@zeitfernes Visualisierung der Abwasserwerte von Österreich seit 2021

Bitte, lasst euch nichts einreden. Es hat nichts mit der Jahreszeit zu tun, ob sich bei SARS-CoV2 Wellen ausbilden. Die Höhe einer bereits vorhandenen Welle wird sich im Winterhalbjahr eher zu Rekordhöhen schwingen als im Sommer, aber deswegen herrscht in der warmen Jahreszeit noch lange keine Entspannung.

Die Abwasserwerte sind seit April im Steigen. Der Sommer 2024 war bisher in Österreich ein Rekordsommer. In zahlreichen Landeshauptstädten wurden Rekorde bei der Anzahl der Tropennächte, der Dauer von Hitzewellen, der Anzahl der Hitzetage gebrochen. In Wien sind es die wenigsten Regentage seit 120 Jahren. Und die Serie ist noch nicht zu Ende. Der mittelfristige Ausblick zeigt eine Fortsetzung von Sommer- und Hitzetagen in Wien und in ganz Österreich bleibt es im Schnitt warm mit eher sommerlicher Gewitterneigung.

Aufrechterhaltene Narrative im Standard

Auch wenn die Wetterprognose für die kommenden Tage und Wochen noch sommerliche Temperaturen meldet – am Abend und in der Nacht merkt man es dann doch schon: Langsam beginnt es zu herbsteln. Und das bedeutet auch: Das Corona-Infektionsgeschehen wird sich wieder verschärfen. Fachleute erwarten ebenso wie in vergangenen Jahren eine Herbstwelle. Alles, was Sie dazu wissen müssen:

Magdalena Pötsch, Derstandard, 26. August 2024

Solche Aussagen lassen mich dann eher ratlos zurück. Der Teaser suggeriert, dass es nie eine Sommerwelle gegeben hätte, geschweige denn wird deutlich, dass die Sommerwelle nahtlos in die Herbstwelle übergehen wird – was zu erwarten ist, wenn man sich die aktuellen Abwasserwerte anschaut. Man gewinnt den Eindruck, dass wieder gegen jede Logik das Narrativ der jährlichen Herbstwelle aufrechterhalten werden soll, und dazu passend das aktuelle Impfangebot. Zu blöd, dass sich Corona nicht an die Spielregeln der Gesundheitsminister hält und dann mit Wellen stärker zirkuliert, wenn sich neue Varianten durchsetzen. Um die zwei bis drei Wellen im Jahr gut abzudecken, bräuchte man aber entweder einen halbjährlich angepassten Impfstoff, eine Impfaktion zwei Mal im Jahr oder einen Schleimhautimpfstoff, der wenigstens ein Jahr lang Schutz vor Infektion bietet. Nachdem nichts davon in absehbarer Zeit kommt und die Regierungen mit dem status quo leben können – und müssen, weil sie den Rechtsextremen nicht Paroli bieten wollen, wird also auch von den Medien weiter von der jährlichen Herbstwelle gesponnen und dabei außen vor gelassen, dass sich im Sommer der Lebensfreude zahlreiche Familien angesteckt haben, entweder vor, während oder nach dem Urlaub.

Umweltmediziner Hutter sagt zutreffend, dass die steigenden Infektionszahlen mit der starken Reisetätigkeit zu tun haben, dazu kämen Großveranstaltungen und bei sinkenden Temperaturen würde man sich vermehrt in Innenräumen aufhalten.

Dementsprechend werden die Zahlen heuer etwas früher steigen.“ , sagt Molekularbiologe Elling – doch ein Blick auf die Abwasserwerte zeigt, dass sie schon seit Monaten steigen. Vielleicht bin ich aber auch schasaugert.

Insofern sei zwar keine Panik, aber etwas Achtsamkeit angesagt, findet Hutter, denn: „Das Coronavirus kann immer noch, vor allem bei Risikopersonen, zu Krankenhausaufenthalten führen.“

Wann ist denn je Panik angesagt? Warum müssen wir im voraueilender Furcht und Unterwürfigkeit gegenüber den lautstärken Coronaverharmlosern immer deren Narrative thematisieren? Es braucht nicht nur Achtsamkeit, sondern konkret abgeleitete Handlungen: Bei Symptomen testen, zuhause bleiben, Abstand halten, Maske tragen. Longcovid wird im Artikel leider nicht erwähnt, wieder eine vergebene Chance. Frauen sind häufiger betroffen als Männer.

