
Vielleicht gehe ich jetzt zu hart mit mir selbst ins Gericht. Vielleicht wirkt es wie ein Einknicken vor den politischen Verhältnissen, die sich gerade drehen. Vielleicht ist es aber auch nur Zufall, dass ich endlich darüber schreiben werde, was schon länger in mir nagt – mit dem Wunsch, endlich einen Schlussstrich ziehen zu können. Unterm Strich nehme ich nicht alles zurück, was ich die letzten Jahre geschrieben habe. Auch vom Podcast mit Virologe Drosten bleibt beinahe beiläufig ausgesprochen stehen, dass rund 6% der symptomatisch Infizierten Erwachsenen und rund 1% der symptomatisch infizierten Kinder Long Covid bis Ende 2023 entwickelt haben. Beim Poliovirus waren es 1%, die körperlich bleibende Schäden durch paralytisches Polio entwickelt haben. Polio stand auf der Agenda zur Ausrottung (mit den derzeitigen Impfstoffen nicht möglich). Ich schrieb viel über Aerosol-Übertragung, zu den manipulierten Angaben „freier Spitalsbetten“, zu den ominösen Haushaltsclustern und zur Durchseuchung der Kinder und Jugendlichen, um schneller Herdenimmunität zu erreichen. 1% haben die Absicht, Herdenimmunität über Infektion statt Impfung zu erreichen, mit ihrer Lebensqualität gebüßt. Es sind auch Kinder an Covid oder den Spätfolgen verstorben. Da gibt es selbstverständlich nichts zurückzunehmen. Sterblichkeit und Übersterblichkeit sprechen Bände.
Der innere Trieb in mir ist, wie auch im Blog „über mich“ erwähnt, „Wissen ermitteln und vermitteln“. Das mache ich seit über 20 Jahren inzwischen, begonnen mit einer Webseite über Wetter, dann über Innsbruck und den Föhn, über Autismus und das Klinefelter-Syndrom und jetzt war eben die Pandemie an der Reihe. Ich hab in vielen Fällen das Major Consensus Narrative hinterfragt, also damals gängige und breitenwirksame Theorien, und bin durch intensive Recherche in den Journalen und Anschreiben von Wissenschaftlern auf neue Erkenntnisse gestoßen, hab gleichzeitig auch diesen neue Denkanstöße gebracht. Ich wollte kein Aktivist sein und für eine bestimmte Ideologie stehen, sondern aufklären. Wissenschaftliche Inhalte verstehen lernen und relevante Informationen vermitteln – ohne den Anspruch zu erheben, dies künftig hauptberuflich zu machen, etwa wie Lars Fischer, Mai Thi Nguyen-Kim oder Kai Kupferschmidt, alles hochgeschätzte Wissenschaftsjournalisten, daneben gibt es noch eine Reihe weiterer, internationaler WissenschaftsjournalistInnen, durch die ich viel gelernt habe. Doch mir waren meist die Grenzen meiner Rolle bewusst, als jemand, der bereits einen Vollzeitjob hat und spezialisiert auf einen ganz anderen Fachbereich ist. Ich würde weder die Reichweite noch die Expertise in der Methodik haben, um ähnlich gute und wichtige Arbeit wie die Genannten leisten zu können.
Es gab eine Phase, vor allem mit der Übergangsphase und Ende der Pandemie ab 2023, wo ich meine Expertise zu überschätzen begann und zunehmend als Aktivist erschien. Ich hab mich zunehmend unglaubwürdig gemacht, indem ich mich nicht klar genug von „SARS-CoV2 ist airborne AIDS„, „Wir sind immer noch in der Pandemie„, „In fünf bis zehn Jahren haben alle Long Covid„, „Jede Infektion ist ein Risiko„, „Die hohen Infektionswellen sind Folge geschwächter Immunsysteme“ distanziert habe. „Sie verrennen sich da in etwas„, korrigierte mich Epidemiologe Zangerle damals und zuerst wollte ich das nicht wahrhaben, aber mit fortschreitender Zeit habe ich erkannt, dass er Recht hatte. Zum Punkt der Infektionswellen durch andere Infektionserreger werde ich an anderer Stelle noch etwas schreiben, bzw. mein Kapitel über das Immunsystem komplett überarbeiten.
