben bzw. liegengelassen. Dabei war schon im Frühling 2021 klar, dass die Impfung nicht mehr ausreichen würde, um Herdenimmunität zu erreichen (Moore et al. 2021), bzw. dafür die Impfung der Kinder und Jugendlichen notwendig sein würde (Liu et al. 2021).

Ein wesentliches Kennzeichen österreichischer Pandemiepolitik ist aber die Betriebsblindheit gegenüber schon lange zirkulierenden Erkenntnissen aus dem Ausland. Mitte April 2021 wurde Delta erstmals in Indien sequenziert und breitete sich im Laufe des Sommers weltweit aus. Delta war nicht nur noch einmal infektiöser als Alpha, sondern wies auch Immunflucht-Eigenschaften auf. Der Evolutionsbiologe Tom Wenseleers twitterte bereits im Mai 2021 dazu, dass Dekta 60% übertragbarer sein könnte als Alpha. Während man in Österreich noch zwei Impfungen als ausreichend propagierte, unternahm Israel schon im Juli einen Versuch mit einer dritten Impfung, um Delta Herr zu werden. Im September 2021 folgte Österreich zuerst für die Risikogruppen, ab November auch für die Gesamtbevölkerung.

Gänzlich ignoriert wurden ausgerechnet jene Altersgruppen, denen man im ersten Pandemiejahr noch gesagt hat, dass sie für Oma und Opa zuhause bleiben sollen. Während Opa und Oma längst wieder im Wirtshaus saßen, warteten die Kinder auf die Zulassung des für Kinder angepassten Impfschemas. Sie wurden auch von den 3G-Regeln (genesen, geimpft, getestet) ausgenommen, obwohl schon lange klar war, dass sie zum Infektionsgeschehen beitragen. Gesundheits- und Tourismusministerium gaben im Sommer bei der Gesundheit Österreich GmbH (GÖG) eine Modellrechnung in Auftrag, wie viele Infektionen man zulassen kann, bis die Spitäler kollabieren würden. Die Inzidenz war natürlich altersgruppenabhängig, weil jüngere Menschen seltener schwere Verläufe hatten. Ganz anders Gurdasani et al. (06/2021), die aufgrund von Delta mehr Schutzmaßnahmen in den Schulen gefordert haben. So hätte man den vierten Lockdown wahrscheinlich verhindern können.

Im Herbst 2021 begann also die Schule mit Delta und ohne Impfung für Kinder unter 12 Jahren. Mit Schulbeginn gab es eine Änderung im Stufenplan: Die Schutzmaßnahmen in den Schulen wurden an die Intensivbettenkapazitäten gekoppelt: FFP2-Masken sollten erst im Unterricht angeordnet werden, wenn die Spitäler kollabieren. Die Durchseuchung der Kinder wurde bewusst in Kauf genommen, um einen Lockdown zu verzögern. Wien preschte mit einer Offlabel-Impfung für die 5-11jährigen vor, als sich die Fallzahlen zuspitzten, die offizielle Zulassung erfolgte erst am 25. November 2021. Der damalige Gesundheitsminister Mückstein erwähnte bei der Pressekonferenz erstmals auch das LongCOVID-Risiko für Kinder, um Anreize für die Impfung zu schaffen. Für viele Kinder, deren Eltern und Angehörige kam die Zulassung, aber auch die Boosterimpfaktion zu spät.

… dann kam Omicron …

Im Herbst 2021 gab es wegen der Chat-Affäre der ÖVP einen fliegenden Wechsel an der Regierung und die Turbulenzen lenkten von der Delta-Welle ab. Die Regierung verhängte einen unkontrollierbaren Lockdown für Ungeimpfte, der auch epidemiologisch unsinnig war, da Geimpfte das Virus zwar seltener weitergaben als Ungeimpfte, aber mit Delta leider auch Teil des Infektionsgeschehens waren. Der Lockdown für die Gesamtbevölkerung war die notwendige, wenn auch zu spät gesetzte Konsequenz aus der Lockerung der Schutzmaßnahmen im Sommer und der niedrigen (zweifachen) Durchimpfungsrate unter 65% bis zum Herbst 2021. Kinder und Jugendlichen wurden überhaupt nicht einbezogen und so war die während Delta geschmiedete Idee, mit einer Impfpflicht die Pandemie zu kontrollieren und weitere Lockdowns zu verhindern, von vorneherein zum Scheitern verurteilt. Möglicherweise hätte man es mit einer hohen Impfquote an dreifacher Impfung durchaus schaffen können, aber davon war Österreich weit entfernt.

