Entgegen der öffentlichen Narrative gab es eine breite Zustimmung zu den Schutzmaßnahmen (hier: Maskenpflicht) wärend der Pandemie (Quelle: Jakob-Moritz Eberl, ehemals ACPP)

Nach meinen beiden Faktenchecks zum Schwedischen Weg (Buchvermarktung Tegnell) und den Verbindungen Tegnells zur Great-Barrington-Declaration und zum aktuellen Trump-Regime, reißen die journalistischen Tiefpunkte zum fünften Jahr der Corona-Pandemie nicht ab.

Es ist ein neuer Tiefpunkt im österreichischen Journalismus – speziell des unabhängigen Rundfunks, die Ankündigung des Diskussionsformats „Ein Ort am Wort“, das am 13. März in Zwettl stattfinden soll.

Nowotny hat seine Teilnahme wegen Rutter abgesagt. Auch Hörmann hat abgesagt. Der ORF NÖ hat die Veranstaltung nun insgesamt abgesagt, nicht aber, weil man zur Vernunft gekommen wäre, sondern weil man kurzfristig keinen Ersatz für Nowotny und Hörmann gefunden habe. Null Einsicht also.

Insgesamt zeigt die Berichterstattung übrigens schon, wie weit nach Rechts der Diskurs verschoben wurde, dass es offenbar kein Aufreger ist, einen FPÖ-Politiker einzuladen, der Fake News verbreitet, aber nur Rutter alleine als Scharfmacher dargestellt wird. Bezeichnend auch, dass Nowotny und Hörmann erst nach medialem Druck ihre Teilnahme zurückgenommen haben.

Sigrid Pilz, die im Publikumsrat des ORF Mitglied ist, hat im Programmausschuss die Einladung des Rechtsextremen scharf kritisiert. Die Reaktion war:

Der Generaldirektor verwies in seiner Antwort auf die Freiheit der Redaktion bei der Einladung der Gäste.

Mein persönliches Schreiben an das Publikumsservice NÖ wurde nicht kommentiert, sondern lediglich auf die Absage verwiesen.

Thomas Zimmer (Historiker und US-Experte) über die US-Demokraten, die den rechtsextremen Steve Bannon eingeladen haben, auf Bluesky:

„Mainstream actors and institutions should not platform or “debate” far-right politicians and activists who are never arguing in good faith and only seek to establish an aura of “respectability” for their extremist ideas. It can only ever help the extremists.“

Faktencheck

Die Pandemie brachte nicht nur die Intensivstationen an die Grenzen, sie verlangte allen Menschen in Österreich auch viel ab – von zahlreichen Einschränkungen wie Maskenpflicht und 3G-Regeln bis hin zu mehreren harten Lockdowns.

Es gab nur einen harten Lockdown – das war der erste Lockdown von Mitte März bis Ende April 2020. In dieser Zeit gab es Ausgangsbeschränkungen, aber keine -verbote. In dieser Zeit war ich selbst viel draußen und hab täglich so viele Menschen gesehen wie sonst nur an Feiertagen. Auch später, als die Ausgangsregeln deutlich gelockert wurden, strömten Massen ins Freie und in die Berge. Wirklich spürbar waren die Beschränkungen offenbar nur in den größeren Städten, während am Land mit dem eigenen Garten, dem Feld oder dem Wald dahinter, kaum einer wirklich eingesperrt war. Der zweite und die nachfolgenden Lockdowns sahen zahlreiche Ausnahmebestimmungen vor, sogar Skifahren war im Lockdown erlaubt und für die Vorweihnachtssaison war das Einkaufen ebenso erlaubt worden. Wirklich an die Grenzen gebracht wurden prekär arbeitende Menschen, für die es sehr, sehr schwierig war, ihre Kinder zuhause zu lassen, ebenso Pflegekräfte und Ärzte im Dauereinsatz und vor allem aber all jene Menschen, die durch die Pandemie Angehörige und Freunde verloren haben oder selbst schwer erkrankt sind mit bleibenden Schäden.

Echte „harte“ Lockdowns mit Ausgangssperren (sic!) gab es in den schwer betroffenen Ländern wie Italien oder Spanien, sowie in China.

Als die Impfpflicht schließlich verkündet wurde, setzte sich gleichzeitig die Omikron-Variante durch. Diese Variante hatte nur noch milde Verläufe zur Folge.

Das ist falsch. 2020 gab es 7859, im Omicron-Jahr 2022 waren es 8055 Todesfälle laut Statistik Austria. Mildere Verläufe gab es vor allem durch die Impfung und vorhergehende Infektionen, wie eine Studie zur Übersterblichkeit bei Delta und Omicron gezeigt hat (Faust et al. 2022).

Belegung der Normalbetten mit Schwellenwerten in den einzelnen Bundesländern, Stand 08.03.22

Mit der Durchseuchung im Spätwinter 2022 kollabierten die Normalstationen, in mehreren Bundesländern kam es zu Einschränkungen in der Regelversorgung, in der Steiermark war nurmehr Akutbetrieb gewährleistet und im Burgenland war man nahe Triage. Hinzu kamen die Ausfälle beim Personal selbst, nachdem die Schulen offen waren und sich viele über ihre Kinder infiziert haben.

Inzidenz und Todesfälle von März 2020 bis März 2022

In Neuseeland gab es dank hoher Impfrate kaum Todesfälle durch Omicron (BA.2), in Hong Kong stieg die Zahl der Todesfälle vor allem unter ungeimpften älteren Menschen dramatisch an.