So wie es oft heißt, jetzt haben wir 9 Millionen Fußballtrainer, Ukraine-Experten oder eben auch Virologen, so wenig ist jeder in der Lage, ein guter Citizen Journalist zu sein. Ich denke, mein Weg war ebenfalls mit vielen Irrtümern gepflastert und ist es immer noch. Die Frage ist vielmehr, wie man mit Irrtümern umgeht. Ob man sie still und heimlich unter den Tisch kehrt und einfach seine Meinung ändert.
„Wenn du nicht mindestens einmal deine Meinung über das Thema geändert hast, hast du schlecht recherchiert,“ (Lars Fischer in seiner Anleitung zur Forschungsrecherche, 2010)
In den letzten Jahren gab es zahlreiche Fallen, die einem als Laien vielleicht nicht bewusst sein, die aber in der seriösen Wissenschaft gelehrt werden: Der Bias, also die Verzerrung bei der Interpretation von Daten. Eine zentrale Rolle spielte dabei der Confirmation Bias, also die Tendenz, Informationen zu bevorzugen, die eigene Ansichten bestätigen oder verstärken. Das zeigte sich vor allem im Cherrypicking bestimmter Studien, während Studien mit gegenteiligen Aussagen ignoriert oder abgewertet wurden. Drosten ist im obigen Podcast da sehr klar: In der Wissenschaft geht es nicht um Meinungen, sondern darum, wie man Datensätze interpretiert. Je mehr Studien zu einem Thema erscheinen, desto mehr wird man früher oder später zu einem Konsensus kommen (z.B. über Meta-Analysis und Systematic Review), doch selbst dieser kann mit neuen Daten wieder infrage gestellt werden. „Team Vorsicht*“ oder „Team Zero Covid**“, wie sie oft abwertend bezeichnet werden, haben in meinen Augen oft Rosinen gepickt bei der Auswahl der Studien, die ihre Sichtweise bestätigen und zu wenig Graustufen zugelassen, insbesondere ließ man gerne Limitationen unter den Tisch fallen, die aber im „Discussion“-Teil jedes seriösen Papers besprochen werden. Es reicht eben nicht, nur den Abstract und die Conclusions zu lesen und mit viel Reichweite zu verbreiten.
* Vorsicht ist nichts Schlechtes. Better safe than sorry wäre über weite Teile der Pandemie der vernünftigere Weg gewesen, speziell was Kinder und Jugendliche betrifft. Das meinte Drosten mit „Das Experiment sei noch einmal gut gegangen.“ Er hatte immer für die Impfung statt Infektion plädiert und die StiKo hätte den einmaligen Booster für alle Kinder empfehlen sollen, bevor die Schutzmaßnahmen alle gefallen sind. Für über 90% der Kinder ist je nach Definition von Long Covid das Experiment gut ausgegangen, wobei wir über Langzeitfolgen erst in einigen Jahren Bescheid wissen – also ein voreiliger Schlussstrich?
