
Im letzten Faktencheck zum Tegnell-Hype habe ich die zentrale Rolle von Schweden bei der Begründung der Great-Barrington-Declaration bereits angedeutet. Ihr Ziel war, dass wirtschaftliche Interessen von Schutzmaßnahmen weitgehend verschont bleiben sollten, während man vulnerable Personengruppe von der Durchseuchung abgeschirmt hätte.
Gideon M-K: Focused Protection From the Great Barrington Declaration Never Made Sense (02.03.2022)
Dass dieser Ansatz nicht funktioniert, wurde auch mathematisch nachgewiesen (Stoddard et al. 2023 preprint). Diese rechtslibertäre Initiative („Herdenimmunität über Masseninfektion“) hat in Österreich nie die kritische Aufarbeitung erfahren, die sie verdient hätte. Allenfalls war vom „schwedischen Weg“ nach Vorbild Tegnell die Rede.
Dieser wird übrigens fünf Jahre nach Pandemiebeginn auch in Schweden heftig kritisiert:
„Kommissionen var hård i sin kritik. Sverige hade misslyckats med att skydda de äldre. Ansvaret vilade tungt på regeringen som i sin tur låtit Folkhälsomyndigheten hålla i taktpinnen.“
„Die Kommission war hart in ihrer Kritik. Schweden hatte es versäumt, ältere Menschen zu schützen. Die Verantwortung lag stark auf der Regierung, was wiederum der schwedischen Gesundheitsbehörde erlaubte, das Tempo zu halten.“
Kaum einer in Österreich hat je von GBD gehört
Ich kann mich noch an die deutliche Ablehnung des ZiB2-Anchormans Armin Wolf erinnern, als in den Raum gestellt wurde, dass ein grün besetztes Gesundheitsministerium die Politik eines rechtslibertären Thinktanks in Österreich umsetzen würde.
“Denn die Forderung nach Herdenimmunität ist eine Randposition. Doch mittels der “GBD” gelang es, diese Sichtweise ein paar Tage zumindest stärker in den Fokus zu rücken.”
Ingrid Brodnig, Einspruch! Verschwörungsmythen und Fake News kontern – in der Familie, im Freundeskreis und online, 2020 (Seite 96)
Brodnig hat ihr Buch im Herbst 2020 geschrieben, als gerade die zweite Welle anrollte, die viele Länder zunächst ungebremst durchlaufen ließen. Die Relevanz von GBD hat sie damals aber unterschätzt. GBD spielte in Schweden, den USA, UK, Indien und Brasilien eine zentrale Rolle und forderte Millionen Tote. GBD light wurde auch in Österreich umgesetzt, indem über die Kinder und Jugendlichen Durchseuchung der Gesamtbevölkerung stattfand, um eine vermeintliche Herdenimmunität zu erreichen – ohne mögliche Akut- und Langzeitfolgen zu berücksichtigen. Daher sprach Drosten in mehreren Interviews von einem „gefährlichen Experiment“, das seiner Meinung nach gut ausging, mit 1% Longcovid bei Kindern mit symptomatischer Infektion in meinen Augen aber sehr viele Betroffene gefordert hat (siehe Polio, 1% paralytische Polio).
Dank des offentlighetsprincipen (Freedom of Information Laws) in Schweden wurden die entsprechenden E-Mails innerhalb der Gesundheitsbehörden offengelegt, die die wahren Absichten des laissez-faire-Ansatz gezeigt haben.
Vor der Gründung der Great Barrington Declaration
Beim ersten Krisentreffen des Beraterstabs in Österreich am 28. Februar 2020 ist sich die Runde einig, dass die von der WHO geforderte Eindämmung (Containment) nur in totalitären Systemen möglich sei (Japan, Neuseeland, Australien: Hold my beer!), man visierte stattdessen eine Abmilderung (später bekannt als „flatten the curve“) an, bis ein Impfstoff entwickelt wurde.
Am 9. März fallen erstmals Stichworte, die später zum Kern der GBD-Ideologie ernannt wurden: Vulnerable schützen, junge Menschen möglichst wenig behelligen. Die Historikerin und FALTER-Redakteurin Barbara Tóth, die sich später als GBD-Anhängerin outete, kommentiert: “Sie alle argumentieren mehr oder weniger für das, was später als schwedischer Weg bekannt wird. Kein radikaler Lockdown, sondern kluges Risiko- und Ressourcenmanagement.”

Am 14. März schreibt Tegnell eine E-Mail an Johan Carlson, seinen Vorgesetzten und Generaldirektor der schwedischen Gesundheitsbehörde: „Ein Punkt würde dafür sprechen, die Schulen offen zu halten, um schneller Herdenimmunität zu erreichen.“ Die E-Mails wurden nachträglich dank Transparenzgesetz veröffentlicht.