Ende November 2021 wurde in Südafrika erstmals Omicron sequenziert. Die auch als „Gamechanger“ bezeichnete Variante, die vermeintlich milder war, war jedoch um ein Vielfaches ansteckender. Die Reinfektionsquote stieg von 19% bei Delta auf 85% bei Omicron und es infizierten sich auch alle Zweifach- bis Dreifachgeimpften bei teils riesigen Superspreadingevents. Ich bin weder Epidemiologe noch Statistiker, aber selbst ein kleiner Anteil („weniger schwere Verläufe“) von einer riesigen Zahl („viel kontagiöser“) ergibt eine riesige Zahl und folgerichtig gab es 2022 in der Omicron-Ära auch die meisten Toten in einem Pandemiejahr. Die Regierung befand hingegen, dass Omicron ein „Weihnachtsgeschenk“ war (O-Ton: Infektiologe Wenisch) und man damit die Bevölkerung durchseuchen könnte. Schon zu Jahresbeginn 2022 fielen erste Schutzmaßnahmen in den Kindergärten (gelockerte Quarantäneregeln), die Maskenpflicht fiel in den Volksschulen und Antigentests wurden wieder zugelassen.

Unverändert weiter ging die Durchseuchung von Kleinkindern und Säuglingen, für die es immer noch keinen zugelassenen Impfstoff gab. Die Impfstoffhersteller versprachen noch im Dezember 2022, dass ein Omicron-Impfstoff in kürzester Zeit hergestellt werden konnte. Wir warteten vergebens auf eine rasche Zulassung des angepassten Boosters. BA.1 und BA.2 erzeugten riesige Wellen bei den unter 14jährigen, bei vielen Kindern war es bereits die zweite oder dritte Infektion. Die Impfung für Kinder wurden dank jahrelanger Propaganda von Kinderärzten und den Schwurblern in der Regierung kaum angenommen, sie blieb lange Zeit deutlich unter 20%. Israel war wieder schneller und gab die vierte Impfung aus für Risikogruppen, die zumindest die Antikörpertiter auf Höhe nach der dritten Impfung zurückbrachte (Bar-On et al. 2022, Goel et al. 2022, Regev-Yochay et al. 2022). Im August 2022 empfahl das Nationale Impfgremium (NIG) die vierte Auffrischimpfung für Risikogruppen – noch mit der Wildtyp-Impfung. Gleichzeitig erschien ein Bericht im SPIEGEL (08.08.22), dass die Zulassungsbehörden in den USA und Europa die Hersteller um klinische Studien für verschiedene angepasste Impfstoffe baten, „nachdem die Intensivstationen aber nicht überlaufen waren“. Denn der angepasste BA.1-Impfstoff hätte schon im März oder April 2022 zugelassen werden können, gammelte aber noch ewig in den Regalen herum. Die FDA bat um die Produktion bivalenter Impfstoffe, obwohl Pfizer zuvor Daten präsentierte, dass ein monovalenter BA.1-Impfstoff besser wirken würde.

