„Ich weiß, dass ich viel zu wenig weiß ….“

Ganz ehrlich – Stand August 2025 sollte ich diesen Menüpunkt einfach kübeln und die Infos den Experten überlassen, also den Immunologinnen und Immunologen. Ich hab es daher gekürzt auf die relevanten Infos von vertrauenswürdigen ExpertInnen.

Ausbildung der verschiedenen Antikörper nach einer SARS-CoV2-Infektion, Quelle: Institut für medizinische Diagnostik Berlin (Stand Mai 2020!)

Für die Immunologen war bald klar, dass sich SARS-CoV2 wie ein Lehrbuchvirus verhält – nach der Infektion besteht für eine gewisse Zeit ein Schutz vor erneuter Infektion, in den meisten Fällen aber ein Schutz vor schweren Verläufen bei erneuter Infektion. Ebenso war für sie klar, dass Impfstoffe vorübergehenden Schutz vor Ansteckung bieten, egal ob mukosal (über die Schleimhaut, oral) oder intramuskulär injiziert wie mRNA-Impfstoffe. Denn mit jeder Impfung werden IgA-Antikörper (Schleimhaut-Antikörper) produziert, je nach verwendetem Adjuvant (Hilfsstoffe, die die Immunantwort verstärken) nicht immer an derselben Stelle und in denselben Mengen. Außerdem werden IgG-Antikörper ebenfalls zur Schleimhaut transferiert (siehe Wisnewski et al. 2021, Gorochov et al. 2024). Das steht etwas im Widerspruch zur Annahme von Krammer (2020), der noch vor Zulassung der Impfstoffe davon ausgegangen war, dass intramuskulär gespritzte Impfstoffe keine IgA erzeugen und daher keine sterilisierende Immunität zu erwarten sei.

Wie funktioniert das Immunsystem?

Die angeborene (innate) Immunabwehr reagiert schnell und unspezifisch auf Erreger, während die adapative Immunabwehr langfristig T- und B-Zellen stimuliert. Hat die angeborene Immunabwehr Eindringlinge erkannt, reagiert sie mit der Absonderung von Zytokinen und Interferone. Zytokine können jedoch auch außer Kontrolle geraten (Zytokinsturm) und die Lungenzellen durch Entzündungen und Fibrinbildung beschädigen (Grundlagen von Akiko Iwasaki).

Lymphozyten sind ein Typ der weißen Blutzellen (Leukozyten) im Immunsystem der meisten Wirbeltiere. Die drei Haupttypen von Lymphozyten sind T-Zellen, B-Zellen und natürliche Killerzellen. B-Zellen machen Antikörper, die dem Körper dabei helfen, Infektionen zu bekämpfen. T-Zellen attackieren fremde Zellen, Krebszellen und mit dem Virus infizierte Zellen. Natürliche Killerzellen enthalten Substanzen, die Tumorzellen oder infizierte Zellen töten.

Aus historischer Sicht interessant: Edward Jenner gilt als Begründer der Immunologie, 1796 entwickelte er einen Impfstoff gegen Kuhpocken (Vaccinia), doch wusste er nicht, warum es funktionierte. Emil von Behring und Shibasaburo Kitasano fanden „antitoxische Eigenschaften“ im Serum gegen Diptherie und Tetanus. Sie schlugen vor, dass Serum (humus) für Immunität verantwortlich sei. Doch was war im Serum? 1930 entdeckte Elvin Kabat Gamma-Globulin, populär als Antikörper (IgG). Humerale (Serum) Immunität gab uns den Schutz, er funktioniert über Immunoglobuline oder Antikörper. oder auch nicht?