Am 15. März gab Tegnell zu, alle Optionen geprüft und sich schließlich für Durchseuchung entschieden zu haben, um eine hypothetische Herdenimmunität zu erreichen. In zahlreichen Zeitungsartikeln wiederholte Tegnell die Illusion einer raschen Herdenimmunität (Zitatsammlung) und behauptete damit später, im Vorteil gegenüber den Nachbarländern zu sein:

Am 16. März bestätigt der schwedische Epidemiologe Johan Giesecke in einem TV-Interview, dass Herdenimmunität über Durchseuchung die schwedische Strategie sei.

Am 27. März schrieb Giesecke eine E-Mail an Preben Aavitsland am Norwegischen Institut für Öffentliche Gesundheit:
“As I have now said many times: you are doing wrong in Norway.”
Norwegen hatte bis Mitte 2022 dreieinhalb Mal weniger Todesfälle als Schweden.
Am 30. März schließt das erste Skigebiet in Schweden freiwillig, um die Ausbreitung des Virus zu verhindern. Das Saisonaus folgt erst am 05. April nach erneuter dringender Empfehlung der Gesundheitsbehörden – bis dahin waren gab es lediglich Appelle an die Eigenverantwortung.
Am 9. April behauptete Giesecke, dass Schweden bereits ab Mitte Mai Herdenimmunität erreicht habe (Twitter-Quelle nicht mehr vorhanden).
Am 15. April gab Tegnell dem „German Marshall Fund of the US“ ein Update zur europäischen Antwort auf die Pandemie. Darin sagte er unter anderem:
“If children don’t go to school their parents need to stay at home and we know of economic calculations that have been given to us that then about 20% of the workforce disappears from the Swedish work market” (Minute 42:40)
Als ein finnischer Kollege andeutete, dass laut Modelldaten geschlossene Schulen die Infektionsraten bei den Älteren um 10% senken konnten, antwortete Tegnell mit „Zehn Prozent sind es wert?“.
Die Gesundheit der Kinder und ihrer Angehörigen wurde also von Beginn an gegen die Wirtschaft ausgespielt.
Im April warnte Tegnell das ECDC vor der Empfehlung von Masken, weil das implizieren würde, dass das Virus über die Luft übertragen würde.
Brasilien
Am 22. April gab es einen „Erfahrungsaustausch“ zwischen Schweden und Brasilien. Darin propagierte Tegnell den schwedischen Weg als flatten curve, und behauptete, dass mindestens 20% der Intensivbetten jederzeit frei sein würden.
“Peinlich genau wurde deshalb darauf geachtet, dass auf den Intensivstationen stets genügend freie Betten zur Verfügung standen. Solange dies gegeben war, konnten Behörden und Regierung beschwichtigen und Kritik am schwedischen Sonderweg zurückweisen.“ (FOCUS, 11.10.20)
Er sagte nicht dazu, dass Altenheimbewohner nie ins Spital kamen und dass das Stockholmer Feldspital mangels Personal nie Patienten hatte. In Stockholm würde die Immunität im April bereits bei 20-30% liegen. Spätere Seroprävalenzstudien weltweit ließen eine erheblich geringere Zahl vermuten. Der schwedische Botschafter Skoog behauptete, dass wissenschaftlich erwiesen sei, dass Kinder nicht groß zur Ausbreitung beitragen würden, sie würden es selbst kaum bekommen und weitergeben können. Beim zweiten Austausch am 7. Mai behauptete Tegnell, es hätte keine verwehrte Pflege, keine kranken Kinder, keine Reinfektionen gegeben und die Situation sei besser als in Kopenhagen oder NYC. Es würde keine Masken oder Quarantäne brauchen.
Am 14. Mai sagte Bolsonaro gegenüber Wirtschaftsvertretern, wenn es nach ihm gegangen wäre, hätte man nichts geschlossen wie in Schweden.

Brasilien hatte sehr viele Todesfälle nach den USA, UK und vor Schweden.
In Manaus, wo sich bis Oktober 2020 76% der Bevölkerung infiziert hatten, war das Ergebnis nicht Herdenimmunität, sondern die neue Variante P.1 (Faria et al. 2021).
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Am 24. April gab Giesecke der ehemaligen Red-Bull-Zeitschrift „Addendum“ ein Interview, indem er behauptete, dass Lockdowns Tote nur in die Zukunft verschieben würden.
