Ich erzähle den Pandemieverlauf aus Sicht eines Deutschen, der in Österreich lebt. Der Schwerpunkt liegt zwar auf Österreich, aber die Geschehnisse in anderen Ländern spielten mitunter eine wesentliche Rolle, wie hierzulande agiert und reagiert wurde.
Einen wesentlichen Anteil für die gute Aufarbeitung der Geschichte hat Epidemiologe Robert Zangerle, der darüber viel in seinen Seuchenkolumen geschrieben hat, anfangs gab es auch vom FALTER informative Reportagen, wenn auch von Beginn an auf den Schwedischen Weg schielend.
Lockdownphasen und Todesfälle

- Lockdowns wirkten
- Es gibt einen Zusammenhang zwischen Inzidenz und Todesfällen.
- Mit Einführung der Impfung und anlaufender Impfkampagne bei den älteren Personen und Risikogruppen sank die Zahl der Todesfälle deutlich ab (vgl. 2. und 3. Welle)
- Schwere Influenzawelle im Dezember 2022, mehr Todesfälle als durch SARS-CoV2
- Omicron war NICHT mild.
Nummer | Zeitraum | Anmerkung |
---|---|---|
1 | 16.03.-01.05.2020 | „strenger Lockdown“ (4 Gründe das Haus zu verlassen), FPÖ wollte einen viel strengeren Lockdown (13.03.20, PA) |
2 | 03.-16.11.20 | „Lockdown light“ |
2 | 17.11.-6.12. | strenger, aber viele Ausnahmen verglichen mit 1. Lockdown, Notbetreuung möglich in Schulen |
2 | 26.12.-07.02.21 | viele Ausnahmen, u.a. Skitourismus, Notbetreuung möglich |
3 | 01.04.-02.05.21 | Ost-Lockdown in NÖ,Wien, im Burgenland bis 18.4.21 |
4 | 15.11.-31.01.22 | Lockdown für Ungeimpfte (unkontrolliert, zahnlos) |
4 | 22.11.-11.12.21 | Lockdown für alle, offene Schulen, späte FFP2-Maskenpflicht im Unterricht |
Lockdownphasen im Detail

Zu allen Lockdownphasen gibt es eine eigene Geschichte:
- Nach Ischgl kam auf Druck der skandinavischen Länder (Charterflüge für Skitourismus) der erste Lockdown und die rigorose Abriegelung Tirols, NACHDEM man die infizierten Gäste ausreisen ließ und durch die ersten Superspreader-Cluster das Virus in ganz Europa verteilte. Die Causa Ischgl wurde eingestellt, keine Schuld nachgewiesen. Damaliger Gesundheitslandesrat Tilg: „Haben alles richtig gemacht.“
- Ruhiger Sommer durch Präventionsparadoxon und Wien-Wahlkampf, dadurch entgegen Ankündigungen der Wien-Kandidaten verzögert der Lockdown light, aber als Spitalsüberlastung absehbar war, ein zweiter Lockdown – mit zahlreichen Ausnahmen allerdings. Fehlgeschlagener einmaliger PCR-Massentest, um Lockdown zu verhindern. Zwischen 6.12. und 26.12. wurde der Lockdown unterbrochen, um das Weihnachtsgeschäft und Wintertourismus zu retten.
- Fortsetzung des Lockdowns bis Februar. Mitte Jänner 2021 kurze Überlegung, eine NoCovid-Strategie mit Zielinzidenz 50 zu fahren. Zielinzidenz wurde schrittweise angehoben, blieb aber ohne Konsequenz bei Überschreitung, weil ICU-Belegung stärker gewichtet wurde
- Schleppende Impfkampagne durch zu wenig eingekauften Impfstoff, Beta-Variante in Tirol, Pfizer-Impfungen vorgezogen, um Ringimpfung durchzuführen (erfolgreich). Alpha breitet sich dank Lockerungen aus, „Modellregion Vorarlberg“ lockert in Alpha-Welle hinein. Schleppend anlaufende Impfung in Wien sorgt für Überlastung der Spitäler, zudem ist Alpha ansteckender und Kinder als Vektor gewinnen an Bedeutung. Ost-Lockdown in W, NÖ, B ist die Folge für einen Monat ab Ostern. B beendet vorzeitig. Andere Bundesländer bleiben bei Ausreisetests.