DerStandard berichtet erst von der Untervariante XEC, dass diese in Deutschland bereits rund 10-20% des Infektionsgeschehens ausmachen würde und wahrscheinlich auch im Winter bei uns dominant werden würde.

„Laut WHO gilt derzeit auch keine Variante als „variant of concern“, also „besorgniserregend“.

Das war schon länger nicht der Fall, hier die Kriterien für eine VOC:

  • genetische Veränderung, die Übertragbarkeit, Immun Escape und therapeutische Intervention beeinflussen
  • nachgewiesener Wachstumsvorteil in mindestens einer WHO-Region (Afrika, Amerika, Südostasien, Europa, östliche Mittelmeerregion, Westpazifik)
  • zusätzlich mindestens eine weitere Änderung, wie schwerere Verläufe, erhebliche Überlastung der Gesundheitssysteme, dadurch Gegenmaßnahmen der Öffentlichen Gesundheit erforderlich, oder deutliche Abnahme der Impfwirksamkeit verfügbarer Impfstoffe gegen schwere Verläufe

Für KP.3-Varianten gilt z.B. dass der monoklonale Antikörper Pemivibart weniger effekt ist (Wang et al. 2024 preprint), aber Zunahme schwerer Verläufe ließe sich gar nicht mehr erfassen, weil es vielerorts keine Meldepflicht oder nurmehr erschwerten Zugang an Tests gibt. Was man nicht erfassen kann, existiert also nicht.

Ich sehe jetzt zwar auch keine Tendenz zu schwereren Akutverläufen, aber würde das nicht daran festmachen, dass die WHO keine VOC mehr vergeben will. Denn das hätte schwerwiegende innenpolitische Konsequenzen. Pandemie-Ende, Abschaffung der Meldepflicht und aller Maßnahmen baute auf dem best-case-Szenario auf, dass keine neue schwerwiegendere Variante (VOC) auftreten würde, sondern wir ewig bei Omicron bleiben. Wenn die WHO nun von Pi sprechen würde, wäre das Narrativ der Regierung, dass wir weiterhin so harmlose Erkrankungen wie bei allen anderen Omicron-Varianten hätten, fürn Hugo.

Die anstehende Infektionswelle entsteht also aufgrund der kälteren Jahreszeit und nicht wegen neuer Varianten, die sich unkontrolliert ausbreiten.“

Der Satz ist Unsinn. Wenn XEC im Winter dominant wird, was Elling weiter oben nicht ausschließt, dann hat die Variante natürlich einen Wachstumsvorteil. Wahrscheinlicher ist aber, dass KP.3.1.1 oder XEC weitere vorteilhafte Mutationen aufsammeln werden, und die dann die Welle weiter strecken und das Absinken verzögern können. Außerdem: Wann hätten sich jemals in der Pandemie Varianten kontrolliert ausgebreitet? Zuletzt die Delta-Welle im vierten Lockdown, außerhalb der Kontaktbeschränkungen hatten und haben wir wiederholt exponentielles Wachstum und keinerlei Bremsklötze durch Präventionsmaßnahmen mehr. Die Infektionswelle entsteht aber nicht wegen der kälteren Jahreszeit, WEIL SIE BEREITS IN DER WÄRMEREN JAHRESZEIT ENTSTANDEN IST, HIMMEL NOCHMAL.

Abwasserkurven sagen mehr als tausend Worte

Hutter empfiehlt dankenswerterweise allen die Booster-Impfung, nicht nur Risikogruppen.

Weil die Infektionszahlen heuer etwas früher und rascher ansteigen als vergangenes Jahr, sollte man sich schon jetzt, also noch vor der großen Herbstwelle, um einen Impftermin kümmern„, sagt Elling.

Für viele tausend Menschen kommt dieser Impftermin bereits zu spät, weil sie sich in den letzten Monaten angesteckt haben. Warum ignorieren wir diese Krankheitswelle zur Ferien- und Urlaubszeit immer wieder? Es ist schließlich kein Spaß für Familien, die seit einem Jahr auf diese Zeit warten, um dann enttäuscht zu werden und mit Fieber im Bett zu liegen.