**Zero Covid hat in Neuseeland und Australien funktioniert. Sie haben die Bevölkerung gut durchgeimpft, bevor die Schutzmaßnahmen aufgehoben wurden. Auch dort wurden Long Covid Fälle nicht verhindert, aber auf Bevölkerungsebene war ihre Krankheitslast durch Covid niedriger als in den Ländern mit „Flatten the Curve„-Ansatz. Zero Covid hätte auch in China funktioniert, wenn es sich nicht um eine Diktatur gehandelt hätte – klingt paradox, aber viele Maßnahmen wie medienwirksam Gehsteige und Straßen mit Tonnen Desinfektionsmittel reinigen, waren sinnlos. FFP2-Masken wären effektiver als OP-Masken gewesen und die Impfraten besonders der älteren Menschen waren zu niedrig, als Zero Covid aufgegeben wurde. In einer Demokratie hätte wissenschaftlicher Fortschritt eher zur Einbindung neuer Erkenntnisse führen können statt das Diktatur-Playbook zu spielen. [Exkurs Ende]
Ein weiterer prominenter Bias ist der Selection Bias, also die Verzerrung der Stichproben, in dem man keine repräsentative Auswahl betrachtet. So wird ein Intensivmediziner eine ganz andere Patientengruppe sehen als ein LongCovid-Spezialist. Für viele Intensivmediziner war die Pandemie bereits im Frühling 2022 vorbei, als mit steigender Bevölkerungsimmunität durch Impfung und Infektion die Zahl der Intensivpatienten deutlich gesunken ist. Die Omicron-Variante war weniger gefährlich als Delta und Alpha zuvor, aber ähnlich gefährlich wie der Wildtyp – bei Ungeimpften. Es starben dennoch 2022 in Österreich ähnlich viele Menschen wie 2020 – weil Omicron deutlich ansteckender war und sich von den 35% Ungeimpften vor den Omicron-Wellen viele infiziert haben. War Omicron also harmlos? Nein, denn gestorben wurde schon von Beginn an meist auf den Normalstationen oder alleine zuhause. Hochbetagte Menschen kamen ohnehin meist nicht mehr auf die Intensivstation. Long Covid Spezialisten wiederum sehen meist chronisch kranke, mehrfach vorerkrankte Menschen, bei denen die Infektion erstmalig Autoimmunerkrankungen ausgelöst oder bestehende Erkrankungen verstärkt hat. Der Durchschnittspatient, der durch Covid ein paar Tage grippale Symptome hat, dann aber wieder fit ist, landet nicht beim Spezialisten, ja möglicherweise nicht einmal beim Hausarzt, oder letzterer schreibt nur eine Krankmeldung und das wars. Die Untergruppe an Long Covid-Patienten ist also nicht repräsentativ für den Durchschnittsverlauf einer Corona-Erkrankung. Das waren immer rund 80-90% aller Infektionen – eine überwältigende Mehrheit. Statistik trügt – objektiv betrachtet sind 1-10% schwere Verläufe und Spätfolgen natürlich viel und nicht wenig. Der volkswirtschaftliche Schaden durch die hohe Krankheitslast ist mehrfach belegt und in zahlreichen Ländern repliziert worden. 10% sind aber nicht die Mehrheit, darum geht es.
In unserer Echokammer (filter bubble) werden die 10% aber zu einer Mehrheit aufgeblasen, als hätten alle um uns herum Long Covid, viele würden es nur nicht wissen. Das ist jedoch Spekulation. Es ist zweifellos ein Unbehagen da, weil kaum noch getestet wird, es gibt also ein Restrisiko, dass die Long Covid Zahlen viel höher sind als derzeit angenommen. Es könnte aber auch umgekehrt sein, dass die viel zitierte Immunität, die zumindest vor schweren Verläufen und Tod schützt, auch das Long Covid Risiko verringert hat. Und dann wäre dieser Unsicherheitsfaktor kleiner als angenommen. Die Bandbreite der Spekulation, wie hoch das Longcovid-Risiko fünf Jahre nach Pandemiebeginn noch ist, reicht vom Epidemiologe Gideon M-K (06.01.25), der zunächst klarstellt, dass ….
„There is no disease that we have discovered where an infection is good for your health.“
… aber auch anhand von Daten festmacht, dass das Risiko schwerer Verläufe bei Kindern unter 10 Jahren etwa in der Größenordnung saisonaler Influenza war und mittlerweile deutlich geringer als von Influenza ist. Zu Long Covid hält er fest, dass die Schwere des Akutverlaufs mit dem Long Covid-Risiko korreliert. Nur ein kleiner Teil jener mit „milden“ Anfangsverläufen entwickelte später Long Covid (ist in den Medien aber überpräsentiert), genauer gesagt rund 3% (Atchison et al. 2024). Bei Kindern sind es noch weniger (Mizrahi et al. 2023, Bosworth et al. 2023). Deshalb haben Kinder hier generell ein geringeres Risiko, da sie bereits ein geringeres Risiko für schwere Verläufe haben, und wenn sie geimpft wurden, wird das geringe Risiko noch geringer. Gering heißt nicht Null. Bei Behinderungen kommt es auf die Art der Behinderung an. Organtransplantation bedeutet ein hohes Risiko, eine fehlende Milz nicht (Williamson et al. 2020). Bei Reinfektionen sieht er mit steigender Immunität ein sinkendes Risiko (hierzu gibt es aber zumindest widersprüchliche Studienergebnisse). Spannend ist vielleicht die Frage, ob die regelmäßige Infektion mit humanen Coronaviren (Thoisy et al. 2023) auch bei Kindern Kreuzimmunität gegen SARS-CoV2 erzeugen könnte oder bereits hat – das würde ebenfalls zum sinkenden Risiko beitragen (Bean et al. 2024).