Am 01. September 2022 wurde in Europa schließlich der BA.1-Booster zugelassen, ein sogenannter bivalenter Impfstoff, der sowohl BA.1 als auch den Wildtyp enthielt. Zu diesem Zeitpunkt zirkulierten Wildtyp und BA.1 längst nicht mehr, sondern schon BA.5 und die ersten konvergenten Varianten (BA.2.75.2, BQ…), die gemeinsame, vorteilhafte Mutationen teilten. Der zweite angepasste Impfstoff, ein BA.5-Booster, wurde am 12. September 2022 zugelassen, in den USA wurde nurmehr BA.5 verimpft. Das NIG empfahl ab September 2022 die vierte Impfung für die Gesamtbevölkerung. Die Regierung unterschied weder zwischen den Impfstoffen noch den Virusvarianten, sondern sprach vom „angepassten Impfstoff auf Omicron“. Dadurch nahmen viele Personen nicht den effektiveren BA.5-Booster, sondern den BA.1-Booster, der zwar noch effektiv BA.5 zirkulierte, aber die nachfolgenden Varianten nicht mehr. Der Regierung war das reichlich egal, sie propagierte die „Hybrid-Immunität“ aus Impfung und Infektion als „besten Schutz“, nur vor was eigentlich?

Die Booster-Kampagne ging in Österreich in die Hose, die vierte Impfung wurde kaum angenommen. Neben der allgemeinen Verharmlosung von Omicron lag es auch an den vorhergehenden Infektionswellen, durch die sich viele Durchbruchsinfizierte geschützt genug fühlten. Am 21. Oktober 2022 wurde klammheimlich die (Wildtyp-) Impfung für Säuglinge und Kleinkinder zugelassen. Kindergärten waren und sind schon lange ohne Schutzmaßnahmen. In Anspruch nehmen die Impfung nur wenige, zuvor ließen schon manche Mediziner ihre kleinen Kinder offlabel impfen. Die eigentliche Winterwelle kam durch einen Mix aus Varianten zustande, von denen sich keine dominant durchsetzen konnte. Erschwerend für SARS-CoV2 kamen die starke und frühe RSV- sowie Influenzawelle hinzu. Wer krank mit Grippe im Bett lag, wurde zwangsläufig aus dem SARS-CoV2-Infektionsgeschehen genommen. Im Spätwinter flachten sich die Influenza- und RSV-Wellen ab und die bereits im Dezember 2022 erstmals in Asien sequenzierte XBB-Linie nahm Fahrt auf. XBB war der Auftakt zur Vorherrschaft der Rekombinanten, eine aus zwei Subvarianten kombinierte Subvariante von Omicron. XBB.1.5 hatte vor allem wieder etwas mehr Immunflucht zu bieten und sorgte für eine größere Spätwinterwelle 2023. Am 14. März 2023 wurde der bivalente Impfstoff auch für Kinder von 6 Monaten bis 4 Jahren zugelassen.

Im Mai 2023 wurde angekündigt, einen auf XBB* zugeschnittenen Impfstoff herzustellen, der erstmals nicht mehr den Wildtyp enthalten sollte, also erneut ein monovalenter Impfstoff.

Dieser wurde im September zugelassen (Pfizer und Moderna), im Dezember kam in Europa auch der angepasste Novavax-Impfstoff. Aktuelle Studien zeigen eine hohe Wirksamkeit der angepassten mRNA-Impfstoffe auch gegen die neuen Varianten BA.2.86 und dessen Nachfolgevarianten (Wang et al. 27.11.2023 preprint, Stankov et al. 2023). Der Grund dafür ist, dass BA.2.86 noch einige Gemeinsamkeiten im Spike-Protein mit den XBB-Varianten aufweist. Das kann sich aber mit weiteren Mutationen (z.B. JN.1) noch ändern. Dennoch ist der aktuelle Impfstoff der beste seit dem Wildtyp-Impfstoff, denn er verbreitert auch die Immunantwort gegenüber neuen Varianten. Eine Hypothese ist, dass der bivalente Impfstoff vom Vorjahr den Wildtyp enthalten hat (Imprinting-Problem), eine zweite, dass die bereits vom Wildtyp weit entfernte XBB.1.5-Variante, auf die der Impfstoff zugeschnitten wurde, Imprinting leichter überwindet. Zwar hat JN.1 den größten beobachteten Immun Escape, aber verglichen mit den bisherigen XBB-Varianten (z.B. EG.5.1, HV.1 (EG.5 + L452R)) nur „moderat“ mehr.