- Impfkampagne und Ost-Lockdown sorgen für Rückgang der Zahlen. Erneut Präventionsparadoxon: „Pandemie für Geimpfte vorbei.“ Impfkampagne bleibt ab Sommer im Kanzleramt liegen. Zunehmende Skandale bei der ÖVP (Chat-Affäre). Impfrate zu gering, um Delta-Welle abzuschwächen. Schulen bleiben offen und beschleunigen Welle. Weil das obige Narrativ ausgegeben wurde, wird Lockdown für Ungeimpfte verhängt. Bleibt wirkungslos, weil Schnittmengen zwischen Impfgegnern und Pandemieleugnern groß und de facto nicht kontrollierbar ist, ob sich Ungeimpfte an Maßnahmen halten. Zudem infizierte Delta auch Geimpfte, die das Virus weitergeben konnte. Treibender Faktor aber weiterhin ungeimpfte Kinder, bei denen Impfraten dauerhaft gering bleiben. Vierter Lockdown für alle für drei Wochen. Baseline bleibt danach hoch, aber erneut sind das Weihnachtsgeschäft und der Wintertourismus wichtiger. Späte FFP2-Maskenpflicht in Schulen, weil über Schüler schneller Herdenimmunität erreicht werden sollte.
- Mit Omicron schrittweise Aufhebung aller Maßnahmen, ab April 2022 zudem Beschränkung des freien Testzugangs, Inzidenzen nurmehr vom Trend aussagekräftig, ab August Einstellung des Contact Tracings
- 2023 schrittweise Abschaffung PCR-Tests, Maskenpflicht im Gesundheitwesen, Abschaffung der Meldepflicht für SARS-CoV2 ab Juli 2023
Lockdownphasen und Wahlen

- Der zweite Lockdown kam zu spät, weil in Wien gewählt wurde und keiner Wählerstimmen verprellen wollte, indem man sich für einen weiteren Lockdown ausgesprochen hätte. Nur Ex-Grüne Birgit Hebein schloss diesen nicht aus. Die SPÖ entschied sich gegen Fortsetzung mit Grünen, aber mit Neos und Hebein wurden von den Grünen rausgemobbt.
- Der dritte Lockdown kam zu spät, weil Ludwig gemeinsam mit Kanzler „ins Risiko gehen wollte“, Antigentests statt Lockdowns, gegen Alpha zu wenig
- Der vierte Lockdown kam zu spät, weil die ÖVP sich für die Pandemie nicht mehr interessierte, weil man dachte, die Impfung würde die Pandemie beenden, weil man Kontaktbeschränkungen an Intensivbettenbelegungen koppelte, und Schutzmaßnahmen in Schulen an Intensivbettenbelegungen, aber die Kausalkette ging anders herum: Schulkinder infizierten ungeimpfte Ältere, die die Spitäler füllten. Man hätte also Schulen sicherer machen müssen, und weil in Oberösterreich Landtagswahlen stattfanden und die Impfgegnerpartei MFG den Regierungsparteien Stimmen wegzunehmen drohte
- Die BA.1/BA.2-Welle wurde vollkommen ignoriert und gebetsmühlenartig vom „wir müssen uns auf den Herbst vorbereiten“ geredet. Auch die starke Sommerwelle BA.5 wurde ignoriert, bzw. sogar positiv gesehen, weil sie eine Herbstwelle hätte abschwächen sollen.
- Im Herbst 2022 waren in Tirol Landtagswahlen und kurz darauf Bundespräsidentwahl – gleiche Begründung: MFG und FPÖ-„Denkzettelwahl“ – angekündigte Maskenpflicht nach Wahl kam dann nicht mehr
- Rund um die XBB.1.5-Welle im Spätwinter 2022/2023 weitere Landtagswahlen und deutliche Gewinne für FPÖ
- Mit Abschaffung aller Voraussetzungen für Maßnahmen (Variantenmanagementplan nach eigenem Gunsten ausgelegt) und beginnendem Vorwahlkampf für Nationalratswahl 2024 keine weiteren Maßnahmen, „Versöhnungsprozess“ nach afrikanischem Apartheid-Vorbild, um die Regierung frei von Schuld zu sprechen und das Thema endgültig abzuschließen.