bis zu Danilo Buosenso, römischer Kinderarzt, der über seine Erfahrungen mit Long Covid bei Kindern ein Buch geschrieben hat. Er sagt, dass er hunderte Kinder auf der ganzen Welt gesehen habe, die nie wieder gesund wurden. Jedes Kind ist eines zu viel, doch sind seine Assagen kein Widerspruch zu MK Gideon. Niedrige Prozentanteile sind ja trotzdem Millionen Betroffene weltweit.
Beide Beiträge sind ein gutes Beispiel für den oben zitierten Selection Bias, aber auch für die allseits beliebten ad hominem Angriffe. Gideon erwähnt selbst, dass er für seine Sichtweise, dass er wegen Covid19 nicht mehr besonders besorgt sei, als Mörder beschimpft wurde, der sozusagen vulnerable Kinder über die Klinge springen lassen würde.
Ich glaube, eines der großen Missverständnisse resultiert auch aus den beruflichen Anfordernissen an einen Epidemiologen versus einen Kinderarzt. Der Epidemiologe betrachtet die Gesamtheit, während der Arzt den individuellen Fall behandelt. Man könnte dem Epidemiologen nun vorwerfen, er sei empathielos, wenn er davon spricht, dass für seine gesunde Tochter Covid keine große Gefahr mehr sein würde, aber er selbst spricht sich auch dafür aus, mehr in Schutzmaßnahmen zu investieren, oder mehr zu impfen. Beides schließt einander nicht aus. Die Pandemie hat leider allzu oft die wahre Sichtweise der Mehrheitsbevölkerung auf Krankheit und Behinderung offengelegt. Bequemlichkeit und „Freiheit“ vor der Unversehrheit von Dritten. Statt hier nachzujustieren läuft die Pandemieaufarbeitung oft in die Gegenrichtung, sodass bei der nächsten Pandemie noch mehr sterben werden, damit sich die Mehrheit möglichst wenig einschränken muss. Doch das ist ein anderes Thema, das ich an anderer Stelle betrachten möchte.
Audience capture is a disease
Ich möchte hier über mich reden, aber auch Ross und Reiter nennen, um nicht alle über einen Kamm zu scheren. Zu Pandemiebeginn hab ich mit Sprenger und Allerberger sympathisiert, die das Risiko, sich draußen anzustecken, als zu Unrecht kriminalisiert sahen. Diese Zustimmung hatte als vorderste Ursache, dass ich als Bewohner mit Nähe zu einem der geschlossenen Bundesgärten mich tatsächlich eingesperrt fühlte. Außerdem durfte ich zwar mit öffentlichen Verkehrsmitteln in die Arbeit, aber nicht alleine in den Wald oder in die Berge fahren, wodurch ich klar benachteiligt gegenüber allen Autofahrern war. Spätestens mit der Maskenpflicht hätte man diese Regelung kübeln sollen. Ich hab meine eigene Great-Barrington-Declaration-Sichtweise „nur Vulnerable sind gefährdet“ aber bald aufgegeben, spätestens mit der erlangten Kenntnis von Long Covid.
Über viele Monate habe ich viel vom Krankenschwester-Ausbilder Dr. John Campbell gelernt, der aber auch viel Blödsinn über Vitamin D geredet hat und später aus seinem Youtube-Kanal einen Fankanal gemacht hat und dann unter die Verharmloser ging. Ich bin einem Paul Maidowski ebenso gefolgt wie einem anonymen mrmickme, die gelehrig klingenden Schwachsinn über Virusvarianten schrieben, bis sie von Ryan Hisner, der tatsächlich als Co-Autor an wissenschaftlichen Artikeln über Virusvarianten beteiligt wurde, entlarvt wurden. Ihre Aussagen hielten immer einen gewissen Alarmismus aufrecht über neue gefährliche Varianten, die sich aber meist als Luftblase entpuppten. Selbst die große JN.1-Welle, die nachweislich Übersterblichkeit in Österreich erzeugt hat, hat weniger schwere Verläufe als Delta hervorgebracht. Die Richtung stimmte also, die Verharmlosung und Ignoranz natürlich nicht. Ich bin TeamVorsicht-Usern gefolgt, die mir plötzlich durch ad hominem Attacken etwa auf Virologin Eckerle auffielen, weil sie einmal keine Maske getragen hatte auf einem Vortrag oder auch von Pandemie in der Vergangenheitsform sprach. Das machte mich zunehmend hellhörig.