“It doesn’t work to stop an airborne spread. It only stops when herd immunity is reached. (or with vaccine.)” (E-Mail an Tegnell und Carlson)
Am 6. Mai dankte der spätere GBD-Gründer Martin Kulldorff in einer E-Mail an Tegnell (im cc Giesecke), dass dieser das Herdenimmunitäts-Modell in der ganzen Welt verkauft habe:
„Thank you for your wise epidemiological sane Covid-19 work. Not only important to Sweden, but as a model for the rest of the world.”
Am 08. Mai kritisierte Tegnell, dass Lockdowns die Ausbreitung aufhalten und Länder, die das tun, viele Immun-Naive hinterlassen würden. Beides sei für ihn schlecht.
Dank Gretchen Vogel von Science (02.03.2021) wird der Skandal um Ludvigsson, einem GBD-Unterzeichner, bekannt, der am 19. Mai aufgrund persönlicher Mitteilung von Tegnell behauptet hatte, es hätte keine großen Schulausbrüche gegeben (Ludvigsson 2020). Tatsächlich gab es mehrere Ausbrüche, darunter einem mit mindestens 18 infizierten Lehrern, wovon einer starb. In einer E-Mail an Tegnell schrieb Ludvigsson im Juli 2020, dass es unglücklicherweise deutliche Hinweise auf Übersterblichkeit bei Kindern im Alter von 7-16 Jahren geben würde, also schulpflichtigen Kindern. Im ersten Pandemiejahr starben in Schweden 51 Kinder – Ursache offiziell unbekannt. Auf Ludvigsson bezogen sich auch die damaligen SPÖ-Vorsitzende Rendi-Wagner und NEOS-Vorsitzende Meinl-Reisinger, um die Schulen offen zu halten.
Am 17. Mai gibt Giesecke in Weißrussland ein Interview. Er sagte damals sinngemäß, dass jeder das Virus kriegen werde (der Link geht inzwischen nicht mehr).
Indien
Zwischen April und Juni wandte Tegnell seine Aufmerksamkeit Indien zu. In der „Times of India“ behauptete Tegnell, dass ein Impfstoff weit entfernt sei.
„It keeps primary schools open since this virus has virtually no effect on little children, and children are therefore the first to help society acquire herd immunity.„
Im Mai 2020 behauptete Tegnell bei einem Webinar der Public Health Foundation von Indien, dass mindesten 20% der Stockholmer Bevölkerung bereits immun sein würden. Er behauptete, Covid sei meist sehr mild und kaum bemerkbar, in einer Zeit, wo das Virus durch die Alten- und Pflegeheime fegte und Schweden weltweit eine der höchsten Todesraten pro Kopf hatte.
Im Juni 2020 wurde Giesecke von Rahul Gandhi, einem Mitglied des indischen Nationalkongresses, interviewt.

Giesecke wiederholte die Lügen, wie mild das Virus sei, und dass harte Lockdowns mehr Tote als das Virus selbst verursachen konnten.
Bis Dezember 2021 meldete Indien rund 480 000 offizielle Todesfälle, doch die WHO schätzt ihre Zahl um das Zehnfache höher ein, global könnten es sogar ein Drittel aller Toten gewesen sein.
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Am 08. August kritisiert Andrew Ewing (2020) Gieseckes Aussagen, die klar auf focused protection abzielen:
„our most important task is not to stop spread, which is all but futile, but to concentrate on giving the unfortunate victims optimal care“
USA
Im Juni, August und Oktober waren Kulldorff und der spätere GBD-Mitbegründer Jay Bhattacharya bei Präsident Trump. Bhattacharya ist ein enger Kollege von Dr. Scott Atlas, dem wahnsinnigen Gesundheitsberater von Trump in dessen erster Amtszeit.
„Infants, kids, teens, young people, young adults, middle aged with no conditions etc. have zero to little risk….so we use them to develop herd…we want them infected…“ (Paul Alexander, wissenschaftlicher Berater von Trump (4. Juli 2020)
Am 6. Oktober haben Bhattacharya, Gupta und Kulldorf den US HHS Alex Azar getroffen, später auch Scott Atlas.
Am 7. Jänner 2025 hat Scott Atlas Anders Tegnell im Rahmen des rechtslibertären Independent-Instituts interviewt.
UK
Der Ex-Premierminister von UK, Boris Johnson entschied sich gegen einen Lockdown im September, nachdem er sich mit Kanzler Rishi Sunak und drei GBD-Vertretern getroffen hatte: Sunetra Gupta und Carl Heneghan sowie Anders Tegnell. Die Verzögerung von Maßnahmen führte zu geschätzten zusätzlichen 1,3 Millionen Covid-Infektionen.
