Stand 19. Oktober 24: 20% Positivrate SARS-CoV2, 20% Rhinoviren, 6% Parainfluenza, 0% Influenza/RSV Quelle: Aberle/Redlberger Fritz, Virologie MedUni Wien

Derzeit kursiert so viel Unsinn zu den vielen Infektionen und Krankenständen, dass es wehtut. Was hat das noch mit dem Anspruch eines faktenbasierenden Journalismus zu tun? Gibt es diesen Anspruch überhaupt noch? Zu den Gründen für die wirklich schlechte Berichterstattung gibt es mehrere Erklärungsansätze.

In meinen Augen gibt es vor allem im deutschsprachigen Raum keine Kultur für ausreichend finanzierte Wissenschaftsredaktionen, die sich studierte Wissenschaftsjournalisten anzüchten. Die Science und Health Literacy, also die Fähigkeit, wissenschaftliche Prozesse zu verstehen und Gesundheitsinformationen zu finden und umzusetzen, ist hierzulande sehr schlecht ausgeprägt, was unter anderem auf die mangelnde Aufarbeitung des Nationalsozialismus zurückzuführen ist (Akademikerfeindlichkeit, Judenfeindlichkeit, Rechtsesoterik, „Schulmedizin“). Journalisten aus der Wirtschaft bis Lifestyle glauben, es sei ausreichend ohne besondere Recherche einen „Expert*In“ zu interviewen und 1:1 unhinterfragt abzudrucken. Eminenz vor Evidenz. Die Auswahl erfolgt häufig nach Sympathiewerten (kann er sich kurz und prägnant ausdrücken? Egal ob es stimmt oder nicht.) oder Verfügbarkeit. Journalisten leiden heutzutage unter einem immensen Zeitdruck und reich wird man vom Schreiben nicht mehr. Alles muss schnell gehen. Die Mehrheit der jetzt noch seriös und fundiert über Corona berichtenden JournalistInnen ist selbst betroffen, als Teil der Risikogruppe, als LongCovid-Betroffene oder durch Angehörige. Wissenschaftsjournalisten wie Lars Fischer oder Kai Kupferschmidt sind die Ausnahme. Hinzu kam im Verlauf der Pandemie, dass sich „die Medien“ mit der Corona-Berichterstattung beim Leser unbeliebt gemacht haben und das Thema nun meiden. Das ist übrigens ein Teufelskreislauf, weil die Politik nicht mehr bereit ist, Maßnahmen zu fordern, die die Infektionswellen wirksam eindämmen könnten. Würde nun verstärkt berichtet, verstärkt das lediglich Ohnmachtsgefühle und in der Regel herrscht das Motto „Blame the messenger!“

Nun ja, mein Blog hat den Anspruch, das anzusprechen, was weh tut, aber nicht zu leugnen ist – daher kommen nachfolgend einige Klarstellungen zur derzeitigen Infektionslage.

Fakt 1: Wir haben eine SARS-CoV2-, keine Grippewelle!

So behauptet die aktuelle FALTER-Ausgabe (42/24), dass es in den Wiener Kindergärten aufgrund der Grippewelle Personalnot geben würde. Die aktuellen Wiener Abwasserdaten zeigen aber fast keine Influenza-Infektionen und auch die heutigen Sentineldaten (siehe oben) nicht!

Fakt 2: Gegen Infektionen kann man sich schützen!

Die Gesellschaft hat NICHTS aus der Pandemie gelernt! Sie hat nicht nur völlig verdrängt, dass SARS-CoV2 noch existiert, sondern hält stur an den Mythen vor 2020 fest. Es ist wissenschaftlicher Mehrheitskonsens, dass Zugluft nicht für Virusinfektionen verantwortlich ist. Es ist nicht der Fall, dass man als gesunder Mensch mit nassen Haaren rausgeht und „sich verkühlt.“ Es braucht immer einen Erreger, der in den Organismus eindringt. Dieser Erreger kommt von Menschen, die gerade infiziert und ansteckend ist. Die meisten Atemwegsinfekte werden über die Luft übertragen. Verkühlung ist ein veralteter und irreführender Begriff – es ist ein respiratorisches Virus – und hier kann man streng genommen noch einmal unterscheiden zwischen „über die Atemwege übertragbar und auf die Atemwege beschränkt“ und „über die Atemwege übertragbar, aber Multisystemerkrankung„. Warum schreib ich das so explizit? Erst wenn klar ist, dass man nicht selbst schuld, wenn man krank wird („nasse Haare“, „geschwitzt ohne Wechselgewand“, „Klimaanlage“, „Fenster offen“), sondern sich die Erkrankung in Gesellschaft geholt hat, wird auch klar, was getan werden muss. Es gibt nun einmal keine „private“ Atemluft!

