Der berühmte Physiker Richard Feynman prägte 1974 diesen Begriff, um Pratiken zu beschreiben, die wie wissenschaftliche Untersuchungen aussahen, aber denen etwas wesentliches fehlte, was er als „absolute wissenschaftliche Redlichkeit“ beschrieb (kritische Ausseinandersetzung mit diesem Begriff von Gelman und Higgs 2025).
Hintergrund (nach Feynman):
In der Südsee gab es einen „Cargo Cult“ von Leuten. Sie sahen während dem Krieg Flugzeuge mit vielen guten Gütern landen, und sie wollten, dass das nun erneut geschah. Daher machten sie so etwas wie Landebahnen, zündeten Feuer entlang dieser an, bauten eine Holzhütte, wo ein Mann darin sitzen konnte, mit zwei hölzernen Teilen auf seinem Kopf, die wie Kopfhörer aussahen und Bambussstangen, die Antennen nachgeahmt waren – er war der Controller – und sie warteten, dass Flugzeuge landeten. Sie taten alles richtig. Die Form war perfekt. Es schaute exakt so aus wie vorher. Doch es funktionierte nicht. Keine Flugzeuge landeten. Deshalb nannte Feynman es Cargo Cult Science, weil es den offensichtlichen Regeln und Formen wissenschaftlicher Untersuchungen folgte, aber etwas wesentliches fehlte, da keine Flugzeuge landeten.
Interpretation:
Wissenschaftliche Integrität ist entscheidend. Wenn man ein Experiment durchführt, sollte man alles melden, was dieses ungültig machen könnte – nicht nur das, was in den eigenen Augen korrekt ist. Andere Ursachen könnten die Ergebnisse erklären.
Details, die an Deiner Interpretation zweifeln könnten, müssen offengelegt werden, wenn sie Dir bekannt sind. Wenn man eine Theorie vorbringt und sie bewirbt, muss man alle Fakten niederlegen, die nicht mit ihr übereinstimmen, ebenso jene, die mit ihr übereinstimmen.
„In summary, the idea is to try to give all of the information to help others to judge the value of your contribution; not just the information that leads to judgement in one particular direction or another.“
Heute auch unter den Begriffen PLURV oder „Cherrypicking“ (Rosinen picken) bekannt. Das gilt gleichermaßen für Pandemieleugner wie für Pandemieübertreiber.
Wenn ein „Wissenschaftler“ auf Social Media seine Methoden oder wie er zu seinen Aussagen kommt, geheim hält, dann können andere davon nicht lernen, die Ergebnisse nicht reproduzieren. Das ist keine seriöse Wissenschaft. Zu Beginn der Pandemie folgte der „Cargo Cult“ der Wissenschaft. Doch jetzt sagt die Wissenschaft nicht das, was sie hören wollen (z.B. „Pandemie ist vorbei“, „Situation ist eine andere“), also müssen sie ihre „eigene“ Wissenschaft erzeugen, die die richtigen Botschaften anbringt.
Wie erkennen wir „Cargo Cult Science“?
- Sind es Experten auf dem Gebiet? (ein PhD in klinischer Psychologie gibt keine Erfahrung in mathematischer Epidemiologie von Infektionskrankheiten)
- Werden die Methoden in einem peer-reviewten Journal publiziert (oder nur auf Social Media, eigene Webseiten)?
- Verwenden andere Experten ähnliche Methoden? Stimmen sie überein, dass die Methoden geeignet sind?
- Gibt es gute Gründe zu glauben, dass die etablierten Institutionen (z.B. CDC) die Ergebnisse nicht korrekt produzieren? (noch hat CDC die Methodik unter Trump noch nicht geändert)
Früh in der Pandemie war die Lage neu und sehr schnell-lebig. Es gab Zeiten, wo Amateure im Internet wertvolle Beiträge für die öffentliche Diskussion lieferten, im Kontext robuster wissenschaftlicher Debatten. Was man auch immer über die jetzige Situation denkt, die Dringlichkeit und Ungewissheit in den Anfängen der Pandemie sind jetzt vorbei. Wir müssen die Messlatte viel höher setzen, was wissenschaftliche Ratschläge von Experten ausmacht (Prof. Michael Fuhrer, 08.10.24, Bluesky)