Zu Beginn von 2023 lehnte ich mich ein paar Mal weit aus dem Fenster, als ich eine große XBB.1.16-Welle kommen sah, die dann nicht kam. Mein Blogtext wurde 1:1 als Thread von Ralf Wittenbrink auf X kopiert. Nachträglich korrigieren konnte ich nichts mehr. Seine große Followerzahl multiplierte die Reichweite beträchtlich, was mir später sehr unangenehm war. Wittenbrink ist bei TeamVorsicht sehr beliebt, weil er laufend Fachartikel durch ein Übersetzungsprogramm laufen lässt und dann Passagen davon in lange X oder Bluesky-Threads kopiert. Der Discussion-Teil mit den Limitationen fehlt dabei aber ebenso oft wie eine Information zu seinem fachlichen Hintergrund, der offenbar nicht existiert. Ich sehe die Übersetzungsorgie mittlerweile sehr kritisch, weil dem Leser wichtige Informationen zu den Grenzen und Unsicherheiten der Publikationen vorenthalten werden, die er selbst offenbar auch gar nicht einordnen kann. Seine Follower verbreiteten die übersetzten Passagen dann weiter als sei alles, was man übersetzt, automatisch richtig. Am Anfang fühlte ich mich zugegeben gebauchpinselt, dass er meine Beiträge verbreitet hat, doch wenn ich wie ein Citizen Science Journalist arbeiten wollte, so war Widerspruch mit Daten und Argumenten wichtiger, um sicherzugehen, dass das, was ich da blogge, auch kein biasverzerrter Bullshit ist.
Ich hab mich aufstacheln lassen gegen nahestehende Menschen, weil sie nicht immer und überall Maske getragen haben. Oder sogar, wenn sie überall Maske trugen, aber ständig unterwegs waren, wurde das kritisiert, von jenen, die aufgrund eigener Vorbelastung nicht ständig unterwegs sein konnten. Statt öffentliches Bashing hätte ein persönliches Gespräch an erster Stelle stehen sollen. Auch in Zeiten von Kontaktbeschränkungen stehen Mittel wie WhatsApp oder DMs offen. Das hat eine Gruppendynamik entwickelt, die mir heute leid tut. Ich schien anfällig für Manipulationen, um instrumentalisiert zu werden. Der vorläufige Höhepunkt war in der ersten Hälfte 2023, als eine mutmaßlich histrionisch veranlagte Frau meinen Blog benutzte, um mich auszunutzen. Hellhörig wurde ich dann, als sie immer wieder kritisierte, wie wenig ich von Hand- und Augenhygiene hielt, dabei hatte ich auf meinem Blog schon lange klargestellt, dass Lufthygiene Covid verhinderte und nicht Maßnahmen gegen Schmierinfektion. Das passte nicht zusammen als angebliches Fangirl meiner Aufklärungsarbeit. Auch vom exzessiven Gebrauch von Nasenspray und Co hielt ich nichts. In manchen Situationen benutze ich mobile Luftreiniger oder das CO2-Messgerät, um zu lüften. Sonst gelegentlich Masken, aber weit weniger als vor 2 Jahren. Ich verwende schon länger kein Nasenspray mehr. Soll jeder das machen, was er für richtig hält, aber bitte nicht auf mich beziehen – ich habe im Zuge der Recherchen meine Ansicht zum Nutzen derartiger Mittel immer wieder geändert, und so steht das auch im Blog.