2 Wochen ZeroCovid-Strategie in Österreich
Am 17. Jänner 2021 sah es kurzzeitig nach einer Kehrtwende der Pandemiestrategie aus:
„Am Samstag um 8.30 Uhr trifft sich eine Expertenrunde im Kanzleramt, der Mathematiker und Coronadaten-Guru Erich Neuwirth ist zugeschaltet. Nach einer Stunde sind sich alle einig: Lockerungen wären lebensgefährlich. Um 9.30 Uhr treten Herwig Ostermann vom Forschungsinstitut Gesundheit Österreich, Oswald Wagner von der MedUni Wien und der Virologe Andreas Bergthaler von der Akademie der Wissenschaften vor die Presse. Erstmals ist davon die Rede, dass die Inzidenz „deutlich unter 50“ gesenkt werden müsse.“ (Christian Nusser 2021)
Bei der anschließenden Pressekonferenz wurde verkündet, dass man bis 8. Februar 2021 eine Inzidenz von 50 annähernd erreichen wollte, bevor geöffnet wird. Zu diesem Zeitpunkt lag die Inzidenz bei 130.
Am 1. Februar wurden erste Öffnungsschritte verkündet, mit der gleichzeitigen Warnung, dass „ab einer Inzidenz von 200 eine massive Alarmstimmung gegeben sei“, bei einem 7-Tages-Wert von 200 in einem Bundesland würden die Alarmglocken schrillen. Am 8. Februar wurde dann bei einer Inzidenz von 104 geöffnet. Am 26. Februar behauptete Gesundheitsminister Anschober im Ö1-Mittagsjournal, dass Österreich noch „ein gehöriges Stück weit weg“ von einer Inzidenz von 200 sein würde. Am 01. März wurden weitere Lockerungen angekündigt. Der Schwellenwert lag in den Bundesländern jetzt bei 400. Am 3. März wurde bundesweit eine 7-Tages-Inzidenz von 169 erreicht. Die Zielinzidenzen wurden dem Erwartungsdruck der Wirtschaft angepasst (PLURV: „Torpfosten verschieben“)
Zero Covid war entsprechend nach kurzer Zeit wieder Geschichte. Nicht, weil es epidemiologisch nicht machbar gewesen wäre, sondern weil sich die Bundesregierung dem Druck aus der Wirtschaft, den größten Geldgebern, und der Länder gebeugt haben. Vorausschauendes Denken findet man leider selten bei Machtmenschen.
Pandemie-Strategien in Österreich:
- Im ersten Pandemiejahr hoffte man, mit der Impfung die Pandemie beenden zu können.
- Im zweiten Pandemiejahr kam die Impfung für Erwachsene, aber gleichzeitig auch die infektiösere Alpha-Variante. Zwei Impfungen waren noch ausreichend. Der Regierung war klar, dass die Impfskepsis zu groß war, zugleich behaupten RegierungsberaterInnen, Impfungen und Infektionen würden bis Jahresende eine Herdenimmunität erzeugen
- Dann kam Delta und das Impfgremium reagierte zu träge mit der Empfehlung einer 3. Impfung (Israel war schneller). Die Impfkampagne blieb im Sommer im Kanzleramt liegen. Vor Delta hatten wir ca. 65% Zweifachimpfrate und 32% für drei Impfungen.
- Mit Omicron war der Schutz vor Ansteckung auch bei 3fach Geimpften gering
- Der Vaccine-Only-Ansatz ist gescheitert: Auch eine sehr hohe Impfquote alleine hätte die Pandemie nicht beendet, nur in Kombination mit zusätzlichen Maßnahmen (VaccinePlus-Strategie)
- In Österreich hat die gleichzeitige massive Verharmlosung ab 2022 dazu geführt, dass die Impfraten immer niedriger wurden mit jedem angepassten Booster. Vaccine-only ist hier nicht nur gescheitert, sondern wurde nicht einmal erreicht.
- Mit Omicron wechselte man auf die saisonale Influenza-Impfroutine. Der BA.1-Impfstoff hätte bereits im März 2022 verteilt werden können, wurde aber bis Herbst 2022 hinausgezögert: 1x im Jahr Alte/Vulnerable impfen sollte ausreichen – SARS-CoV2 mutiert allerdings häufiger und die Immunität gegen die bestehenden Varianten schwindet schneller
- Das Virus ist der Verteilung angepasster Impfstoffe immer voraus, der Schutz gegen Infektion ist bei den niedrigen Impfquoten zu gering, um epidemiologisch einen Effekt zu zeigen
Übersicht über die Strategien und das Ergebnis
März bis Mai 2020: „Flatten the curve“
Versehentlich durch den strengen Lockdown fast „Zero Covid“ erreicht, aufgrund von Präventionsparadoxon „Pandemie besiegt“
Mai bis Oktober 2020: „Vogel Strauss“
Erste Fälle im Salzkammergut, Rotary-Club, Wiederanstiege auf niedrigem exponentiellen Niveau lange ignoriert, dann verzögern Wahlen entschlossenes Handeln.
