Ein signifikanter Anteil der Post-Covid-Betroffenen erleben anhaltende Symptome und funktionelle Einschränkungen mit Fatigue als bestimmendes Symptom. Rund 60% der Patienten kehrt drei Monate oder später nach der Infektion erfolgreich ins Arbeitsleben zurück. Davon braucht aber eine beträchtliche Zahl Arbeitsanpassungen, um mit verbleibenden Einschränkungen umgehen zu können (Ottiger et al. 2024, Systematic Review).
Der Review und Meta-Analyse bestätigen damit frühere Studien, wonach etwa ein Drittel arbeitsunfähig bleibt und rund ein Viertel in Teilzeit gehen muss, um die Belastung zu reduzieren (Trujillo et al. 2022, Wambeke et al. 2023, Kerksieck et al. 2023). Frauen und über 50jährige sind insgesamt häufiger betroffen (O’Regan et al. 2023). In Großbritannien waren Ende 2023 über 500 000 Menschen unter 35 Jahre arbeitsunfähig.
Bei leichteren Ausprägungen von LongCOVID kann man eher noch auf Entgegenkommen der Arbeitgeber hoffen, etwa wechselnde Produktivität nach guten und schlechten Tagen oder Homeoffice. Problematischer wird es mit schweren Verlaufsformen und starken kognitiven Einschränkungen.
Folgende fünf Themen stehen bei Gyllensten et al. 2023 im Mittelpunkt bei der erfolgreichen Wiedereingliederung ins Arbeitsleben:
- Kommunikation und Unterstützung
- Möglichkeit für Arbeitsplatzanpassung
- Akzeptanz der neuen Einschränkungen
- Zunehmendes Bedürfnis für Erholung von der Arbeit
- Mangel an Wissen und Verständnis für die Folgen von Covid
Siehe hierzu auch die Aussagen von Neurologe Michael Stingl.
Weiterführende Literatur:
- Harvard Business Manager: Wie umgehen mit Long Covid am Arbeitsplatz? (16.09.24 Paywall)
- Matsuda et al., Changes in Working Situations of Employed Long COVID Patients: Retrospective Study in Japanese Outpatient Clinic (28.06.24 – 54% der LC-Patienten müssen den Arbeitsplatz anpassen: 40% Urlaub, 10% Pensionierung, 4% Stunden reduzieren; 67% mit Einkommensverlusten, Frauen am meisten betroffen)
- Reuschke et al., Impacts of Long COVID on workers: A longitudinal study of employment exit, work hours and mental health in the UK (26.06.24 – Conclusions: „The extension of Statutory Sickness Pay and greater flexibility to manage partial (returns to) work would help preserve employment and mental health. Those with Long COVID for 12 months are likely to meet the definition of disability and so have a right to receive reasonable workplace adjustments.“)
- Anderson et al., Episodic disability and adjustments for work: the ‘rehabilitative work’ of returning to employment with Long Covid (26.03.24 – auch mildere Fälle beeinträchtigt, fluktuierende Symptome, fehlendes Verständnis und Entgegenkommen am Arbeitsplatz, aber auch begleitende psychische Belastung)
- Leitner et al., Characteristics and burden of acute COVID-19 and long-COVID: Demographic, physical, mental health, and economic perspectives (22.01.24)
- Kwon et al., Impact of Long COVID on productivity and informal caregiving (26.12.23 – 51,7% reduzierte bezahlte Arbeitsstunden, mittleres Monatseinkommen um 24,5% gesunken)
- Schmachtenberg et al., How do long COVID patients perceive their current life situation and occupational perspective? Results of a qualitative interview study in Germany (09.03.23)
- Jamie Ducharme: Back-to-Office Pressure Is Creating a Crisis for Long COVID Patients (28.03.22)
Arbeitnehmerschutz in Österreich
In Österreich ist der Arbeitnehmerschutz gesetzlich geregelt:
§ 3.Paragraph 3,
- (1) 1 Arbeitgeber sind verpflichtet, für Sicherheit und Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer in Bezug auf alle Aspekte, die die Arbeit betreffen, zu sorgen. Die Kosten dafür dürfen auf keinen Fall zu Lasten der Arbeitnehmer gehen. Arbeitgeber haben die zum Schutz des Lebens, der Gesundheit sowie der Integrität und Würde erforderlichen Maßnahmen zu treffen, einschließlich der Maßnahmen zur Verhütung arbeitsbedingter Gefahren, zur Information und zur Unterweisung sowie der Bereitstellung einer geeigneten Organisation und der erforderlichen Mittel.