Darüber hinaus diskutieren mit Werner Fetz unter anderem Virologe Norbert Nowotny, der Leiter der Intensivmedizin am Universitätsklinikum St. Pölten sowie Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Anästhesiologie, Reanimation und Intensivmedizin Christoph Hörmann, Aktivist und Gründer des Vereins für Impfopfer Martin Rutter sowie Rechtsanwalt Gottfried Forsthuber.

Rutter hat fünf Anti-Impfvereine gegründet, denen die NÖ-Landesregierung durch den Corona-Fonds Steuergeld hinterwirft, was auch der Rechnungshof kürzlich kritisiert hat.

Forsthuber ist 2022 aus der ÖVP ausgetreten (2024 in die FPÖ Baden eingetreten), nachdem er sämtliche Maßnahmen vor dem Verfassungsgerichtshof bekämpft hatte. In der Dok1 von Settele (2023) vertrat Forsthuber einen angeblichen Impfschaden (Faktencheck), der aber nach den Schilderungen in der Reportage höchstwahrscheinlich auf die Infektion selbst zurückführbar war. Sein Blog zur Pandemie bewegt sich außerhalb der wissenschaftlichen Realität.

Rechtsanwalt Forsthuber behauptete öffentlich, dass die Impfstoffe nicht klinisch (am Menschen) getestet worden wären und die Zulassung auf Labordaten beruhen würden. Baden et al. 2020 widerlegt diese Aussage für Moderna, Polack et al. 2020 für Pfizer. Es hat Phase I,II,III-Studien vor der Zulassung gegeben.

Nowotny wird allen Bloglesern noch ein Begriff sein.

Virologe Nowotnys Fehleinschätzungen in der Pandemie

Neben den leidlich treffsicheren Einschätzungen zur Pandemieentwicklung selbst war Nowotny ein klassischer „flatten the curve“-Vertreter, der im „Wien-Heute“-Interview im März 2021, sobald die 75+ (nicht 65+) Altersgruppe durchgeimpft wurde, höhere Infektionszahlen zulassen wollte – das erklärte er dem Moderator gut gelaunt mit einem Grinsen und Lachen. Wir wissen, dass die Pandemie zu diesem Zeitpunkt auch für ungeimpfte Menschen unter 75 Jahren noch gefährlich war.

Nowotny wird sicherlich (berechtigt) die Impfung verteidigen und wahrscheinlich vom milden Omicron reden, weswegen die Impfpflicht ein Fehler gewesen sein soll. Der Intensivmediziner wird die Impfung ebenfalls verteidigen, aber wer fehlt in dieser Runde? Pflegekräfte, LongCovid-Betroffene und -Spezialisten, und etwa Lehrer/Schülervertreter aus den Schulen. Wirklich unabhängig ist in Österreich ja niemand, hier aber stehen zwei Impfgegner und mutmaßliche Pandemieverharmloser gegen einen Veterinärarzt und einen Intensivarzt. Wer die Pandemie nicht so intensiv wie ich verfolgt hat (= die meisten anderen), wird nicht wissen, wie viel Blödsinn Nowotny in den Jahren verzapft hat.

Wie hat das Landesstudio Niederösterreich auf die Kritik an der Gästeauswahl reagiert?

Der Standard, 09. März 2025

Selbstkritik gibt es beim ORF nicht. Sämtliche wissenschaftliche Evidenz spricht gegen diese Vorgehensweise: Mit Verschwörungsideologen diskutiert man nicht, sondern man redet höchstens über sie mit Faktenchecks und Stärkung der wissenschaftsbasierten Standpunkte. Man redet ja auch nicht darüber, ob der Holocaust wirklich stattgefunden hat, mit Holocaustleugnern, oder mit Flat-Earthlern darüber, ob die Erde wirklich rund ist.

Am 18. März findet bereits die nächste Corona-Verharmlosungsrunde statt, dieses Mal mit FranzOhne PCR-Tests hätte es nach meinem Dafürhalten keine Pandemie gegebenAllerberger (Faktencheck 2020) und EvaVielen Danke, dass Sie das Leben in unserem schönen Land Österreich so wertschätzenSchernhammer (das war die Antwort auf eine sachliche E-Mail-Kritik nach einem ZiB2-Interview).

„Ich glaube, dass wir schon mit Ende dieses Jahres Herdenimmunität erreichen werden und die Pandemie zur Endemie mit bewältigbaren Infektionswellen wird – wie bei der Grippe“ (Presse, 14.08.21)

„Daran, dass die Intensivstationen in Österreichs Spitälern in den kommenden
Wochen und Monaten an ihre Grenzen stoßen könnten, glaubt sie aus
verschiedenen Gründen nicht mehr. Selbst dann, wenn es in der kalten
Jahreszeit noch einmal zu einem Aufwärtstrend kommen sollte.“
(Presse, 17.10.21)

Dagegen halten dürfen also TV-Arzt Meryn, der zumindest ein Interesse an LongCovid vorweisen kann und die Verschwörungsexpertin Brodnig aus nicht-medizinischer Perspektive.

Eine kluge Pandemie-Aufarbeitung findet so nicht statt – im Gegenteil: Falschaussagen werden wiederholt und in den Köpfen gefestigt. Nicht vergessen: Wir leben in einem Zeitalter, wo Fakten nichts mehr zählen und mit Meinung gleichgesetzt werden.