Ich wurde zu einer Ikone der Aufklärung hochstilisiert, doch war ich das wirklich? Mein fachlicher Hintergrund ist klar weder medizinisch noch virologisch. Ich bin streng genommen auch kein Wissenschaftler, sondern Berufsmeteorologe. Ich stehe in keinem Labor und messe statistische Korrelationen von virusbeladenen Aerosolen. Ich bin letztendlich nur ein neugieriger Mensch, der sich gerne in naturwissenschaftliche Bereiche vorwagt und das Erlernte mit anderen teilen möchte. Ich bin aber nicht fehlerlos und ich verfolge keine Agenda, die Welt künftig viren- und bakterienfrei zu machen. Ich habe lange daran festgehalten, Risikosituationen zu vermeiden, viel Maske zu tragen und mein berufliches Umfeld zu nerven, bis mein Engagement abgedreht wurde.
Ab einem Punkt musste auch ich, als Teil der Gesellschaft, entscheiden, ob ich als Einsiedler weiterleben oder mich wieder in die Gesellschaft einfügen will – im Wissen, Infektionen verhindern zu können, wenn ich das aktiv wollte, aber auch gesellschaftliche Zusammenkünfte nicht auf ewig auszuschlagen. Gegen nicht impfbare Erreger kann sich niemand auf ewig schützen. Das war das vielzitierte Lebensrisiko. Ich hab mich entschieden, dieses Risiko wieder einzugehen wie vor der Pandemie, aber gegen impfbare Krankheiten zu impfen und Hochrisikosituationen in der Zahl zu beschränken. Sich wieder einzufügen bedeutet ja nicht, dass man die Fehler machen muss, die man vor der Pandemie gemacht hat: Krank unter Menschen gehen. Stattdessen könnte man wenn möglich daheim bleiben oder zumindest bei ersten Symptomen eine Maske aufsetzen. So verhindert man die Gefährdung Dritter. Denn selbst wenn Dein Gegenüber kerngesund ist, könnte es sich auch um eine pflegende Angehörige handeln. Oder jemand in der Familie steht gerade vor einer großen OP.
Ich hab in meinem Menüpunkt Erratum schon viel über persönliche Irrtümer geschrieben. In den letzten Wochen habe ich begonnen, meine vorurteilsbehaftete Brille abzulegen, um jene Wissenschaftler zu lesen, die keine Agenda verfolgen, wie etwa ein Virologe Streeck, der für die CDU kandidiert, aber vermeintlich umstrittene Aussagen treffen: Alasdair Munro, Marc Veldhoen, Edward Nirenberg – um ein paar Namen zu nennen, deren bloße Erwähnung in TeamVorsicht-Kreisen oft schon ad hominem Abwehrreaktionen auslöst. Auch Marc Hanefeld, ein Arzt und Pilot, dem ich schon seit Jahren folge, ist mittlerweile in Ungnade gefallen. Zugegeben, Veldhoen scheint etwas dünnhäutig und hat mich bereits geblockt, ohne dass ich ihn persönlich attackierte, was schade ist, weil seine immunologischen Erklärungen fand ich sehr lehrreich. Der Punkt ist aber der, und das betrachte ich als Stärke – an möglicherweise unangemessener Wortwahl vorbeizusehen – und nur die Daten selbst zu betrachten. Ist das plausibel? Wird das nur andere Studien gestützt? Was zeigen die Erfahrungen mit Beobachtungsdaten? Gibt es da Interpretationsspielraum? Sich darauf einzulassen, bedeutet nicht, meine bisherige Position vollkommen aufzugeben. Ich sag deswegen nicht, dass es ein Fehler war, Schulen zu schließen. Oder dass Kinder nie gefährdet gewesen wären. Ich suche nach den Graustufen ebenso wie „die andere Seite“ verlangt, dass die Diskussion über „Schulen auf oder zu“ hinausgehen muss.