In der Covid19 Public Inquiry in UK gab Gupta zu Protokoll, dass die schwedische Strategie effektiv synonym mit focused protection gewesen sei (= GBD).
Gupta erhielt von der Georg and Emily von Opel Foundation nahezu 90 000 Pfund, um die „Prävalenz von Covid in der Bevölkerung“ im April 2020 zu erforschen. Während David Cameron Premierminister war, finanzierte die Opel-Foundation die konservative Partei mit mehr als einer halbe Million Pfund (-> Conflict of interests)
Heneghan saß im wissenschaftlichen Beraterstab von „Collateral Global„, einem non-profit anti-lockdown Unternehmen, gemeinsam mit Gupta, Kulldorf und Bhattacharya, und verbreitete Desinformation über Masken und Herdenimmunität.
Irland
Ebenfalls im September sagte Giesecke dem Special Committee on Covid-19-Response in Irland, dass die Schwedische Strategie „auch in anderen Ländern effektiv sein könnte“.
„I believe Ireland should allow a controlled spread of the disease among people below 60 years while concentrating on the old and frail.“
„Ireland should keep its schools open. Sweden has done that all the time. It is interesting as an aside that Finland locked its schools when Sweden did not. A comparison was done about a month ago in respect of the number of school children infected in Sweden and Finland. There was no difference at all.“
Giesecke ließ dabei aus, dass Schweden Kinder nicht getestet hat.

Giesecke behauptete bei diesem Treffen außerdem:
„Sweden never had herd immunity as a goal. By concentrating on protecting the old and vulnerable, we could allow a tolerable level of spread among the population. We could reach herd immunity even if that was not the goal. It was a by-product of the goal.“
Der erste Satz ist falsch, wie das Interview Gieseckes vom 16. März belegt. Der zweite Satz beschreibt „focused protection“, die, wie wir wissen, gescheitert ist, weil alte und vulnerable Menschen nicht in Höhlen leben. Der dritte Satz war falsch, wie die weiteren Wellen bewiesen haben.
Giesecke behauptete, Abstand halten sei wichtiger als Maske tragen. Es gab keine Maskenpflicht in Schweden, es wurde in Schulen keine Maske getragen. Er behauptete außerdem, die wissenschaftliche Evidenz für Masken tragen sei sehr dünn.
Nach dem Treffen gab Giesecke dem Sender RTÈ Radio 1 ein Interview, wo er bald zugab, dass er über Irland nicht viel wusste und das schwedische Modell ein Fehler sein konnte.
Sterblichkeit vs. Übersterblichkeit
Zwar hätte es anfangs deutlich mehr Tote gegeben als in den Nachbarländern, doch die gesamte Pandemie einbezogen sei die Übersterblichkeit in Schweden niedriger als in anderen Ländern mit vergleichbarem Wohlstand und ähnlich finanziertem Gesundheitssystem gewesen (Pizzato et al. 2024).
Auch FALTER-Chefredakteur Florian Klenk verwies auf die Lancet-Studie, wonach die harte Währung die geringere Übersterblichkeit sei, und nicht die höhere Sterblichkeit zu Beginn der Pandemie.
Schweden hat tendenziell eine jüngere Bevölkerung als Österreich, durch höhere Geburtsraten und Zuwanderung. Daher ist die normale Sterblichkeitsrate niedriger. In Österreich ist die Bevölkerung älter und die Baseline entsprechend höher. Da in der Pandemie ältere Bevölkerungsgruppen stärker betroffen waren, kam es zu einer höheren Übersterblichkeit. Schweden hatte entsprechend eine geringere relative Übtersterblichkeit.
Wer steht hinter der GBD?
The Great Barrington Declaration Network (Stand August 2021)
Hinter der GBD steht das American Institute for Economic Research (AIER) – ein rechtslibertärer Thinktank, der 1933 von Edward C. Harwood in Great Barrington, Massachusetts, gegründet wurde. Seit Januar 2022 ist ihr Präsident William P. Ruger, der vorher beim Charles-Koch-Institut war. Ruger wurde im September 2020 von Trump als US-Botschafter für Afghanistan nominiert. Die AIER hat eine lange Vergangenheit, die Klimaveränderung zu leugnen und die CDC als „Schiedsrichter der Öffentlichen Gesundheit“ zu neutralisieren, auch andere Bundesbehörden sollten abgeschafft werden (siehe Trump II).
Während der Pandemie hat das AIER Desinformation verbreitet. 2021 wurde das Brownstone Institut for Social and Economic Research gegründet, ein weiterer Thinktank, der von Kulldorf und Bhattacharya geleitet wurde (Fueled By Mystery Donors, COVID Conspiracy Group Grew Budget Last Year 2023). Schreiber waren auch Gupta und Paul E. Alexander, der bei Trump I für Gesundheitsaufgaben zuständig war und offen die Herdenimmunität propagierte.