Aufgaben eines Betriebsrats laut Arbeitsschutzgesetz bzw. Arbeitsverfassung:
§ 38. Die Organe der Arbeitnehmerschaft des Betriebes haben die Aufgabe, die (…) gesundheitlichen (…) Interessen der Arbeitnehmer im Betrieb wahrzunehmen und zu fördern.
§ 97 Betriebsvereinbarungen,
8) Maßnahmen und Einrichtungen zur Verhütung von Unfällen und Berufskrankheiten sowie Maßnahmen zum Schutz der Gesundheit der Arbeitnehmer;
Der Österreichische Gewerkschaftsbund (ÖGB) setzt sich in seinem aktuellen Programm (2023-2028) explizit für präventive Schutzmaßnahmen am Arbeitsplatz ein, darunter auch Luftreiniger in Bildungseinrichtungen. Freilich ist davon in der Praxis wenig zu bemerken. Bis auf die Unabhängige Lehrergewerkschaft scheint sich niemand für saubere Luft zu interessieren. Das Thema Luftreiniger scheint endgültig durch zu sein.
„Die Arbeiterkammer (AK) setzt sich dafür ein, dass die Gesundheit der Arbeitnehmer:innen geschützt wird. Neue arbeitsmedizinische Erkenntnisse müssen daher im ArbeitnehmerInnenschutzgesetz und in seine Verordnungen aufgenommen werden. Die gilt auch für die Qualität der Raumluft und generell die Inhalte der Arbeitsstättenverordnung. Die AK wird sich hierfür bei der nächsten Novelle einsetzen. Das zuständige Ministerium (BMA) ist gefordert, hier für Anpassungen zu sorgen.“
Arbeiterkammer Österreich auf x, 08. April 2024
Haben Infizierte ggf. Schadensanspruch?
In Deutschland möglicherweise ja.
In Österreich wurde eine Frau der vorsätzlichen Gefährdung durch Ansteckung trotz Quarantäne für schuldig befunden.
“Während der Schuldspruch wegen vorsätzlicher Gefährdung rechtskräftig wurde, wurden andere Teile des Urteils vom Oberlandesgericht Graz gekippt. Diese drehten sich um den Vorwurf der grob fahrlässigen Tötung: Die Ansteckungsketten seien nicht hinreichend erörtert worden, hatte die zweite Instanz festgestellt.“
Statistik zu Krankenständen
Eine Warnung für den Arbeitsmarkt in Österreich veröffentlichte am 12. September 2022 eine Stabsstelle der später aufgelösten Expertenkommission GECKO, demnach blieb jede dritte offene Stelle in den USA wegen LongCOVID unbesetzt, während man sich in Österreich noch über so viele unbesetzte Stellen wundert.
WKO: Fachkräftemangel wird zu Arbeitskräftemangel (28.05.22)
Nie zuvor hat es in Österreich so viele Krankenstände gegeben wie im Vorjahr. Die ÖGK registrierte 6,2 Millionen Meldungen, vor der Pandemie waren es zwischen 4 und 4,7 Millionen. Knapp die Hälfte geht auf Atemwegsinfekte zurück.
Kleine Zeitung, 05.02.24
ÖGK-ArbeitnehmerInnnen-Obmann Andreas Huss:
“Aber wir müssen auch akzeptieren, dass mit einer zusätzlichen Krankheit in der Infektionssaison zusätzliche Krankenstände auftreten.” (30.03.23, Presseaussendung)
„Die österreichische Wirtschaft ist stark auf das hohe Wissen und Können ihrer Erwerbstätigen angewiesen und […]. Die Gesundheit der Arbeitskräfte spielt eine zentrale Rolle für die Produktivität und Innovationsfähigkeit Österreichs.“