Die Impfstoffentwicklung hat weder mit der dritten oder vierten Impfung geendet, noch mit den bivalenten BA.1/BA.5-Impfstoffen und wird auch mit dem monovalenten XBB.1.5-Impfstoff nicht enden. Wir hinken den aktuellen Variantenentwicklungen immer 1-2 Monate hinterher, weil die Zulassung zu lange dauert und man keine Prävention bemühen will, um möglichst viele Menschen bis zur nächsten Auffrischimpfung „hinüber zu retten“. Bei Influenza verhält es sich ähnlich, der Impfstoff wird auf die Variante im Winter der Südhalbkugel angepasst, aber eine Driftvariante kann dann in unserem Winter die Impfwirksamkeit herabsetzen und eine schwere Grippesaison verursachen. Influenza zirkuliert allerdings nur im Winter, SARS-CoV2 das ganze Jahr. Die sogenannte Sommergrippe wird nicht von Influenzaviren, sondern von Enteroviren verursacht.

Im Juli 2023 veröffentlichte Virologe Florian Krammer (2023) einen Rück- und Ausblick auf die Rolle der Impfstoffe in der Pandemie:

Die Pandemie hat bis dahin rund 20 Millionen Tote verursacht, dennoch konnte die Impfung signifikant viele Tote verhindern. Die Virusvarianten haben den mildernden Einfluss auf Erkrankungen jedoch abgeschwächt. Anfangs gab es verschiedene Endpunkte für die Impfstoffentwicklung, ein mRNA-Kandidat konnte sogar eine asymptomatische Infektion verhindern. Zudem waren die Impfstoffe als 2-Dosen-Regime konzipiert, mussten aber wegen der Varianten auf 3-4 Dosen erweitert werden. Bei immunsupprimierten Patienten wurden schwächere Immunantworten gesehen, ein Problem, das auch bei anderen Impfstoffen gegen andere Viren bekannt ist. Von der Wirksamkeit führen mNRA- und Protein-Impfstoffe vor Vektorimpfstoffen und inaktivierten Impfstoffen bezüglich symptomatischer Infektion. Alle Impfstoffe schützen gut vor einem schweren Akutverlauf. Sowohl mRNA- als auch Vektorimpfstoffe verursachen meist kurzlebige und harmlose Impfreaktionen, die im oberen Bereich dessen liegen, was bei Impfstoffen gewöhnlich gesehen wird. Anfangs schützten auch mRNA-Impfstoffe effektiv gegen Infektion, mit den Varianten wurde dieser Effekt aber immer schwächer.

Krammer spricht auch die Entwicklung von Schleimhaut-Impfstoffen an, denen es vielfach an finanzieller Unterstützung fehlt. Sie waren immer die Stiefkinder der Impfstofflehre. Bei naiven Individuen erzeugen sie oft niedrige Serumantikörper, was es schwierig macht, ein Schutzkorrelat zu bestimmen. Schleimhaut-Immunität ist schwerer zu messen und standardisieren. Intranasale Impfstoffe müssen vorsichtig auf Sicherheit geprüft werden, weil sie nahe der Gesichtsnerven und Gehirn verabreicht werden. Aktuell gibt es eine Reihe von Kandidaten, die in Tiermodellen effizienten Schutz vor Infektion zeigen. In China und Indien gibt es bereits lizensierte Kandidaten, allerdings fehlen aussagekräftige Studien.

Krammer spricht auch ausführlich die Impfskepsis und Impfgegnerbewegungen an.

„In some cases, the anti-vax movement also used violence against scientists and medical personnel. An important example is the case of an Austrian physician who advocated for COVID-19 vaccines. She received significant death threats against her and her personnel and was forced to close her practice due to security concerns and, left without help from the authorities, committed suicide.“

Unglücklicherweise führt die große Ablehnung der SARS-CoV2-Impfung zu Kollateralschäden auch bei anderen Impfungen, etwa Influenza, Masern oder Polio. Für eine weitere Pandemie in der Zukunft muss man mit noch geringeren Durchimpfungsraten rechnen, wenn man dem nicht Einhalt gebietet.