Die Charles-Koch-Foundation wurde 2011 geschaffen und unterstützt Programme des Koch-Instituts. Diverse Koch-Institut-finanzierte Thinktanks engagieren sich ebenfalls bei der Leugnung der Klimaerwärmung. Koch unterhielt zumindest mit zum Ausbruch des Ukraine-Kriegs enge wirtschaftliche Verbindungen zu Russland. Russland hat vor Kriegsbeginn bereits Impfgegnerproteste organisiert, um Unruhe zu schüren und die Bevölkerung gegen die Regierung aufzubringen (Military Times, 21.11.2021). Kurz vor Kriegsbeginn hatte die Ukraine eine Impfrate von lediglich 36%.
Ein weiterer beteiligter rechtslibertärer Thinktank ist das Cato-Institut, das Beiträge der GBD-Vertreter veröffentlicht hat, wo mehrfach der schwedische Weg gepriesen wird.
Bhattachayra hatte nicht nur eine „Meinungsverschiedenheit“ mit dem wissenschaftlichen Konsensus in der Pandemie, sondern wird aktiv von rechtsextremen Medien unterstützt. Er schrieb zahlreiche Artikel für „The Epoch Times“, einer rechtsextremen MAGA-Zeitung.
Er setzte auch die schädlichsten und berüchtigt unreproduzierbaren Studien während der Pandemie um: ein fehlerbehafteter Serosurvey, der behauptet hatte, dass ein bedeutender Anteil der Bevölkerung bereits Covid-19 hatte und es eher harmlos sei (Bendavid et al. 2020). Seine u.a. mit John Ioannidis durchgeführte Studie bekam über 500 Kommentare auf medRxiv und wurde von dutzenden Wissenschaftlern kritisiert (Shook-Sa et al. 2020, Offord 2020, Rushton 2020). Was Bhattachayra der Leserschaft vorenthielt: Seine Studie wurde zum Teil finanziert von David Neeleman, dem Gründer von JetBlue Airways und Lockdowngegner (Buzzfeednews 2020), und die Methodik war zweifelhaft außerdem.
Bendavid und Bhattachayra schrieben im März 2020 gemeinsam einen Kommentar, wo sie die Gefahr durch SARS-CoV2 in Frage stellten.
Wir erinnern uns, beim Stöckl-Ö3-Interview „Frühstück bei mir“ am 25. Oktober 2020 rühmte Allerberger Ioannidis als „meistzitierten Wissenschaftler“. Dort behauptete er ebenfalls, dass bereits die Hälfte der infizierten Bevölkerung Herdenimmunität erreicht hätte.
„The ongoing Swedish policy experiment of so-called “herd immunity” is quite unique. Anders Tegnell, Sweden’s chief epidemiologist and architect of the policy, explained that his country’s approach to COVID-19 is “to let the virus spread as slow as possible, while sheltering the elderly and the vulnerable until much of the population becomes naturally immune or a vaccine becomes available.”
Heritage foundation, 22th April 2020
Oder wie es Johan Giesecke ausgedrückt hat:
„our most important task is not to stop spread, which is all but futile, but to concentrate on giving the unfortunate victims optimal care.“ (Giesecke 2020)
Weitere Entwicklung

Als Gegenbewegung formierten sich am 15. Oktober die Unterzeichner des John Snow Memorandum, siehe Nisreen Alwan (2020).
Am 17. November riet die Regierung, mRNA-Impfstoffe einzukaufen. Tegnells Gesundheitsbehörde war dagegen, wurde aber überstimmt (Quelle).
Am 12. Dezember lädt Ex-Public-Health-Leiter der AGES, Franz Allerberger, Tegnell zu einem „Lesson Learned“ für den 14. Jänner 2021 ein. (Presseaussendung).
Am 17. Dezember kritisierte selbst der schwedische König den von Tegnell gewählten Durchseuchungsansatz als gescheitert.
Am 4. März 2021 ist Tegnell auf Einladung von Reinhild Strauss Gast bei der österreichischen Coronakommission.
Im März 2021 hielt der republikanische Governor Ron DeSantis ein Videorundgespräch mit Atlas, Gupta, Kulldorff und Bhattacharya, wo sie sich gegen Masken, Testen und Kontaktnachverfolgung, Abstand halten und Impfkampagnen aussprachen. Die GBD-Vertreter wurden später als „Verkäufer von Zweifeln“ bekannt, in Analog zu den Kampagnen für das Zigaretten rauchen durch die Tabakindustrie, um die bekannter werdenden gesundheitlichen Schäden durch Tabakkonsum zu opponieren (Yamey and Gorski 2021).