Ich hab zu Beginn 2024 darüber gebloggt bzw. einen Beitrag übersetzt, dass die Welt einem kollektiven Pandemietrauma anheim gefallen sei, und deswegen verleugnet würde. Das Trauma würde immer noch andauern. Doch Fakt ist, dass die Mehrheitsbevölkerung einfach schon viel früher mit der Pandemie abgeschlossen hat. Sozial abgeschlossen hat mit Ende der Maßnahmen, ihrem Alltag nachgeht. Mit gestiegener Krankheitslast alleine durch zusätzliches Covid zwar, was sich an allen Ecken und Enden bemerkbar macht, wenn wieder einmal Personal fehlt, aber man hat diesen Zustand akzeptiert – ob uns das gefällt oder nicht. Wir haben das (noch) nicht akzeptiert. Die Frage ist, wer hier mehr unter einem Trauma leidet. Hier macht sich jedoch abermals der Selection Bias bemerkbar, denn es ist ja völlig klar und nachvollziehbar, dass für eine Person mit Long Covid die Pandemie nicht beendet ist, und dass sie vielfach im Stich gelassen wurde, als die Mehrheit entschied, weiterzumachen als sei nie eine Pandemie gewesen. Ich kann diese Sichtweise aus dem eigenen Leidensdruck heraus aber nicht der Allgemeinbevölkerung überstülpen. So wird man wahrscheinlich auch kein Verständnis generieren, indem man allen vorwirft, sie seien traumatisiert und brauchen Hilfe.
Ich erinnere mich an eine Reaktion von Virologe Bergthaler 2022 oder 2023, die die heftigen Reaktionen auf seine Aussagen über Immunität und gesunkene Risiken mit denen der Impfgegner verglich. Lange Zeit habe ich diesen Vergleich, zugespitzt diese Gleichsetzung von TeamVorsicht mit TeamArschloch abgelehnt, mich dagegen gewehrt. Ich hab gekontert, dass wir Leben retten wollen, die anderen hingegen Leben zerstören. Doch es steckt ein Körnchen Wahrheit darin. Denn Teile von TeamVorsicht haben die Aussagen über „breite Immunisierung“ absichtlich missverstanden, und – ehrlich gesagt, hatten sie auch keine Ahnung von Immunologie, von T- und B-Zellen, Affinitätsreifung etc. Auch Journalisten haben diesbezügliche Aussagen oft missverstanden und es wurde vieles vermischt und vermengt, was nicht zusammengehört. Die Schleimhautimmunität scheint nicht so beständig wie etwa von Virologe Drosten erhofft und die „exzellente Immunität“ wie vor der JN.1-Welle von Virologin von Laer tituliert, führte dennoch zu 20% Übersterblichkeit.
Ich bin auch jetzt kein Immunologe geworden, aber ich habe gelernt, dass sich diese oft zitierte Bevölkerungsimmunität vor allem darauf bezieht, was ein Lehrbuchvirus ausmacht – dass die Immunantwort immer weiter verbreitert wird, sodass schwere Verläufe und Todesfälle seltener werden. Long Covid war nie Gegenstand dieser Betrachtung – etwas, das ich oft kritisiert habe, und diese Kritik auch beibehalte. Doch der Punkt ist, dass die Bevölkerung nun drei, vier Jahre nach Pandemiebeginn nicht mehr immun-naiv war. Eine neue Virusvariante hieß nicht, dass es sich um ein neuartiges Virus mehr handelt. Das beste Beispiel dafür war die Wirksamkeit der Wildtyp-Impfung gegen Omicron, oder der spezifischen XBB.1.5-Impfung gegen JN.1. Die Impfstoffe wurden nicht nutzlos durch neue Varianten, nur weniger wirksam gegen Ansteckung und etwas weniger wirksam gegen schwere Verläufe, meist bei älteren und immungeschwächten Menschen.
Die aktuelle Situation ist glücklicherweise nicht mehr so akut bedrohlich wie 2020. Der Zugang zu Impfstoffen und Medikamenten ist jedoch erschwert, das kann man anprangern, und Schutzmaßnahmen sind in Spitälern und Wartezimmern gefallen, wo man sie dauerhaft hätte implementieren müssen. Über die mangelnde Versorgung und Schutz von Betroffenen mit Long Covid und generell postakuten Infektionssyndromen (PAIS) habe ich schon oft geschrieben. Auch diese Sichtweise gebe ich im Licht dieser Selbstkritik nicht auf. Ich appelliere nur daran zu akzeptieren, dass es diese Graustufen gerade in der Wissenschaft gibt, und das ist auch gut so. Sonst könnte jemand eine Studie veröffentlichen, dass täglicher Nikotinkonsum gesund sei und es würden sofort entsprechende Gesundheitsempfehlungen ausgegeben.