 „Wenn in der U-Bahn oder im Büro jemand neben mir hustet, weiß man nicht, ob der Husten ansteckend ist oder nicht“, sagt Antoniewicz. Das macht es so schwierig, sich vor einer Ansteckung zu schützen.

aus einem STANDARD-Artikel, 17.10.24

Doch, natürlich kann man sich schützen – indem man eine dicht sitzende FFP2-Maske aufsetzt. Das verhindert die Ansteckung, wenn der Sitznachbar wegen einem akuten Virusinfekt husten muss. Und wenn er keinen Virusinfekt hatte, hat man sich halt umsonst geschützt – aber in Zeiten vieler Infektionswellen ist das Risiko groß, neben einem infektiösen Menschen zu sitzen oder stehen.

Fakt 3: Mit einem Virusinfekt kann man 1-2 Wochen ansteckend sein!

„Ganz generell kann man sagen, dass der allererste Nieser oder Huster, wenn man gerade erst anfängt, krank zu werden, meistens der ansteckendste ist“, sagt der Lungenfacharzt. Wenn die Symptome schon mehrere Tage andauern, ist oft auch schon die Ansteckungsgefahr geringer.“

Lungenfacharzt Lukasz Antoniewicz, Leiter der Hustenambulanz am AKH Wien (Derstandard, 17.10.24)

„Wenn es begonnen hat und dann meistens zwei, drei Tage danach ist man ansteckend, aber dann nimmt es auch wieder ab. Natürlich gibt es immer Ausnahmefälle, aber das ist so um den Daumen herum der Verlauf.“

Rainer Gattringer, Klinikum Wels-Grieskirchen (ooe orf, )

Bei Influenza und RSV ist die Viruslast mit Symptombeginn am höchsten und z.B. Triple-Schnelltests (inkl. Corona) schlagen sofort an (Middleton and Larremore 2024). Bei SARS-CoV2 steigt die Viruslast immunitätsbedingt aber verzögert an, und dann ist man nicht bei Symptombeginn am ansteckendsten, sondern ein paar Tage später, mitunter selbst dann, wenn die Symptome schon wieder abklingen (Frediani et al. 2023).

Aus eigener Erfahrung mit einem humanen (saisonalen) Coronavirus kann ich sagen, dass man sich auch am achten oder neunten Tag mit respiratorischen Symptomen noch mühelos anstecken kann. Immunsupprimierte Patienten mit einer Parainfluenzainfektion können noch deutlich über 14 Tage hinweg ansteckend sein (Tabatabai et al. 2022), immunkompetente Krebspatienten rund 14 Tage (Iglόi et al. 2022), auch bei anderen Viren scheinen „zwei bis drei Tage“ sehr niedrig gegriffen.

Ein Schelm, wer böses denkt – dass bei der Debatte um die vielen Krankenstände der Wunsch der Wirtschaft da ist, früher wieder arbeiten zu gehen – speziell man eh nicht mehr ansteckend sei. Das ist erstens mitnichten so und zweitens sollte man sich wirklich ausreichend schonen. Drittens – wenn man unbedingt früher wieder arbeiten gehen will, sollte das im Home-Office, in einem Einzelbüro oder mit Maske passieren.

Fakt 4: Die Behandlung von SARS-CoV2 und grippalen Infekten unterscheidet sich!

In den Arztpraxen getestet werden mittlerweile aber nur die Risikogruppen, denn die Behandlung von grippeähnlichen Infekten und Corona-Erkrankungen unterscheidet sich nicht. „Beides sind Virusinfekte, beide sind ursächlich nicht behandelbar, sondern nur symptomatisch“,

Wolfgang Ziegler, Kurienobmann allgemeinmediziner (OOE ORF AT)

Das stimmt so nicht. Bei Corona und Influenza gibt es antivirale Medikamente, die die Ursache (Viruslast) bekämpfen. Empfohlen werden sie einer eng gefassten Risikogruppe, grundsätzlich nehmen kann sie aber jeder. Auch junge, gesunde Menschen können schwer erkranken und sind dann auf antivirale oder entzündungshemmende Medikamente angewiesen. Zudem sollte man sich nach einer SARS-CoV2-Infektion länger schonen als nach einer Rhinovirus-Infektion.