Bhattacharya wurde mehrfach als „Augenzeuge“ geladen, wenn es gegen Maskenpflicht und andere Covid-Maßnahmen ging. Ein Richter in Tennessee nannte seine Zeugenaussage „verstörend und problematisch“ und dass er bei mindestens einer Studie „Schlussfolgerungen grob vereinfacht“ habe.
Bis Mai 2022 wies Schweden 1851 Tote pro Million Einwohner auf, viel höher als seine Nachbarländer. Schweden inkludiert aber all jene Tote nicht, die 30 Tage nach dem positiven Testergebnis auftraten. Im Frühling und Frühsommer 2020 hatte Schweden die niedrigsten Testraten der OECD und nur schwere Fälle wurden getestet.
Auf die Frage, warum in Schweden im Vergleich zu anderen Ländern so viele Menschen an SARS-CoV2 gestorben sind, antwortete Tegnell im April 2023 folgendermaßen:
„Der Impfstoff kam zu früh. Wenn es länger gedauert hätte, hätten die anderen Länder wahrscheinlich aufgeholt”
Anfang Mai 2023 warb die Österreichische Apothekerkammer mit Anders Tegnell:
“Wer den schwedischen Gesundheitsfachmann live erleben möchte, hat am 17. Juni die Gelegenheit. Beim APOtag & APOkongress in Wien wird Tegnell über das Thema “Lessons learnt from the pandemic” referieren.“
Im März 2024 führt ein “Laborjournal”-Artikel“ als “Gegenposition” zum Ausmaß von Long Covid ein Paper an, das von drei GBD-Unterzeichnern geschrieben wurde (Høeg et al. 2024).
Am 4. Oktober 2024, dem 4. Jahrestag der GBD, fand in Stanford eine Tagung mit zahlreichen GBD-Vertretern statt. Unter den Rednern u.a.: Anders Tegnell:

Einflussnahme der GBD auf europäische Institutionen
Johan Giesecke, bei der WHO Teil der „Strategic and Technical Advisory Group for Infectious Hazards“, bis 1995 Senior Lecturer an der London School of Hygiene and Tropical Medicine, sein Nachfolger in London war Chris Whitty, Berater von Boris Johnson und anfangs Befürworter des „Schwedischen Wegs“.
Unter Whitty machte Reinhild Strauss, Abteilungsleiterin für Public Health im Gesundheitsministerium, Krankenhaushygiene (Türkis-Grün 2019-2024), ihr Diplom. Rendi-Wagner machte ihren Public-Health-Abschluss.
Tegnell machte dort seinen Master in den Jahren 2000-2004 und dürfte dabei Daniela Schmid (AGES) und Petra Apfalter (Infektiologin, Beraterin von Ex-Bildungsminister Faßmann, ÖVP) über dem Weg gelaufen sein, die beide ihre Ausbildung in diesem Zeitraum dort gemacht haben. Apfalter wurde 2017 unter der damaligen Gesundheitsministerin Rendi-Wagner Vizepräsidentin im Obersten Sanitätsrat, Präsident wurde Sylvia Schwarz (Energetiker-Auftrag für KH Nord).
Johan Carlson, Vorsitz des ECDC – seine Karriere wurde von Giesecke gefördert.
Einflussnahme der GBD auf Trump II
Mit dem klaren Wahlsieg von Trump bei den Präsidentschaftswahlen im November 2024 und der Mehrheit im Senat und Repräsentantenhaus sowie im Supreme Court wurden die Minimizer der Pandemie in die Regierungsverantwortung geholt, u.a.
- Jay Bhattachayra als neuer Chef für das National Institut for Health (NIH) will False Balance normalisieren
- Vinay Prasad wird als Surgeon General gehandelt
- Robert F. Kennedy Jr., ein Impfgegner und Verschwörungsideologe, wurde Sekretär für Health and Human Services (HHS)
Mit der Entkernung der amerikanischen Gesundheitsbehörden unter Trump II, Teil des sogenannten „Projekts 2025“ wird die Impfstoff-Forschung de facto eingestellt, ebenso die Erforschung zahlreicher schwerer Erkrankungen – eine Katastrophe nicht nur für die USA, sondern für die ganze Welt.
Mein Medienblog hält den Untergang der Demokratie in den USA und die Beendigung des wissenschaftlichen Fortschritts fest.