Dezember 2020 bis April 2021: „Massentests und Ausreisetests statt Lockdown“
Massen-PCR-Test im Dezember unangekündigt, chaotisch, einmalig sinnlos, dann schlechte Antigentests für Volksschüler (mutmaßlich Vorsatz, um Schulen offen zu halten), schließlich Ausreisetests ab bestimmter Inzidenz, und Tirol Beta-Variante, falsche Narrative zur Aussagekraft der Schnelltests („Freitesten“), ersetzten Schutz nicht, verhinderten Ost-Lockdown nicht
Jänner 2021 – heute: „Impfung hat Pandemie beendet.“ (Vaccine only-Strategie)
Impfungen sollten schwere Verläufe/Tod verringern (= Spitäler nicht überlasten), klassische Mitigation, nicht Elimination, Problem: Varianten unterschätzt und hohe Impfskepsis in der Bevölkerung.
April bis November 2021: „Ab Impfquote X fallen Maßnahmen Y“
Klimek: Ab 40% keine Maskenpflicht mehr, dann 2fach Geimpfte vom Testen/Maske tragen befreien, Impfquote stieg viel zu langsam.
Juni bis November 2021: „Für Zweifachgeimpfte ist Pandemie vorbei!“
„Staat hat Aufgabe erfüllt.“, Impfung für U12 noch nicht zugelassen, 2 Impfungen nicht mehr ausreichend gegen Delta (erste Durchbruchsinfektionen mit deutlichen Symptomen bei Health Care Workern)
November 2021 bis Jänner 2022: „Lockdown für Ungeimpfte“
Falsches Narrativ, dass Geimpfte nicht mehr Teil des Infektionsgeschehens sein würden, hätte bis 3 Impfungen bei Delta noch gegolten, aber nicht mehr mit Omicron.
November bis Dezember 2021: „Lockdown für alle“
Zu schnell aufgehoben vor Weihnachten und mit Omicron, weil Fehlannahme, dass schnelle Durchseuchung Pandemie beendet und Omicron so mild sei, dass Spitäler nicht mehr überlastet würden. Tatsächlich sowohl Personalmangel, Normalstationen-Überlastung als auch viele Tote, weil so viele Infektionen.
Dezember 2021 bis Juni 2023: „Omicron ist ein Weihnachtsgeschenk“
BA.1/BA.2 dienen als Blaupause für das „Best Case Scenario“ im Variantenmanagementplan.
März 2022 bis heute: „Hybrid-Immunität“
Wenn der Schutz von Impfungen erst durch Infektionen richtig gut sein soll, ist der Schritt nicht weit zu sagen, dass Infektionen gut sein sollen.
September 2022 bis heute: „Immunschuld“/Immunsystem untrainiert“
Epidemien durch andere impfbare Erkrankungen werden immer noch durch Impflücken in der Pandemie, Maske tragen oder Lockdowns erklärt, ebenso generell starke Saison grippaler Infekte. Influenza rebound ohne Maßnahmen, hohe Übersterblichkeit bei niedriger Impfrate.
Jänner 2023 bis Juni 2023: „Pandemie beendet“
Interview Drosten, der Übergang in die Endemie sieht, rudert später zurück, zu spät. Pandemie wird mit Jahresbeginn für beendet erklärt. XBB.1.5 dient als Blaupause für Ende Meldepflicht im Juni 2023.
Juli 2023 – heute: „Nach Corona“
JN.1.-Welle mit hoher Übersterblichkeit im Dezember, extrem niedrige Impfrate, Paxlovidmangel
Hospitalisierungsrate bei SARS-CoV2 nach wie vor höher als Influenza
Literatur aus der Anfangszeit:
- Freedooms-Verordnung (Abschaffung Maske und 3G-Regeln – gültig seit 05.03.22, gezeichnet Mückstein)
- 1. Novelle zur Freedooms-Verordnung (Kurzzeitig Maskenpflicht, aber Verkürzung Isolation auf 5 Tage – gültig ab 24.03.22 bis 16.04., gezeichnet Rauch)
- Verordnung zum Covid-Screening (Auflassung des dichten Testregimes, gültig ab 01.04.22)
- Verordnung Abschaffung Absonderung (Abschaffung Isolationspflicht, gez. Rauch 26.07.22)
- Hofmarcher-Holzhacker: Austria’s Response to the Coronavirus (10.04.20)
- The Hammer and the Dance (19.03.20)
- Hobday and Cason (2009), The Open-Air Treatment of PANDEMIC INFLUENZA
*