„Nevertheless, the outlook into the future is a negative one. Just about 3 years after the emergence of SARS-CoV-2, it seems politicians and governments have forgotten that the pandemic existed and very little is spent—e.g., in comparison to defense—on pandemic preparedness. This is despite the fact that enormous amounts of money were lost during the pandemic and despite the fact that spending on pandemic preparedness could certainly be seen as defense spending. In addition, beliefs in conspiracy theories, denial, and anti-vax sentiments have spread far and wide, and may make it difficult to get “buy in” from the population once the next pandemic occurs. Unfortunately, this will likely be sooner than later. Several factors including a larger human animal interface (due to a growing population and therefore a growing number of domestic animals), ecosystem destruction, climate change, and others will likely lead to a higher frequency of outbreaks compared to the past. We have learned a lot from the SARS-CoV-2 pandemic. As a society, we now need to start to take viruses seriously and implement what we learned.“

Das Weiße Haus investiert 5 Billionen Dollar in die Entwicklung von Schleimhaut-Impfstoffen (04/2023). Mit Stand April 2024 gibt es monovalente Impfstoffe, die nurmehr Omicron-Anteile enthalten und nicht mehr den Wildtyp. Der Impfstoff wurde an XBB.1.5 angepasst und wirkt auch bei den JN.1*-Varianten immer noch gut. Im Frühling 2024 bildeten sich zahlreiche Untervarianten von JN.1, wovon zuerst die FLiRT, dann FLuQE-Varianten dominant wurden. Im Juli setzten S31del-FluQe-Varianten zur Überholspur an. Die EMA entschied im Juni und bekräftigte im Juli, einen angepassten JN.1-Impfstoff zuzulassen, wovon die ersten Pfizerdosen in der dritten Julidekade Österreich erreichten. Novavax hatte JN.1 eingereicht, aber bis Juli war noch keine Zulassung erfolgt. In den USA setzte die FDA hingegen auf KP.2, der auch die kritische Fluchtmutation F456L enthält.

Chronologie zum Ansteckungs- und Übertragungsschutz

Impfungen sollten in der Reihe der Wichtigkeit und Wahrscheinlichkeit Tod, Hospitalisierung, Erkrankung (Symptome) und Infektion/Weitergabe verhindern. Gegen die Wuhan-Variante zeigten erste randomisierte Studien für die mRNA-Impfstoffe 95% Wirksamkeit gegen Erkrankung (Polack et al. 2020), für die Notfallzulassung mussten die Impfstoffe die Übertragung nicht blockieren, sondern die Wahrscheinlichkeit für Erkrankung um über 50% verringern, was erreicht wurde.

Zahlreiche Studien zeigten dennoch eine Verringerung der Weitergabe (Reuters-PA 26.02.21, Kampf 2021, Sachs et al. 2022). Zudem verringeren mRNA-Impfstoffe die Viruslast nach der Ansteckung und damit die Weitergabe (Puhach et al. 2022, Tan et al. 2023). Bei dem Protein-Impfstoff Novavax hat man ebenfalls eine Reduktion der Viruslast in den oberen Atemwegen nachgewiesen (Routhu et al. 2023).

Im Jahr 2021 wuchsen die Belege, dass die COVID-Impfstoffe sehr wohl in der Lage waren, die Übertragung signifikant einzudämmen (Harris et al. 2021, Mades et al. 2021, , Nahass et al. 2021, Prunas et al. 2022). Alles deutete darauf hin, dass die Pandemie vorzeitig zu Ende sein würde, wenn man zügig ausreichend Menschen impfen könnte. Zu diesem Zeitpunkt führten manche Länder Impfpässe ein, die wissenschaftlich Sinn machten (Ethik ist eine andere Debatte). Durch die langsame Vermischung von geimpften und ungeimpften Bevölkerungsteilen sank auch das Risiko von Durchbruchsinfektionen (Fisman et al. 2022).