Referenzen
Brusselaers et al., Evaluation of science advice during the COVID-19 pandemic in Sweden (22.03.22)
Sweden’s Pandemic Experiment -Buch von Sigurd Bergmann, Martin Lindström (19.12.22)
Zusammenfassung
Viele Interviews zu Anders Tegnell laufen nach dem immer gleichen „he said, she said“-Muster ab. Insbesondere wenn der Interviewpartner gerade ein Buch geschrieben hat und das verkaufen will. Im deutschsprachigen Raum ist das Präventionsparaxodon ein Schlüsselphänomen für die gewachsene Beliebtheit von Verschwörungsideologen. In der ersten Welle wurde insbesondere in Deutschland und Österreich frühzeitig und hart reagiert. Dadurch gab es verhältnismäßig geringe Infektionszahlen und die erwartete Katastrophe ist ausgeblieben. Die Pandemie begann über den Wintertourismus bei Bevölkerungsgruppen mittleren Alters. Kinder waren anfangs kaum betroffen, wodurch der Anschein erweckt wurde, sie wären kein relevanter Teil des Pandemiegeschehens. Von rechtsextremen Parteien bis in die gesellschaftliche Mitte hinein wurden Zweifel an der Strenge der Schutzmaßnahmen laut, die bis heute vielfach als überzogen bewertet werden. In Ländern mit schwerer erster Welle wie in Spanien, Portugal, Frankreich, Italien, aber auch UK fehlen diese signifikanten Anti-Covidmaßnahmen-Gruppierungen bis heute. Lesson learned, möchte man sagen: Wenn man das Sterben und schwere Krankheitsverläufe im direkten Umfeld zigfach miterlebt, prägt es das Bewusstsein für Prävention nachhaltig. Und im ersten Pandemiejahr gab es keine Impfung und keine Gewissheit für Immunität gegen schwere Verläufe, auch nicht bei jungen Menschen.
Die rechtslibertären Kräfte haben schon vor der Pandemie bestanden. Liberale Organisationen sind ihnen verhasst. Gesundheit soll weitgehend privatisiert werden, der Staat soll sich heraushalten. Die oft zitierte Eigenverantwortung reflektiert das Wesen einer Zweiklassengesellschaft – wohlhabende Menschen können sich Schutz oder bessere Arbeits/Wohnbedingungen leisten. Prekär lebende Menschen, darunter viele mit Migrationshintergrund, sind auf staatliche Unterstützung angewiesen. Der mehrfach ausgezeichnete PRESSE-Journalist Köksal Baltaci gab in einem Interview mit dem Verband der Privatkrankenanstalten vor der Pandemie (24.07.19) Einblick in sein neoliberales Weltbild – demzufolge Versicherte mehr bezahlen sollen, wenn sie einen ungesunden Lebensstil pflegen. Diese Ideologie kam auch im Interview mit dem Intensivmediziner Burkhard Gustorff (01.12.20) zum Ausdruck, wo Baltaci insinuierte, dass der überproportional hohe Migrantenanteil auf den Intensivstationen an derem ungesunden Lebensstil liegen würde. Rudolf Likar, Primarius und Intensivbettenkoordinator für Kärnten, blies kürzlich bei einem Interview mit der „Kleinen Zeitung“ ins gleiche Horn:
„Die Bevölkerung wurde mit Verboten überhäuft. Auf die Eigenverantwortung mit gesunder Ernährung, Bewegung an der frischen Luft wurde nie hingewiesen.“ (25.02.25)
Was hätte ein gesunder Lebensstil gegen ein neuartiges Virus gebracht, das auf eine immun-naive Bevölkerung trifft? Jeder Ernährungsberater, jeder Sportmediziner wird vor überzogenen Erwartungen warnen, dass Verhaltensumstellungen Zeit brauchen, und äußere Zwänge wie prekäre Arbeit- und Wohnbedingungen, Armut und chronische Erkrankungen diese erschweren. Es sind auch gesunde Menschen schwer akut und chronisch erkrankt. Erst die Impfung brachte eine deutliche Risikoreduktion. Bis dahin war Eigenverantwortung mangels Informationsangebot nicht realistisch umsetzbar.
Wir sehen im Rückspiegel, wie sehr die Pandemie-Entwicklung verklärt und Zeiträume durcheinandergeworfen werden. Die Great-Barrington-Declaration zielte auf das Narrativ der funktionierenden „focused protection“ ab. Altenheime und alte Menschen, die zuhause leben, abschirmen hätte aber bedeutet, sie isoliert von der Außenwelt sterben zu lassen – wie es gerade in Schweden nach allem, was wir heute wissen, passiert ist. Es gibt genügend Studien zu Schutzmasken, die belegen, dass Pflege und Besuche trotzdem möglich gewesen wären. In Österreich infizierten sich die meisten Ärzte und Pflegekräfte nach Aufhebung der Schutzmaßnahmen in den Kindergärten und Schulen, nicht aber an ihrem Arbeitsplatz. Erst mit dem Wegfall der Schutzmaßnahmen im Gesundheitswesen (Testpflicht, Masken, Isolationspflicht) nahmen auch nosokomiale Infektionen deutlich zu, die gleichermaßen Mitarbeiter und Patienten betrafen.