1883 zeigte Ellie Metchnikoff, dass Zellen für Immunität verantwortlich sind. Phagozytische Zellen sind während der Entzündung aktiver. Die Hypothese blieb kontrovers und humorale Theorie setzte sich durch. Doch 1940 zeigte Merrill Chase anhand von Tuberkulose infizierten Tieren, dass Immunität über weiße Blutzellen vermittelt wird. Natürlich braucht man Zellen, um Proteine zu erzeugen. Metchnikoffs Zellen kennen wir heute als Makrophagen – Antikörper, die in der Tat sehr wichtig sind, um uns vor Infektion und Erkrankung zu schützen. Sie werden aus weißen Blutzellen namens B-Zellen gemacht. Keiner der Wissenschaftler lag damals falsch. Sie arbeiteten mit dem vorhandenen Wissen und machten deutliche Fortschritte. Der Kampf zwischen humoraler und zellulärer Immunität geht weiter. Nur „Antitoxine“ oder Antikörper schützen, sie werden aus B-Zellen gemacht, die die Hilfe von T-Zellen benötigen. T-Zellen schützen uns auch direkt gegen Erkrankung (Text von Marc Veldhoen).

Nach durchgemachten Infektionen “vergisst” das Immunsystem zunehmend das SARS-CoV2-Spike Protein und erinnert sich vermehrt an andere SARS-CoV2-Proteine. Bei einer Reinfektion werden B-Gedächtniszellen aktiviert und bilden vorwiegend nicht neutralisierende Antikörper aus (die nicht an die Rezeptorbindungsdomäne (RBD) des Spike binden und nicht die Bindung zwischen Virus und Zelle verhindern).

Die wichtigsten Erkenntnisse zu SARS-CoV2

Heidi Ledford, Four lessons COVID taught us about the immune system (27.01.25 – Paywall, also nicht für die Öffentlichkeit)

  1. T-Zellen sind die entscheidende Waffe der Immunantwort auf SARS-CoV2. Sie schützen in der Regel vor schweren Verläufen mit neuen Virusvarianten. relevant sind vor allem CD4+ und CD8+T-Zellen (Grifoni et al. 2020, Sun et al. 2024, Ramirez et al. 2024), die sich unabhängig der Krankheitsschwere und Menge neutralisierender Antikörper bilden. Für Menschen mit T-Zellen-Defekt oder anderen Immundefekten besteht das Risiko für Long Covid aber weiterhin.
  2. Die Impfung dämpft ausgeprägte Entzündungsreaktionen nach der Infektion gegenüber Ungeimpften, insbesondere in Monozyten und natürlichen Killerzellen (angeborenes Immunsystem), und verhindert damit u.a. schwere Verläufe. Bei Kindern verläuft die Akutinfektion meist milder, da u.a. die angeborene Interferonantwort stärker ausfällt (Yoshida et al. 2021).
  3. Infektionen erzeugen durch die Nase Schleimhautimmunität, Impfungen schützen vor schweren Verläufen. Hybrid-Immunität verbessert die Immunantwort durch beide Prozesse.
  4. Drei Antigenkontakte mit Impfung und/oder Infektion reichen für günstige Entwicklung der Immunantwort aus. Weitere Impfungen werden nurmehr vulnerablen Personengruppen empfohlen (Wratil et al. 2022, Popowicz et al. 2022, Park et al. 2024). Hybrid-Immunität erzeugt bessere Immunitätsbildung als Infektion oder Impfung alleine (Barateau et al. 2023, Diexer et al. 2023, Bekliz et al. 2024).
  5. Leaky Immunity„: Hybrid-Immunität kann gegen Reinfektion schützen, wenn die Virusexposition niedrig bis moderat ist. Wenn sie hoch ist, schützen weder Infektion, Impfung oder Hybrid-Immunität gegen Ansteckung ( Lind et al. 2023). Virusexposition ist beeinflussbar durch Maske tragen, Frischluftzufuhr, Luftreiniger und sich von symptomatischen Personen fernhalten.

Wie lange hält der Schutz vor Ansteckung an?