Transparenz-Hinweis: Gattringer und Ziegler waren im Herbst 2020 bei der Presse-Aussendung der Ärztekammer Oberösterreich gemeinsam mit Infektiologe Allerberger und PH-Mediziner Sprenger dabei, als der „Labor-Tsunami“ ausgerufen wurde.

Quelle: tips.at, 18.09.20

Fakt 5: Die SARS-CoV2-Impfung ist nicht unwichtiger als die Influenza-Impfung.

Das FPÖ-ÖVP-Regierungsabkommen in Niederösterreich sieht keine Werbung mehr für die SARS-CoV2-Impfung vor. Der Impfbus tourt ab Mitte Oktober durch die Gemeinden, mit Influenza, MMR und HPV-Impfung. Die Impfung gegen Corona wird nicht angeboten. Die Gesundheitslandesrätin Königsberger-Ludwig (SPÖ) begründet das mit der Logistik im Bus. Man haben sich aufgrund der Saison im Herbst für Influenza entschieden.

Grundsätzlich wäre es sinnvoll, beide Impfungen anzubieten, die auch gleichzeitig verabreicht werden können. In vielen Betriebsstätten werden aber ebenfalls nur noch Influenza-Impfungen angeboten. Das Problem mit Intervallen zwischen den Impfungen ist erstens das aktuell schon hohe Risiko für eine Corona-Infektion, aber auch für andere Infektionen, denn im kranken Zustand geht niemand impfen.

Wenn Corona aber nicht einmal erwähnt wird, besteht die Gefahr, dass frisch gegen Influenza Geimpfte an Corona erkranken, die Impfung als wirkungslos empfinden oder von Impfschäden sprechen. Hier fehlt es an klarer Kommunikation.

Zum richtigen Zeitpunkt der Influenza-Impfung ist zu bedenken, dass die Wirksamkeit des Impfstoffs im Verlauf der Saison (November bis März) stark nachlässt. Wenn man zu früh impfen geht, kann es passieren, dass man im Spätwinter nicht mehr ausreichend geschützt ist. In der Forschung wird diskutiert, die Impfstoffe besser anzupassen oder eine zweifache Impfung vor allem für Risikogruppen (darunter Kinder) anzudenken (Rambhia and Rambhia 2018).

In der Hoffnung, dass die Politik das Monitoring ausbaut und nicht weiter einschränkt, kann man den aktuellen Status der Influenzafälle an den Abwasser- und Sentineldaten ablesen. Sofern es da noch nicht deutlich ansteigt, würde ich noch warten. 2022/2023 kam die Influenzawelle früher, letztes Jahr später.

Ich persönlich visiere Ende November für die Influenza-Impfung an, den angepassten Booster gegen Corona hab ich mir bereits Ende August geholt.

Fakt 6: Es gibt jetzt drei angepasste Booster. Alle wirken ähnlich gut.

Varianten-Entwicklung seit Pandemiebeginn und jeweiliger Zeitpunkt der Zulassung angepasster Impfstoffe

Seit Juli gibt es bereits den auf JN.1 angepassten Booster von Pfizer (mRNA), seit Oktober auch den auf KP.2 angepassten Pfizer-Booster. Zudem wurde der auf JN.1 angepasste Protein-Impfstoff von Novavax zugelassen.

Wie Infektiologe Leif Sanders der Charité Berlin berechtigt sagt, kann man die tatsächliche Schutzwirkung der angepassten Impfstoffe immer erst hinterher beurteilen. Aktuelle Studien zeigen aber, dass der auf JN.1 angepasste Booster auch die Schutzwirkung gegen KP.3*-Varianten und XEC erhöht (Happle et al. 2024, Arora et al. 2024 preprint) – das ist vergleichbar mit der Schutzwirkung des XBB.1.5-Impfstoff gegen die später dominante JN.1-Variante.

Sanders rät die Impfung übrigens allen Menschen, nicht nur Risikogruppen, weil es gerade bei jüngeren Menschen weniger um die Verhinderung eines schweren Akutverlaufs ginge, sondern auch um das LongCovid-Risiko zu senken – selbst wenn das nicht explizit in der StiKo-Empfehlung steht (bei den NIG-Empfehlungen in Österreich schon).

Der KP.2-Booster enthält die Schlüsselmutation F456L, welche in den Varianten ab FLiRT aufwärts enthalten ist und zur Immunflucht beiträgt – er dürfte also etwas besser wirken, aber ob es die paar % ausmachen, deswegen zu warten, ist fraglich.

Der Protein-Impfstoff von Novavax ist nicht besser oder schlechter als die mRNA-Impfstoffe. Er scheint weniger Nebenwirkungen zu produzieren, ist von der Wirksamkeit her aber ähnlich gut. Ein Wechsel zwischen mRNA-Impfstoff und Proteinimpfstoff scheint sinnvoll.