Der GBD-Ansatz hat nie vorgesehen, Minderheiten zu schützen. Viele Regierungen haben ihre Narrative übernommen, dass „Vulnerable“ nur in Alten- und Pflegeheimen leben würden, oder regelmäßig ins Spital gehen. Über Jahre hinweg haben Betroffene und engagierte Mitstreiter versucht, den Verantwortlichen klarzumachen, dass vulnerable Menschen Teil der Gesellschaft sind. Das Schulkind mit Down-Syndrom, die Lehrerin mit Immundefekt, die Verkäuferin nach Leukämie-Erkrankung, die Studentin nach überstandener Organtransplantion. Dazu kommen weitere, vielfach unsichtbare Autoimmunerkrankungen ebenso wie Betroffene von chronischen Atemwegserkrankungen oder neurologischen Erkrankungen, die die Atemmuskulatur betreffen. Die Mehrzahl von ihnen lebt selbstständig, nimmt am Leben teil. Viele Menschen wissen zudem nichts von ihrem Immundefekt, bis Virusinfekte zu chronifizierter Erkrankung führen.
GBD-Vertreter hielten aber selbst das große Sterben bei den alten Menschen für unausweichlich, statt auf gelinde Schutzmaßnahmen wie Maske tragen, Testpflicht bei Besuchen zu setzen, bis eine Impfung verfügbar war. Auch die Qualität der Masken spielte eine entscheidende Rolle – bis heute fehlt ein klares Bekenntnis der Verantwortlichen, dass FFP2-Masken den „medizinischen“ Masken bei weitem überlegen sind, wenn es um Aerosol-Übertragungen geht. Von der Pandemie geblieben sind aber in zahlreichen öffentlichen und privaten Einrichtungen die „Desinfektionsspender der Nächstenliebe“ (Ex-Gesundheitsminister Mückstein), von denen wir längst wissen, dass sie zwar bei sehr gründlicher Anwendung gegen Magen-Darm-Viren effekt sind, nicht aber gegen respiratorische Viren. Desinfektion und Abstand halten schob die Verantwortung auf das Individuum. Saubere Luft hätte Mehrausgaben für den Staat und die Betriebe bedeutet, etwas, das GBD-Vertreter vielfach verhindern konnten – im deutschsprachigen Raum mehr als in anderen Ländern, wo mehr für Luftreinigungsmaßnahmen getan wurde.
Die Chronologie der Ereignisse zeigt klar, dass Tegnell und seine Gesinnungsideologen (Giesecke, Kulldorff, Bhattacharya, etc.) erfolgreich in anderen Ländern Durchseuchung propagiert haben. Sie sind damit für Millionen Tote verantwortlich durch das Einpflanzen falscher Narrative. Sie haben öffentlich behauptet, es würde rasch sterile Herdenimmunität erreicht werden und hielten eine schnelle Impfstoffentwicklung für abwegig. Marginalisierte Gruppen in unserer Gesellschaft waren von Beginn an überproportional betroffen – von den negativen Auswirkungen der Schutzmaßnahmen ebenso wie von den medizinischen Folgen. Für chronisch Kranke und behinderte Menschen war die Aufhebung der Schutzmaßnahmen mit der Omicron-Durchseuchung eine Katastrophe. Zudem sind viele Long Covid-Fälle in dieser Zeit entstanden.
Die Gesundheitsfaschisten haben fürs Erste gewonnen. In den USA werden Minderheiten aus der Öffentlichkeit getiligt, die genderorientierte Gesundheitsforschung wurde gestoppt. Es handelt sich um lupenreine Eugenik. Die USA entwickeln sich zum Flaggschiff rechtslibertärer Gesundheitsideologie, in der chronische Erkrankung, Behinderung, Gender- und Neurodiversität keinen Platz mehr haben. Ein nicht vernachlässigbarer Teil der Bevölkerung sympathisiert mit diesem Gedankengut – auch bei uns. Der Journalismus hierzulande half und hilft dabei, Neoliberalismus und Faschismus zu normalisieren, indem die Hintergrundrecherche nicht stattfindet – nicht hinterfragt wird.