Nach der mRNA-Impfung sinken die Antikörpertiter erst deutlich, dann kommt eine Stabilisierungsphase – das ist wie aus dem Lehrbuch der Immunologie, Plasmablasten machen die Titerspitze nach der Impfung, zerfallen aber rasch. Die Antikörper überdauern länger, weil IgG eine Halbwertszeit von etwa 4 Wochen hat. In der Stabilisierungsphase werden die Körper von langlebigen Plasmazellen gemacht, die ins Knochenmark wandern. SARS-CoV2 produziert davon weniger, weshalb die Antikörper rascher absinken (Tehrani et al. 2024), das gilt auch für die Impfung bzw. Hybrid-Immunität (Nguyen et al. 2024 – deutsche Zusammenfassung im Interview mit Emanuel Wyler). Deshalb hat sich SARS-CoV2 in die Reihe der anderen saisonalen respiratorischen Viren eingereiht und zirkuliert endemisch für die Ewigkeit.

Bei geimpften Personen ohne vorherige Infektion wirkten Durchbruchsinfektionen wie eine Boosterdosis. Im Serum wurden danach jedoch keine starken Antikörpertiter erzeugt – wahrscheinlich, weil es weniger Virusreplikation und Antigenexposition gab. (Srivastava et al. 2024). Beim Einsatz des antiviralen Medikaments Paxlovid würde man ähnliche Effekte erwarten, doch scheint die Behandlung die adaptive Immunantwort nicht zu beeinträchtigen (Epling et al. 2023).

Reinfektionen und Durchbruchsinfektionen

Nach einer Infektion herrscht eine sehr heterogene Verteilung beim Immunschutz, nach Impfung werden sie auf ein einheitlich hohes Niveau gebracht. (Parker et al. 2022)

Von gewöhnlichen Coronaviren wusste man schon länger, dass die Immunität kurzlebig war (Edrige et al. 2020). Die ersten Reinfektionen wurden im August 2020 registriert (Statnews, 28.08.20). Mit der Alpha-Variante häuften sich Reinfektionen, vor allem bei älteren Menschen (Hansen et al. 2021). Bei Delta kam es bereits häufiger zu Durchbruchinfektionen nach zweifacher Impfung. Im Juli 2021 impfte Israel seine Bevölkerung daher ein drittes Mal nach und erreichte damit zu 90% einen zehnmonatigen Schutz vor Reinfektion (Stein et al. 2023).

Ab Omicron sank der Schutz vor Reinfektion auf 19% ab. Die Ergebnisse waren erwartbar: Es gibt keine sterile Immunität gegen SARS-CoV2, wie bei anderen Erkältungsviren auch. Insbesondere mit Omicron wurde die Antikörperantwort schwächer, nurmehr ein Zehntel von Delta und ein Drittel einer dritten Impfung (Servellita et al. 2022), auch nach späteren Reinfektionen mit BA.5 oder XBB schwanden die neutralisierenden Antikörper schnell wieder (Bormann et al. 2023, He et al. 2024). Wenig überraschend bieten Durchbruchsinfektionen keinen sterilen Schutz vor erneuter Infektion (Koutsakos et al. 2022, Reynolds et al. 2022, Yao et al. 2022). Der kürzeste Zeitraum einer Wiederansteckung waren rund drei Wochen im ersten Omicron-Jahr (Claire Wilson 2022).

Im Schnitt kann man von einem Jahr Schutz vor Ansteckung ausgehen. Gegen die Immun-Escape-Variante JN.1 (Chemaitelly et al. 2025) betrug der Schutz vor Ansteckung durch vorhergehende Infektionen nur magere 1,8%. Nur ein Viertel der Reinfektionen werden durch PCR-/Schnelltests entdeckt, regelmäßige Antikörpertests wären notwendig. (Richard et al. 2024)

In der älteren und vulnreablen Bevölkerungsgruppe steigt mit zunehmender Zahl an Reinfektionen das Risiko für Spätfolgen (Bowe et al. 2022)

In der Regel verlaufen erneute Infektionen leichter als die ersten Infektionen – ausgenommen bei Personen mit (unbekanntem) Immundefekt. Auch das Long Covid-Risiko nimmt ab und nicht zu (mehr Studien zu pro und contra hier), ausführlich beschrieben wurde das von Epidemiologe M-K Gideon in einem Blogartikel.