Die kürzliche Studie über nur kurzlebige Plasmazellen nach mRNA-Impfstoffe (Nguyen et al. 2024) soll man Sanders zufolge nicht überinterpretieren, denn es würde da um Zellen mit ganz bestimmten Merkmalen gehen, von denen man weniger fand als erwartet. Doch man wisse, dass auch Zellen ohne diese Marker langlebig sein können (Ferreira-Gomes et al. 2024, Turner et al. 2021). Der Grund für die nur kurzlebige Immunität gegen Ansteckung (!) sei die instabile Schleimhaut-Immunität (IgA-Antikörper) und die Antikörperspiegel wieder sinken. Dafür bräuchte man nasale oder inhalative Impfstoffe.

Fakt 7: XEC verursacht wahrscheinlich keine neuen Symptome

Ich habe dazu bereits gebloggt, aber Molekularbiologe Elling hat es kürzlich in einem Ö1-Radiointerview bestätigt. Nach wie vor wird aber heftig geteilt, es würde neue Symptome mit XEC geben. Das Problem bei all diesen Berichten ist, dass wir zu wenig wissen: Wird jeder einzelne Patient sequenziert? Werden nur jene sequenziert, die dieses angeblich neue Symptom haben? Waren diese Personen frisch geimpft, haben sie bereits relevante Vorerkrankungen und die Reinfektion sorgt für eine Verschlechterung der bestehenden Symptomatik? Wie viele, die sequenziert wurden, zeigen keine ausgeprägte Symptomatik? Wie hoch ist die Dunkelziffer?

Die letzte Variante, die in meinen Augen für schwerere Verläufe gesorgt hat, war BA.5:

Ein aktuelles Preprint zu XEC (Kaku et al. 2024) zeigt, dass XEC durch die neuen Spike-Mutationen T22N und F59S deutlich infektiöser ist als vorherige Varianten und im Laufe des Herbstes weltweit dominant werden wird. Eine Veränderung der Grundsymptomatik lässt sich daraus aber nicht ableiten.

Fakt 8: Luftreiniger sind keine Keimschleudern. Menschen sind es.

Wie man dem Kommentar auf meinem zweiten Blog entnehmen kann – und derlei Berichte gibt es leider zahlreiche – ist es für Patienten ausgesprochen schwierig, sich bei einem Spitalsaufenthalt zu schützen. Vor der Pandemie wurde zumindest in bestimmten Bereichen von Krebsstationen Maske tragen – und wahrscheinlich wurden Patienten auch nicht blöd angemacht, wenn sie aus Eigenschutz welche getragen haben.

Wer sich dann schützen möchte, indem er einen Luftreiniger mit ins Zimmer nimmt, wird eher rausgeworfen als diesen zu akzeptieren. Es heißt dann, es sei „best practice“, keine privaten medizinischen Geräte zuzulassen – ohne Ausnahme, doch sollte die Pandemie doch gezeigt haben, dass es hier ein Umdenken braucht!

Die Frage ist: Braucht es zusätzliche Schutzmaßnahmen oder sind die Lüftungsanlagen in den Spitälern ausnahmslos am neuesten Stand und verhindern Infektionen? Die Antwort ist: Wenn alles so super geschützt wäre, würde es nicht so viele nosokomiale Infektionen geben (= Ansteckungen beim Spitalsaufenthalt). Zudem haben Spitalsmitarbeiter ein höheres Risiko für LongCOVID als die Normalbevölkerung (Gruber et al. 2023, Kromydas et al. 2023), weil sowohl die Zahl der Viruskontakte als auch die Viruslast höher ist.

Ein mobiler Luftreiniger darf nicht verwechselt werden mit Umluft-Klimaanlagen, die verbrauchte Luft rezirkulieren. Diese sind in der Tat Keimschleudern. Doch wenn auf einer Station dutzend kranke Menschen liegen, die nicht auf potentielle Krankheitserreger getestet werden, dann geht die Gefahr in erster Linie von dem aus, was schon in der Luft ist, und nicht von dem, was im HEPA-Filter des Luftreinigers ausgefiltert wurde. Im Zweifelsfall macht der Luftreiniger die Luft also sauberer, und nicht dreckiger – selbst wenn die Filter schon länger nicht mehr gewechselt wurden.

Und natürlich wäre die effektivste und einfachste Maßnahme, wenn Spitalsmitarbeiter und Besucher Maske tragen und Patienten bei der Aufnahme getestet würden.