Das große Thema Prävention, was verhindern könnte, dass sich in der kälteren Jahreszeit von Gott gegeben, große Infektionswellen abspielen, wird nicht erwähnt bzw. erschöpft sich mit der Impfung. Das geht sich rein zeitlich für viele nicht mehr aus bis Schulbeginn, um die 10-14 Tage Pufferzeit zu haben, bis der Impfschutz voll da ist. In den USA wurde übrigens KP.2-Impfstoff zugelassen, bei uns nur JN.1-Impfstoff. Besser als nichts, ich hab mich damit selbst kürzlich aufgefrischt, aber ich hätte natürlich KP.2-Impfstoff bevorzugt, weil er die entscheidende F456L-Mutation abdeckt, die in allen derzeit zirkulierenden Varianten enthalten ist. Der angepasste Novavax ist immer noch nicht zugelassen, weil der FDA „Zusatzinformationen“ fehlen, vor Mitte September wird da wohl nichts passieren. Schlecht für alle, die mRNA nicht gut vertragen und lieber einen Protein-Impfstoff genommen hätten.

Ganz unabhängig vom Thema Corona:

Der One-Health-Approach heißt für mich auch, ich betrachte nicht Corona isoliert im Vakuum, sondern auch die anderen bakteriellen/viralen Wellen, die derzeit für hohe Krankheitslast sorgen (im Sommer!). Prävention fehlt leider auch für Keuchhusten (bereits über 10000 Fälle dieses Jahr in Österreich!) und für andere Viren.

Enteroviren, die die klassische Sommergrippe verursachen, zirkulieren nach dem letzten Update vom 24. August 2024 von Virologin Judith Aberle (Zentrum Virologie Wien) übrigens mit rund 6% Anteil der viruspositiven Sentinelproben, aber die klare Mehrheit ist weiterhin SARS-CoV2.

Meine Schätzung für die kommenden Wochen:

Die Sommerwelle steigt weiterhin, insbesondere auch, weil die sommerlichen Höchstwerte erhalten bleiben, und zwar noch bis weit in den September. Mit Schulbeginn dürfte sich das nicht ändern, weil auch im fünften Jahr Corona keine Schutzmaßnahmen für KINDER ergriffen werden. Kinder werden nur geschützt, wenn genügend Erwachsene sterben, weil dann plötzlich klar ist, dass Kinder das Virus über die Haushaltsangehörige weitergeben können. Sterben keine Erwachsenen – oder wissen wir das nicht mehr, weil es keine Meldepflicht gibt -, kann man Kinder frisch und fröhlich durchseuchen. Das ist und bleibt der Skandal.

Im September wird sicher nichts mehr passieren – weder eine dezidierte Impfkampagne, noch irgendwas Substanzielles zum Referenzzentrum für MECFS-Betroffene, noch Empfehlungen, wieder eine Maske aufzusetzen – weil am 29. September in Österreich eine neue Regierung gewählt wird und bereits alle Chefredakteure vor der FPÖ kuschen oder, wie die Falter-Blattlinie gezeigt hat, selbst von überzogenen Maßnahmen sprechen und den Schwedischen Weg von Beginn an glorifiziert haben.

Am wahrscheinlichsten halte ich das Szenario, dass die derzeit zirkulierenden Varianten weitere vorteilhafte Mutationen aufgabeln und das geht halt endlos so weiter mit endemischen SARS-CoV2. Zusätzlich dazu gibt es im Herbst wieder eine RSV-Welle, dann eine wahrscheinlich starke Influenzawelle, nachdem es bereits im Sommer mehr aus Reiseaktivitäten eingeschleppte Influenzafälle gegeben hat als in den Vorjahren. Dazu gibt es derzeit laut Spitalsärzten auch recht viel bakterielle Lungentzündungen, etwa durch Mycoplasmen, und weiterhin viele Streptokokken-Infekte (Angina, Scharlach).

Mit „etwas Achtsamkeit“ ist es da nicht getan, der Ball liegt beim Gesundheitsministerium, da PUBLIC-HEALTH-Maßnahmen zu ergreifen. Mit Eigenverantwortung kommt man nicht weit in Österreich – diese wird mit Egoismus gleichgesetzt. Jaja, in anderen Ländern ist es auch schlimm, ich weiß, aber mit „woanders ist es auch nicht besser“ kommen wir auch nicht weiter.