Immunsystem und äußere Faktoren

Mehrfache Infektionen geschehen immer durch neue Varianten und ausreichend hohe Viruslast – dann nützt auch das beste Immunsystem nichts. “ (Prof. Kathryn Hoffmann, Studien dazu im Infotalk)

Human function curve von P. Nixon, im Stress überwiegt der „fight/flight-modus“, im katabolischen Zustand gibt es keine ausreichende Regeneration mehr, Killerzellen werden ungenügend nachgebildet.

Stress alleine reicht wie andere Umweltfaktoren nicht aus, um Infektionen auszulösen. Es braucht immer den infektiösen Erreger dazu. Das gilt auch für Zugluft, Klimaanlage, nasse Haare, große Temperaturschwankungen, etc. Dann kommt es auf die Art des Erregers, die Viruslast und die körperliche Verfassung an. Stress kann diese verändern. Menschen sind nach größeren Stressereignissen häufiger symptomatisch krank als ohne, aber auch im Hinblick auf Diabetes, Bluthochdruck, etc. spielt es eine Rolle, ebenso schlechter Schlaf. Nach großem Stress ist das Risiko, überhaupt zu erkranken erhöht, so wie bei chronisch schlechtem Schlaf, weil es dadurch zu chronischen subakuten entzündlichen Prozessen kommt. Aber nicht im pathophysiologischen Sinn wie bei SARS-CoV2.

EBV kann durch Stress reaktiviert werden (Stowe et al. 2000). Eine grundsätzliche schlechtere Immunantwort ist auch ohne Virusinfekt denkbar, z.B. bei Staublunge, Mukoviscidose, hohe reaktive oxygen species/Ozonbelastung, zu hohes UV, Mangelernährung. Traumata/Stress geht auf den Cortisolspiegel, niedrige Cortisolwerte in den Nebennieren begünstigen z.B. Long Covid.

…. gut zu wissen ….

  • Die „breite Immunität“ bezog sich immer auf die Bevölkerung und dem Schutz vor schweren Verläufen und Todesfällen. Für vulnerable Personen kann die Infektion weiterhin schwer Verläufe oder Langzeitfolgen nach sich ziehen.
  • Herdenimmunität: Eine immune Mehrheit schützt eine Minderheit, die noch nicht geimpft werden kann (z.B. Säuglinge), nicht darf (Autoimmunerkrankungen) oder keine ausreichende Antikörperantwort entwickelt (Immunsuppression) – funktioniert bei Masern oder Keuchhusten, nicht aber bei stark mutierenden Viren wie Influenza, SARS-CoV2 oder Rhinoviren. Selbst niedrige Impfraten verringern aber langfristig das Infektionsrisiko von geimpften Personen, die sich vorwiegend bei Ungeimpften infizieren (Fisman et al. 2024).
  • Kreuzimmunität mit gewöhnlichen Coronaviren (z.B. NL63, OC43) kann erklären, warum sich manche Menschen seltener anstecken als andere (vgl. Infos im Kapitel „saisonale Coronaviren„), siehe auch Israelow and Iwasaki (2024) und diesen Artikel in der „Augsburger Allgemeinen“ (2024).

Endemie statt Herdenimmunität

Der deutsche Virologe Ulf Dittmer sprach im Interview mit der „Frankfurter Runkschau“ (2025) von „Herdenimmunität auf T-Zell-Ebene“, die gegen neue Virusvarianten vor schweren Akutverläufen schützen würde.

Veldhoen und Simas rechneten im März 2021 damit, dass endemische SARS-CoV2-Zirkulation die Immunität auch nach der durch die Impfung beendeten Pandemie aufrechterhalten wird. Eine mathematische Modellstudie im gleichen Monat über Impfung und nichtpharmazeutische Maßnahmen zeigte außerdem, dass Herdenimmunität durch die Impfung alleine nicht mehr erreichbar war (Moore et al. 2021), bzw. man dafür die 3-17jährigen hätte mitnehmen müssen (Liu et al. 2021).

Jonathan W. Yewdell kommentierte die Illusion von Herdenimmunität in einer Fachpublikation (2021), der Epidemiologe Robert Zangerle in seiner Seuchenkolumne (2021).