Fakt 9: Maske tragen ist jetzt selbstverständlich als Folge der Pandemie.

„Hast Du vor 2020 auch Maske getragen?“

Niemand hätte Ende der 80er Jahre gefragt, warum man vor 1981 keine Kondome getragen hat. Sobald HIV/AIDS bekannt und zur Pandemie wurde, passte man sich der neuen Realität an und verhielt sich anders. Es wäre sicher sinnvoll gewesen, schon vor 2020 Maske zu tragen. Viele von uns hätten sich die Anzahl an Virusinfekten im Jahr reduzieren können, etwa durch Maske tragen in öffentlichen Verkehrsmitteln oder im Aufzug. Schon während der Grippe-Pandemie 1918 wurde Maske getragen. Dank der zahlreichen Studien zum Maske tragen wissen wir, dass Masken dabei helfen, Infektionen zu verringern oder zu verhindern. Wenn sich vorteilhafte Ergebnisse herausstellen, sollte es wenig überraschen, wenn man hilfreiche Maßnahmen übernimmt. Vor der Pandemie sind viele Menschen an Virusinfekten gestorben, vor denen sie sich hätten schützen können oder geschützt werden können.

„Wirst Du jetzt ein Leben lang Maske tragen?“

Beim Schlafen und Essen tendenziell nein. Ernsthaft: Man wäscht sich auch lebenslang die Hände nach dem Klo gehen oder trinkt nur sauberes Wasser und nicht aus dem Abwasserkanal. Natürlich gibt es situationselastische Unterschiede, je nach Abwasserinzidenz, ob man sich alleine in einem gut belüfteten Raum befindet, oder den Eindruck hat, dass gerade niemand mit Symptomen anwesend ist, aber prinzipiell ist es so, dass dieser Infektionsschutz am einfachesten umzusetzen ist.

Fakt 10: Die Zeit der Kontaktbeschränkungen liegt schon schon über zweieinhalb Jahre zurück. Nachholeffekte sind kein seriöses Argument mehr.

In Österreich war nur der erste Lockdown von Mitte März bis Anfang Mai streng, ab dem zweiten Lockdown gab es zahlreiche Ausnahmen. Im Herbst 2021 gab es eine erste Influenzawelle, die aber mit den erneuten Kontaktbeschränkungen literally im Keim erstickt wurde. Die Kontaktbeschränkungen endeten im Dezember 2021, für Ungeimpfte mit Februar 2022 – wobei sich daran die wenigsten gehalten haben.

Bei Rhinoviren gibt es über 100 Subtypen und keine Kreuzimmunität. Da gibt es also nichts nachzuholen. Parainfluenzatyp 1 und 2 wechseln sich alle zwei Jahre ab, bei RSV zirkulieren die Subtypen A und B ebenfalls in unterschiedlicher Dominanz. Masern und Keuchhusten sollte man sich besser gar nicht infizieren, sondern die Impfung holen, das gilt auch für Diphterie. Gegen Mycoplasmen und Streptokokken gibt es ebenfalls keine langlebige Immunität.

In der Berichterstattung schwingt immer unterschwellig mit: Weil wir diese blöden unnötigen Maßnahmen hatten, gibt es jetzt mehr Infektionen. Es ist aber eigentlich so, dass wir dank der blöden unnötigen Maßnahmen einfach generell weniger Infektionen und weniger Krankheitslast hatten. Das ist gut, denn eine ganze Generation von Kindern hat etliche Infektionen ausgelassen. Frühe Atemwegsinfekte können später Asthma, Allergien und andere Autoimmunerkrankungen erzeugen. Man hätte durch Beibehalten gelinder Maßnahmen (und sei es, Kinder nicht krank in die Schule schicken) die Krankheitslast dauerhaft niedriger halten können. Man hätte die Immunitätslücken in der Bevölkerung durch Impfkampagnen für Masern, Keuchhusten, Influenza schließen können statt einfach alle Infektionen ungebremst durchlaufen zu lassen und sich über die hohe Krankheitslast zu beschweren. Ebenso hätte man moderne Lüftungsanlagen und temporär Luftreiniger zur Überbrückung vorschreiben können, um diese Krankheitslast wenigstens zu reduzieren (denn gegen eine Reihe von Erregern von humanen Coronaviren über Rhinoviren bis Parainfluenza oder Enterviren kann nicht geimpft werden).

Oder wie Virologin Isabella Eckerle sinngemäß zu sagen pflegt:

Es gibt kein Immunschuldkonto abzuarbeiten. Am Ende des Jahres ist man einfach weniger krank.