Das Auftauchen von Delta änderte die Mathematik in beträchtlichem Maße. Zwei Impfdosen verhinderten noch zu 70% eine Delta-Infektion (Langlete et al. 2023), was immer noch sehr gut war. Wir hätten zu diesem Zeitpunkt die Pandemie immer noch zähmen können, wenn wir schnell genug durchgeimpft hätten. Denn unabhängig der Varianten wurde noch Infektionschutz beobachtet (Sheikh-Mohamed et al. 2022, Sano et al. 2022, Havervall et al. 2022). Bei Alpha und Delta ging der Übertragungsschutz nach der Impfung nach 2-3 Monaten wieder verloren (Eyre et al. 2021, preprint). Durchbruchsinfektionen erzeugen robustere IgA-Schleimhautimmunität als Impfungen alleine (Bhavsar et al. 2023, preprint).

Doch dann kam Omicron und änderte alles, indem es die Impfwirksamkeit signfikant herabsetzte. Ab diesem Zeitpunkt machten Impfpässe („2G“) keinen Sinn mehr, da sie geimpfte Leute überproportional dem Virus aussetzten, obwohl sie einen verringerten Schutz aufwiesen.

Die Kombination aus Impfung und Infektion, egal in welcher Reihenfolge, schützt nicht dauerhaft vor erneuter Infektion mit Omicron-Varianten (Reynolds et al. 2022).

Bis 2022 wurde klar, dass die Impfung die Übertragung nicht mehr länger „signifikant“ drückte. Doch drei Dosen erzeugten sowohl gegen Delta (80%) als auch Omicron (78%) deutlichen Schutz gegen Tod, sowie 61% gegen Hospitalisierung (Kundi 2023). Entgegen dem Narrativ von Impfgegnern verringerte die ursprüngliche Impfung weiterhin etwas die Übertragung der Omicron-Varianten, nämlich für 4-5 Wochen um 40-50%, für mehrere Monate noch um 30-40% (Canetti et al. 2022). Eine Gefängnisstudie aus Kalifornien fand 2023 heraus, dass „eine Dosis irgendeiner Corona-Impfung“ die Wahrscheinlichkeit, dass ein infizierter Insasse seinen Zellennachbarn ansteckte, um 24% reduzierte (Tan et al. 2023). Im September 2022 kamen die bivalenten Booster heraus, die Infektionen zu 54% verhinderten konnten (Link-Gelles et al. 2023, Feldstein et al. 2024), das heißt Übertragungen deutlich eindämmten. Leider sank die Nachfrage nach dem Impfstoff deutlich. Der neueste Booster (XBB.1.5) wurde im Herbst 2023 zugelassen. Seine Wirksamkeit gegen Hospitalisierung liegt bei über 70% (Van Werkhoven et al. 2023 preprint), er verhindert zu 54% Erkrankungen (Link-Gelles et al. 2024). Das ist nicht so gut wie die 95% von 2020, aber immer noch recht gut. Doch nur 16% der Kanadier (und nur 7% der Österreicher) haben diesen Impfstoff erhalten.

Eine robuste Meta-Studie der Zweitattackraten während der gesamten Pandemie fand heraus, dass alle angebotenen Impfstoffe unabhängig der Variante einen gewissen Schutz vor Übertragung bieten (Madewall et al. 2022).

Der XBB.1.5-Impfstoff war gegen Ansteckung zu 52% effektiv nach 4 Wochen, 33% nach 10 Wochen und nurmehr 20% nach 20 Wochen. Die Wirksamkeit gegen schwere Akutverläufe war jedoch höher und fiel von 67% nach 4 Wochen auf 57% nach 10 Wochen. (Lin et al. 2024)

Zusammenfassung

COVID-mRNA-Impfstoffe funktionieren, haben immer funktioniert und funktionieren am besten, wenn man einen an aktuelle Varianten angepassten Impfstoff nimmt. Sie haben immer die Übertragung reduziert und tun das auch weiterhin.

Ein Vergleich von mRNA und Proteinimpfstoffen (wie Novaxax) bei Rhesusaffen zeigte, dass beim Proteinimpfstoff auch nach einem Jahr noch Schleimhaut-Antikörper nachweisbar waren. (Milligan et al. 2022).

(Danke an Epidemiologe Raywat Deonandan, Ottawa, @deonandan für die Zusammenfassung, ergänzt durch weitere Studien)