Der Oberarzt und Internist einer Wiener Klinik, Wolfgang Hagen, machte vor kurzem Werbung für ein neues Buch über die Corona-Pandemie, „Die verdrängte Pandemie“ – von Frédéric Valin und Paul Schuberth, bei dem er selbst einen Beitrag leistete. Ich habe es noch nicht gelesen, würde es aber grundsätzlich einmal empfehlen – es erscheint am 15. Oktober 2025. Ein wenig Hintergrund dazu: Paul Schuberth ist selbst an mich herangetreten, es muss 2022 oder 2023 gewesen sein, und hat mich gefragt, ob ich an dem Buch mitarbeiten möchte. Für mich war damals die Pandemie das Thema Nr.1 und ich habe mich sehr dazu engagiert, im negativen Sinne könnte man sagen „hineingesteigert“. Nach einem dreiviertel Jahr Wiedereingliederungsteilzeit verabschiedete ich mich von meiner Teilnahme, da mir schlicht die Zeit dazu im Schichtdienst fehlte.

Im Nachhinein bin ich sehr froh, mich da wieder herausgenommen zu haben – nicht, weil ich glaube, dass das Buch eine Verfehlung sein würde, sondern weil mein damaliger Kenntnisstand einen starken Confirmation Bias hatte. Viele Vermutungen von damals konnte ich nicht belegen, ich hätte es sehr vorsichtig schreiben müssen. Hinzu kommt, dass ich gerade von Österreich und seinem politischen oder schulischen System wenig Ahnung habe. Ich konnte als kinderloser Mensch schwer über die sozialen Nachteile von Kindern in der Pandemie schreiben, die es auch gab und nicht nur die medizinisch-virologische Seite. Aber auch mein Wissen zu medizinischen Grundlagen, etwa Immunologie oder Langzeitfolgen, musste ich die letzten Jahre stark korrigieren. Es reicht eben nicht, ein paar Tweets oder oberflächlich Fachartikel zu lesen – das Studium der Biologie, Medizin, und Teilbereiche zu Immunologie, Virologie, Epidemiologie ist ein hartes Stück Arbeit und Experten darin sind nicht auf der Nudelsuppe dahergeschwommen. Ich bin nur Meteorologe und muss mich darauf verlassen können, was Experten zu mir sagen, aber auch erkennen, wenn es Experten sind oder nicht.

Damals war ich noch nicht in der Lage zu erkennen, mich verrannt zu haben, und mein Textbeitrag hätte einen unseriösen Anstrich gehabt, den man leicht hätte widerlegen können. Damit streite ich nicht ab, dass man versucht hat, Great-Barrington-Ansätze bei uns durchzusetzen, nur muss ich sehr vorsichtig sein, etwa von einer eugenischen Durchseuchung zu sprechen, nachdem die Bevölkerung durch die Impfung grundimmunisiert wurde. Ich kann natürlich kritisieren, dass die Impfrate zu niedrig war, dass man mehr jungen Menschen die Möglichkeit hätte bieten sollen, sich zu impfen, durch Kampagnen und Überzeugung statt durch Pflicht, und dass es ein unethisches Experiment war, die Kinder massenweise zu infizieren, bevor sie wenigstens einmal geimpft waren (das kritisiert übrigens auch Virologe Drosten an der deutschen StiKo, die die Empfehlung für eine einmalige Impfung der Kinder erst nach der Durchseuchung ausgesprochen hatte, nicht davor).

Zu unterscheiden sind auch die Auswirkung von Maßnahmen und medizinischen Folgen für alle und für den Einzelnen. Das auszusprechen tut mir weh, weil ich viele *Einzelne* kennen, die nach drei Impfdosen eben nicht perfekt immunisiert waren und durch ihre Erstinfektion bleibendes Long Covid bekommen – noch viel mehr bekamen Long Covid VOR der Impfung, das der Vollständigkeit halber. Die Mehrheit blieb gesund, die Mehrheit bleibt auch nach Reinfektionen gesund. Ich finde das emotional schwer zu trennen, wenn ich Menschen kenne, die betroffen sind oder ein hohes Risiko haben, oder die Kinder haben, die betroffen sind. Deswegen ist gut, dass man das durch wissenschaftliche Herangehensweisen objektiviert, auf eine sachliche Schiene bringt – raus aus der Emotion, weil Emotion verfälscht das Ergebnis. Da kommt dann das heraus, was man sehen möchte, um mehr Gewicht für seine Argumentation zu haben – das sehen wir auch auf der täglichen Twitter/Bluesky-„Besprechung“ von neuen Fachartikeln, die so interpretiert werden, dass das „Gewünschte“ offensichtlich wird. Das ist der Confirmation Bias und gerade hochgebildete Menschen neigen eher zur Overconfidence und Confirmation Bias. Das passiert also nicht nur „dummen“ Menschen. Ich sehe mich rückblickend eindrucksvoll als Beispiel hierfür – als jemand, der viel liest und viel von Wissenschaft hält, aber anfällig dafür ist, wenn Pseudoexperten eine Agenda vorgeben, ohne diese als solche zu erkennen.

Letztendlich hab ich aus Selbstschutz entschieden, zuerst zeitlich und beruflich, inzwischen im Wissen um mein mangelndes Wissen, mich nicht aktiv zu beteiligen an einem Buchprojekt, wo dann „pickt, was liegt„. Das bedeutet aber nicht, dass die beiden Herausgeber keine kluge Auswahl ihrer Autoren getroffen hätten. Insofern werd ich mir das Buch sicherlich bestellen und freue mich auf die enthaltenen Analysen.